Paris im Sommer 2021
Adieu Tristesse
5. Juli 2021
28 Grad, Sonne. In der Luft der Gesang einer Sopranistin und der süße Duft von Linden. Paris atmet auf: Mit dem Sommer kommen nach drei harten Corona-Lockdowns Lebensfreude und Leichtigkeit in die französische Hauptstadt zurück.
Vor der Nase ein frischer Salat aus jungen Kartoffeln, Sellerie, Gurken und Zwiebeln, gewürzt mit Nduja-Wurst und einem Kräuter-Potpourri. Es wartet noch die geeiste Spitze einer Aubergine, gefüllt mit Pilzen und Fenchel, abgeschmeckt mit Pflaumen-Crumbeln und Gewürzen sowie als Dessert eine leichte Creme mit Blaubeeren und Lavendel, abgeschmeckt mit etwas frischem Pfeffer und Erbsen-Sprossen. Klingt interessant? Es entpuppt sich als Fest für den Gaumen!
In den Gärten des Olymps
Es handelt sich um eine Kreation der jungen Küchenchefin Chloé Charles, die sich – ohne eigenes Restaurant – auf Gastronomie für private Anlässe und Events spezialisiert hat. Seit Mitte Juni ist sie der Kopf des Les Jardins d‘Olympe, das im zur Rue des Francs-Bourgeois gelegenen Hof des Carnavalet-Museums seine Sonnenschirme aufgespannt hat.
Der umsichtige Service bereitet nur die Tische vor und bringt flink Gläser und Wasserkaraffen. Das Menü muss sich jeder selbst holen – sozusagen im Henkelmann! Was skurril anmutet, ist für ein Museumsrestaurant mit nachhaltigem Anspruch clever organisiert. Wenn abends der letzte Besucher die Museumssäle verlassen hat, bleibt der Hof fürs Dîner geöffnet, dann kann und muss man reservieren.
Die Reservierung ist momentan auch frühzeitig nötig, um in die Räume des kürzlich wiedereröffneten Pariser Stadtmuseums zu gelangen. Die lange Umbauphase steigert offenbar die Neugier bei vielen, die jetzt die Geschichte ihrer Stadt im neu arrangierten Haus wieder in Besitz nehmen – die Spuren der Parisii, die mittelalterliche Stadt, Prousts Schlafgemach, Charlie Hebdo. Nicht zu vergessen die Räumlichkeiten seiner berühmtesten Bewohnerin, Madame de Sevigné. Sie hatte es von 1677 bis zu ihrem Tod 1696 für sich gemietet. Daher auch die heutige Adresse: Rue de Sévigné. Hier schrieb sie ihre berühmten Briefe über das Leben am Hof von Ludwig XIV. an ihre in der Provence lebende Tochter, Madame de Grignan.
Quirliges Marais
Vor den Toren des Pariser Stadtmuseums ist es wieder quirlig, wie überall im Marais. Aus den Grüppchen von Passanten ist buntes Stimmengewirr zu hören – deutsch, englisch, holländisch, die Touristen sind offensichtlich zurück. Die Bistrots und Boutiquen hier scheinen das Geschäft ihres Lebens zu machen.
Das vorzeitige Ende des Lockdowns im Juni, die Aufhebung der Maskenpflicht in den Straßen und die Beendigung der nächtlichen Ausgangsperre haben das angesagte Viertel wieder aufleben lassen wie in den Zeiten vor Corona. So ist an der Places des Vosges kaum noch ein Stückchen Rasen ohne Picknickdecke zu entdecken. Endlich kann man sich wieder ungezwungen mit Freunden treffen – und den Klängen eines Cellos lauschen, das unter den Arkaden erklingt.
Flugs huscht man durch das kleine Tor in der südwestlichen Ecke des Platzes in den Gartenhof des Hôtel de Sully mit seiner kleinen Orangerie. Wo sich im 17. Jahrhundert der Finanzminister von Henry IV. ein Stadtpalast unweit des Louvre bauen ließ und heute die Verwaltung der Nationaldenkmäler beheimatet ist, lädt eine bukolische Oase der Ruhe zum Verweilen ein. Lautstark wie eh und je streiten sich nur die Spatzen im Efeu der Seitenmauer.
Betriebsamkeit in allen Arrondissements
Rund um die Rue d’Alésia im 14. Arrondissement herrscht zu dieser Zeit hektische Betriebsamkeit. Angesichts aufziehender Wolken werden noch schnell die letzten Besorgungen fürs Wochenende gemacht. Der sich plötzlich entladende Himmel beschert der Kirche St-Pierre de Montrouge ungeahnten Zulauf beim abendlichen Gottesdienst. Ein vielstimmiger Chor aus Klerus, Ordensschwestern, der versammelten Gemeinde und vor der Nässe Zuflucht Suchenden stimmt nach den ersten Tönen der Orgel in das Laudate omnes gentes ein.
Danach ist Zeit fürs Abendessen. Zu Füßen des Tour Montparnasse hat der vom rechten Seine-Ufer bekannte Bouillon Chartier einen Ableger bekommen. Wie beim Stammhaus wird mit der gleichen Bistrot-Karte, den gleichen unschlagbaren Preisen und nach dem gleichen Prinzip gearbeitet. Es sorgt dafür, dass die „Suppenküche“ mit ihrer denkmalgeschützten Einrichtung im Stil 1900 auch auch ohne die Möglichkeit einer Reservierung immer voll ist.
Vor Sacré-Cœur am anderen Ende der Stadt ist die Stimmung ausgelassen wie lange nicht mehr; das Panorama wird wie eh und je genossen, es wird geknutscht und den Klängen einer Klampfe gelauscht, ein paar Touristen knipsen. In den Restaurants an der nahen Place des Abbesses ist es wieder voll, ebenso in den Clubs von Pigalle. Hier wird wieder gefeiert bis die erste Metro fährt.
Der Delta-Variante zum Trotz. Noch.