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Deutsch-Französische Städtepartnerschaften

Stabile Beziehungen

Martin Vogler

Das Schloss von Ludwigsburg, der Partnerstadt Montbéliards, nach den Attentaten in Paris 2015, © Fotoarchiv der Stadt Ludwigsburg

22. November 2020

Als in den 1950er Jahren deutsche und französische Städte erste Partnerschaften schlossen, ging es ihnen um Aussöhnung und eine friedliche Zukunft in Europa. Mittlerweile gibt es rund 2200 jumelages de deux villes – ein klares Erfolgsmodell.

Vielerorts ist die ursprüngliche Euphorie aber auch abgeflaut, und so manche Beziehung hat sich verändert. Nicht zuletzt wegen Corona. Denn tragende Säulen funktionierender Partnerschaften wie Schüleraustausch, gegenseitige Besuche von Vereinen, sonstiger Delegationen und von Privatleuten mussten 2020 auf ein Minimum bis auf Null zurückgefahren werden. Exemplarisch dafür sind Montbéliard und Ludwigsburg, seit 1948 Hauptsitz des Deutsch-Französischen Instituts (dfi): Diese beiden Städte waren 1950 die ersten überhaupt, die eine deutsch-französische Partnerschaft eingingen. Die geplanten Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen mussten wegen Corona abgesagt werden. Es gab 2020 nur eine einzige Vereinsbegegnung, der Schüler- und Jugendaustausch fiel komplett aus. Christine Süß, bei der Stadt Ludwigsburg für Partnerschaftsfragen zuständig, lässt sich jedoch nicht entmutigen: „Die Pandemie hat die Kontakte natürlich sehr verändert, aber zum Erliegen ist die Kommunikation auf keinen Fall gekommen.“

Am Ortseingang von Montbéliard, © B. Bader, Flickr

Montbéliard und Ludwigsburg suchen in der Krise, wie viele andere Partnerstädte, nach Auswegen. Zum Beispiel wurde die Geschichte zwischen Montbéliard und Ludwigsburg digital in einer zweisprachigen Dokumentation festgehalten, die die Bürgerinnen und Bürger beider Städte nutzen können.

Die Schülerinnen und Schüler wollen sich in den nächsten Wochen digital zum Thema „Lebensmittelverschwendung“ austauschen – ein Thema, das auch 2021 bei erhofften persönlichen Arbeitstreffen auf der Tagesordnung stehen soll. Und als im Juli 2020 Montbéliards Ex-Bürgermeister und Senator Louis Souvet starb, reiste Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht trotz Pandemie zur Trauerfeier.

Bewährung in der Not

Solch gute Kontakte konnten in der Corona-Krise sehr hilfreich sein. So bat im Frühjahr die Bürgermeisterin von Montbéliard, Marie-Noëlle Biguinet, als noch Mangel an Schutzmasken herrschte, in Ludwigsburg um Hilfe. 1800 Masken wurden rasch aus Schwaben in die Franche-Comté geschickt und dort an mobile Pflegedienste verteilt. Anderorts erhielten französische Schwerkranke dank Städtepartnerschaften freie Intensivbetten in deutschen Krankenhäusern: Sechs Covid-19-Patienten aus Mülhausen bekamen in der Partnerstadt Kassel Hilfe, gleich 22 schwer Erkrankte aus dem lothringischen Forbach wurden im saarländischen Völklingen gepflegt. Der vielzitierte Ausspruch von Tobias Bütow, Generalsekretär des Deutsch-Französischen Jugendwerks, ordnet solche Beispiele gut ein: „Städtepartnerschaften können Leben retten.“

„Gewisse Saturierung“

Einige Partnerschaften zeigen indes Ermüdungserscheinungen. Ursache unter anderem: anders als früher sind weite Reisen in fremde Länder für Jugendliche und Erwachsene heutzutage eine Selbstverständlichkeit. Da sinkt der Reiz eines Trips etwa von Villers-sur-Mer in der Normandie nach Boffzen in Niedersachsen, von Marseillan bei Sète nach Miesbach oder von Schwäbisch Gmünd nach Antibes – der Attraktivität der Côte d’Azur zum Trotz. Viele pflegen zudem Partnerschaften mit nicht nur einer Stadt oder sogenannte Ringpartnerschaften mit Städten oder Gemeinden aus mehreren Ländern – wie ab 1958 Esch-sur Alzette, Lille, Lüttich, Rotterdam, Turin und Köln.

Wie viele der rund 2200 deutsch-französischen Städtepartnerschaften sich heute darauf beschränken, dass am Ortseingang ein Schild auf die Beziehung hinweist und bestenfalls eine Straße oder ein Platz nach der Partnerstadt benannt ist, weiß niemand. Ein Parameter dafür ist die Zahl der neu geschlossenen Partnerschaften. Nach dem Impuls durch den Élysée-Vertrag 1963 schnellte deren Zahl auf fast 100 pro Jahr hoch; seit der Jahrtausendwende fiel sie auf einen niedrigen einstelligen Wert zurück.

