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Handball in Frankreich

Die Experten

Louise Schöneshöfer

Die französische Männer-Handballnationalmannschaft bei der Siegerehrung 2021 in Tokio, © picturealliance/dpa | Marijan Murat

19. August 2021

In Tokio ließen sich die französischen Handballer den Olympia-Titel dieses Mal nicht nehmen: Den „Bleus“ („Les Experts“) gelang gegen Dänemark fünf Jahre nach ihrem Silber in Rio die Revanche für 2016, sie holten zum dritten Mal Gold.

Zum dritten Mal nach 2008 und 2012 krönte sich Rekordweltmeister Frankreich im Handball zum Olympiasieger. Wie schon in Rio de Janeiro kam es im Finale zum Aufeinandertreffen zwischen den Franzosen um Weltstar Nikola Karabatić und Dänemark mit seinem Topstar Mikkel Hansen. Beide stehen derzeit bei Paris Saint-Germain unter Vertrag.

Doch während Dänemark vor fünf Jahren am Ende über Gold jubeln konnte, setzte sich diesmal die französische Mannschaft mit einem verdienten 25:23-Sieg durch. Mit der insgesamt dritten olympischen Goldmedaille gelang dem Team Historisches. Nur Russland liegt im ewigen Medaillen-Spiegel vor den Franzosen: Dessen Verband inklusive Vorgänger UdSSR und GUS hat insgesamt sechs Medaillen gewonnen, davon vier aus Gold.

Weltspitze

„Les Experts“, wie sich die französische Männer-Handballnationalmannschaft nennt, etablierten sich in den 1990er Jahren in der Weltspitze des Handballs und gewannen die Rekordzahl an Weltmeisterschaften (1995, 2001, 2009, 2011, 2015 und 2017), neben drei olympischen Titeln und drei Europameisterschaften (2006, 2010 und 2014).

Im Kader gab es 2021 drei Spieler, die seit 2008 bei allen Olympischen Spielen Medaillen geholt haben. Einer von ihnen ist Rückraum-Shooter Nikola Karabatić, der nach der wohl schwersten Verletzung seiner langen Karriere – ein Kreuzbandriss – nach sieben Monaten wieder auf der Platte stand. Weiterhin mit Bestleistungen.

Der in Jugoslawien geborene Spieler kam im Alter von vier Jahren als Sohn einer serbischen Mutter und eines kroatischen Vaters nach Frankreich: Branko Karabatić, ehemaliger Torwart der jugoslawischen Handballnationalmannschaft, wurde 1985 vom Straßburger ASL Robertsau unter Vertrag genommen. Nikola Karabatić, dreimaliger Welthandballer (2007, 2014 und 2016), trägt nun fast seit zwanzig Jahren das französische Nationaltrikot, von 2004 bis 2009 spielte er für den THW Kiel in Deutschland, der weltbesten Handball-Liga.

Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Luka Karabatić, der seit 2011 hauptsächlich als Abwehrchef in der Nationalmannschaft spielt und im Verein auch bei Paris Saint-Germain, holen siein Tokio das erste gemeinsame olympische Gold.

Nikola Karabatić und Luka Karabatićmit mit ihrem olympischen Gold am 7. August 2021, © picture alliance / REUTERS | Susana Vera

Kein Nationalsport

Die Euphorie in Frankreich ist groß. „Les Experts“ sind zurück, Patron Nikola Karabatić und seine Weggefährten haben den Sport im Land groß gemacht. Doch Handball ist noch lange kein Nationalsport.

Fußball bleibt bei weitem der beliebteste Mannschaftssport Frankreichs, gefolgt von Basketball und Volleyball. Gemessen an der Mitgliederzahl kommt Handball erst auf Rang Vier der beliebtesten Team-Sportarten. Aber mit dem Basketball ist Handball ein Sport für die junge Generation – die Mitglieder des französischen Handballverbands FFH sind im Durchschnitt 21 Jahre alt und im Hinblick auf die Teilnahme an Wettkämpfen sehr aktiv.

