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Yves Klein

Das deutsche Abenteuer

Robert Fleck

Das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen mit drei Reliefgemälden von Yves Klein im Foyer, © Pedro Malinowski

30. Mai 2020

Yves Klein (1928-1962), der Maler monochromer Bilder und Anthropometrien, verdankt einen Großteil seines weltweiten Ruhms vor allem Deutschland, wo er das ganz große Publikum erreichte.

Er war Enkel eines Kaufmanns aus Hannover, der sich um 1900 in den Niederlanden und dann in Java niedergelassen hatte, und Sohn eines Malerehepaars, das bestens mit den modernen Kunstbewegungen in Paris (wo Mondrian ihr Flurnachbar war) und Nizza verbunden war. 1955 begann für Yves Klein das, was man sein „deutsches Abenteuer“ nennen kann, als er nämlich in Paris Heinz Mack traf, einen drei Jahre jüngeren deutschen Künstler; diesem vertraute er ein halbes Dutzend seiner ersten monochromen Bilder an, die er gerade im kleinen Kreis ausgestellt hatte, mit den Worten: „Mach damit, was du willst, aber mach Werbung für mich.“

Anderthalb Jahre später konnten Heinz Mack und der Bildhauer Norbert Kricke, mit dem Klein seit dessen Einzelausstellung in Paris befreundet war, den als Maler wenig erfolgreichen Alfred Schmela überzeugen, dem französischen Künstler die Eröffnungsausstellung seiner Galerie für Avantgardekunst in Düsseldorf zu widmen. „Yves – monochromes“ sorgte im Mai und Juni 1957 für Aufsehen. Die Schau führte zur Gründung der ZERO-Bewegung sowie 1960 der Gruppe „Nouveau réalisme“, die sich in Paris um Yves Klein und den Kunstkritiker Pierre Restany bildete – und viele deutsche Künstler dieser Generation stark beeinflusst hat. Noch 1974 weist das Titelbild eines Katalogs zur Entwicklung der Kunst in Deutschland nach 1945 auf die Ausstellung in der Galerie Schmela hin.

Monumentale Reliefgemälde in Gelsenkirchen

Bereits im Sommer 1957 erhielt Yves Klein von der Stadt Gelsenkirchen den Auftrag für drei monumentale Reliefgemälde, insgesamt 270m2, für das Foyer des neuen Stadttheaters (ab 1966: Musiktheater im Revier) der Hauptstadt des Ruhrgebietes, das nun wieder führender Industriestandort in Europa war. Das neue Stadttheater Gelsenkirchen war das wichtigste Kulturprojekt der Bundesrepublik Deutschland, und anlässlich der Einweihung 1959 durch den Bundespräsidenten wurde Klein zu einem unglaublichen Star, omnipräsent in den damaligen deutschen Medien. Mittlerweile arbeitete er in Düsseldorf eng mit dem Werbefachmann Charles Wilp zusammen, dem er, einzigartig für einen bildenden Künstler, die Entwicklung der Marke Yves Klein anvertraut hatte. Während seine Bekanntheit in Frankreich zu Lebzeiten auf jene Kreise beschränkt blieb, die sich für Avantgarde-Kunst interessierten, erreichte er in Deutschland das ganz große Publikum. Zudem verkaufte sein Galerist Alfred Schmela alle Gemälde, die er ihm überlassen hatte, zu den von ihm verlangten hohen Preisen (500 DM), während Iris Clert, seine Geschäftspartnerin in Paris, nur wenige absetzen konnte. In Frankreich lebte Klein nicht von seiner Kunst, sondern von einer Judoschule, die er vor seiner Künstlerlaufbahn aufgebaut hatte.