Antibes, Partnerstadt von Schwäbisch-Gemünd, © Martin Vogler

Die Konrad-Adenauer-Stiftung, die sich intensiv mit den Städte-Partnerschaften beschäftigt hat, spricht von „einer gewissen Saturierung“. Ein gemischtes Bild vermittelt eine 2018 erschienene gemeinsame Studie der Bertelsmann Stiftung und des Deutsch-Französischen Instituts, an der sich 1322 deutsche und französische Städte beteiligten. Dort sagten immerhin zwei Drittel, ihre Partnerschaft sei stabil bzw. habe an Intensität gewonnen. Jede fünfte Partnerschaft der Städte, die an der Befragung teilgenommen haben, sei hingegen nicht mehr so aktiv wie in der Vergangenheit.

Offen für den Wandel

Weiterhin funktionieren Beziehungen, wenn sie offen für den Wandel sind, z. B. die von Montbéliard und Ludwigsburg: Hier räumen die Verantwortlichen ein, dass die Kontakte kaum mehr wie früher durch Vereinspartnerschaften geprägt seien, es gebe aber einen neuen projektbezogenen Austausch. Christine Süß: „Wir haben sehr früh andere Formate eingeführt: Die alljährliche Arbeitstagung der Verwaltung zu aktuellen Themen oder die Projektpartnerschaften. Vereine oder Schülergruppen arbeiten dann projektbezogen zusammen, ohne eine Partnerschaft einzugehen. Unsere Partnerschaft ist lebendig und wird gelebt.“ Zudem gibt es unter anderem für junge Menschen ab 18 Jahren vierwöchige Sommerjobs und weitere Angebote.

In Zeiten von Corona halten viele zumindest digital Kontakt. Das gilt auch für ein Beispiel kleinerer Städte: Eu, ganz im Norden der Normandie, und Haan im Kreis Mettmann gestalten seit mehr als 50 Jahren ihre Partnerschaft sehr aktiv mit gegenseitigen Besuchen und durch Jugendaustausch. Für alle sichtbar wird das – außer im Corona-Jahr – stets im August bei einem französischen Weinfest und Markt im Park „Ville d’Eu“ in Haan.

Die Zeichen für eine weiterhin lebendige Partnerschaft stehen auch nach der Bürgermeisterwahl in Eu 2020 gut: Der neue Bürgermeister, Michel Barbier, hat sich schon vorher als Freund der Beziehung mit Haan zu erkennen gegeben. Beim deutschen Partner ist Miriam Schulz, die als Kulturbeauftragte Haans auch für Partnerschaften zuständig ist, optimistisch: „Auch wenn wir aktuell vieles herunterfahren mussten, funktioniert grundsätzlich alles. „Wir hoffen, dass es 2021 aktiv weitergeht.“ Was sie besonders hoffnungsvoll stimmt, sind die vielen Nachfragen von Bürgern, die einmal nach Eu fahren wollen.

Nürnberg, Partnerstadt von Nizza, © Uwe Niklas

Eine Partnerschaft, die zu ihrem Beginn 1954 viel Aufsehen erregte, ist die zwischen Nizza und Nürnberg. Die Stadt an der Côte d’Azur hatte sich im Zeichen der Aussöhnung bewusst für die Stadt der Reichsparteitage mit ihrem belasteten Image entschieden. Treibende Kraft in Nizza war Jean Médecin, ein damals sehr beliebter Bürgermeister und von 1928 bis 1944 und sowie von 1947 bis 1965 im Amt. Die Beziehung – Nizza ist neben Venedig Nürnbergs älteste Partnerstadt – hält bis heute.

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4 Kommentare/Commentaires

  1. Lieber Ulrich Hansen, danke für diese Einschätzung und den Optimismus, den ich gerne teile. Bei diversen Rückmeldungen auf anderen Kanälen steht leider immer wieder die Sorge im Mittelpunkt, dass der Generationenwechsel bei den Partnerschaften nur bedingt funktioniert. Hoffen wir, dass das so deutlich nicht eintreten wird.

  2. Eine informative Betrachtung zu den deutsch-französischen Städte- und Gemeinde-Partnerschaften im Wandel unserer turbulenten Zeit.

    Mit der Corona-Pandemie hat die ursprüngliche Euphorie für einen länderübergreifenden Austausch von Erfahrungen und Freundschaftsbeziehungen zwischen etwa gleich großen Kommunen einen weiteren Dämpfer erhalten. Trotz derzeit gravierender Einschränkungen einerseits und einer zunehmend global – statt kommunal – orientierten Kommunikation andererseits, gibt es jedoch noch viele funktionierende Partnerschaften, die in Zeiten der Not wieder enger zusammenrücken: So etwa im coranabedingten Medizin-Bereich oder beim Austausch kommunaler IT-Entwicklungen.

    Diese kenntnisreiche Bestandsaufnahme des Autors trägt sicherlich zu einer erneuten Stärkung der deutsch-französischen Beziehung bei.

  3. Merci pour ce bel article. En général, les contacts entre les petites villes allemandes et françaises fonctionnent bien. Cette année, Wachtendonk a malheureusement dû annuler la venue d‘une importante délégation de sa petite ville jumelle en… Bretagne. Ce ne sont pas les distances qui font peur aux gens.

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