Mit den Erfolgen der „Bleus“ sind im Übrigen auch die Mitgliederzahlen stetig gewachsen. Einzelne Peaks bilden das Jahr 2006 (364.429 Mitglieder) und neun Jahre später, 2015 (bereits 515.572 Mitglieder).

Wie die Trainingslager Clairefontaine für den Fußball oder Marcoussis für den Rugby verfügt der französische Handball seit Ende 2018 in Créteil bei Paris über ein eigenes Verbandszentrum.

Generationenwechsel

Seit 2017 ist im französischen Handball eine sogenannte Talentschmiede der Juniorenmannschaft entstanden, dazu gehören Dika Mem, Romain Lagarde, Ludovic Fabregas und Melvyn Richardson (Sohn des Welthandballers 1995 Jackson Richardson).

Spätestens seit der Bronzemedaille bei der WM 2019 sind die jungen Spieler bestens in der Nationalmannschaft integriert. Dennoch war das Team bei der EM 2020 nach der Vorrunde überraschend ausgeschieden. Der damalige Trainer Didier Dinard musste abtreten, er war 2016 für Claude Onesta nachgerückt, der anderthalb Jahrzehnte lang für den Erfolg der französischen Handballer stand. Nach der WM 2020 folgte auf Dinard dann der Co-Trainer Guillaume Gilles, der noch als Spieler zusammen mit Dinard zwei Mal olympisches Gold gewonnen hatte. Die dritte Goldmedaille holte Gilles sich nun in Tokio als Trainer.

Le Magicien“ und „L’homme élastique

Es war zu erwarten: Kapitän Michaël Guigou, mittlerweile 39 Jahre alt und Luc Abalo, 36, haben in einem Interview direkt nach dem Final-Sieg in Tokio verkündet, ihre Karriere in der Nationalmannschaft zu beenden. Die unter den Namen „Le Magicien“ (der Magier) und „L’homme élastique“ (der Elastische) bekannten Handballer werden auf den beiden Außenpositionen fehlen – nicht zuletzt im Hinblick auf Paris 2024.

Denn olympisches Gold im eigenen Land fehlt der erfolgsverwöhnten Mannschaft noch.

Les Bleues

Neben den „Bleus“ ging in Tokio auch die französische Frauen-Handballnationalmannschaft („Les Bleues“) in die Geschichte der Disziplin ein. Sie holte wie die französischen Handballer Olympia-Gold.

Es war für die Weltmeisterinnen von 2003 und 2017, sowie Europameisterinnern von 2018 der letzte Titel, der ihnen fehlte. Auch sie revanchierten sich für das Olympia-Finale in Rio und gewannen das Finale gegen die Russinnen. Denn obwohl ihre Gegnerinnen in Tokio unter dem Namen „Russian Olympic Committee“ (ROC) antraten, war es die gleiche Mannschaft, an der sie in Brasilien gescheitert waren. Die Spielerinnen von Trainer Olivier Krumbholz siegten im Finale souverän mit 30:25.

Für Olivier Krumbholz war es die sechste Olympia-Teilnahme. Von 1998 bis 2013 war er Trainer der Handball-Frauen; Anfang 2016 übernahm er erneut dieses Amt; seitdem holten seine Spielerinnen bei Olympia, einer EM oder WM Medaillen.

Das aktuelle Team setzt sich aus mehreren erfahrenen Spielerinnen zusammen, z. B. Grâce Zaadi auf der Mittelposition, Kreisspielerin Béatrice Edwige sowie Kalidiatou Niakate und Estelle Nze-Minko im Rückraum. Am Kreis überzeugte in Tokio auch die erst 20-jährige Paulette Foppa.

Torhüterin Cléopatre Darleux glänzte mit vielen stark gehaltenen Bällen und setzt sich für eine größere Mediatisierung des Frauensports auch außerhalb von Olympia ein: Nur 36,1 % der Mitglieder in französischen Handball-Clubs sind weiblich.

Die zweite französische Torhüterin in Tokio, Amandine Leynaud (35), beendete ihre internationale Karriere mit Olympia-Gold.

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