Im Foyer des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen, © MiR

Konzeptkunst in Krefeld

Ende Januar 1961 begann im Museum für Zeitgenössische Kunst in Krefeld, damals die wichtigste deutsche Institution auf dem Gebiet der Konzeptkunst, eine Retrospektive Yves Klein. Erneut sorgte er hier bei seinen deutschen Künstlerfreunden für eine Sensation, vor allem beider Gruppe ZERO, da er die erste Konzeptkunst-Ausstellung in der Geschichte moderner Kunst in Deutschland konzipiert hatte. Dort stellte er erstmals immaterielle Werke aus Flüssiggas aus, die ab 1959 – lange vor den Pariser Aktionen bei der EDF – in Kooperation mit Unternehmen aus dem Ruhrgebiet umgesetzt wurden. Zur gleichen Zeit wandte sich die deutsche Presse scharf gegen Yves Klein, da er einen Typ Künstler verkörpere, für den Kommunikation Vorrang vor Kreation habe, wie etwa für Dali und Georges Mathieu. Als Klein im Juni 1962 im Alter von 34 Jahren verstarb, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer unter den Künstlern: „Wir konnten es nicht glauben. Was? Yves Klein? So jung! Und mit all der unglaublichen Energie, die er verkörperte!“, berichtet heute Franz Erhard Walther, Konzeptkünstler von Rang und damals Student an der Kunstakademie Düsseldorf.

Rotraut und Yves Klein: ein einzigartiges deutsch-französisches Paar

Doch Yves Kleins „deutsches Abenteuer“ war mit seinem Tod nicht zu Ende. Wenige Monate zuvor hatte er Rotraut Uecker geheiratet, eine junge deutsche Künstlerin, mit der er seit 1958 in Paris gelebt und sein Werk geteilt hat. Um der Arbeit von Yves Klein posthum einen führenden Platz auf dem internationalen Kunstmarkt und in den wichtigen Museen zu verschaffen, verfolgte sie eine dezidierte Strategie. Zunächst nahm sie eine Idee auf, die bereits vorher entstanden war, noch während eines Aufenthalts mit Yves Klein in New York, nämlich den Preis seiner Werke denen des amerikanischen Malers Franz Kline anzupassen, der etwa gleichzeitig mit Klein verstorben war. Zehn Jahre später verfügte sie, die als junge Witwe mit 23 Jahren ein Werk geerbt hatte, das nur in Deutschland und ein wenig in Italien anerkannt war, über eines der größten Vermögen, die zeitgenössische Künstler hinterlassen hatten.

1962 kehrte Rotraut nach Krefeld zurück, in das Umfeld von Paul Wember, dem Museumsdirektor, der Yves Kleins einzige Einzelausstellung zu Lebzeiten organisiert hatte. Sehr rasch verkaufte Wember ein Gemälde von Klein an einen rheinischen Industriellen und erwarb selbst ein weiteres Werk, das sich, zusammen mit einem Gemälde, das der Künstler dem Museum zu Lebzeiten geschenkt hatte, zum berühmten „Krefelder Triptychon“ fügte. Yves Klein war somit dauerhaft in zwei Sälen des Krefelder Museums präsent, die es niederländischen, belgischen und deutschen Museumsdirektoren ermöglichten, den besonderen künstlerischen Wert und visionären Charakter dieses Werks beurteilen zu können. Wember gab Rotraut Klein den Rat, den Erlös in Reisen zu ebendiesen Museen zu investieren, um dort retrospektive Ausstellungen zu erwirken. Dazu kam es noch vor Ende der 1960er Jahre, lange vor der ersten großen Yves-Klein-Retrospektive in Frankreich, die 1984 im Centre Pompidou stattfand, organisiert von Pontus Hulten, dessen damaligen schwedischen Direktor, den Rotraud kurz vor dem Tod Kleins kennengelernt hatte.

Mit anderen Worten: Yves Klein, der Künstler, auf den Frankreich allen Grund hat, stolz zu sein, da sein Werk tief in der französischen Kultur und Kunst verankert ist, wäre ohne Deutschland sicherlich weltweit nicht so bekannt (Klein ist neben Picasso und Pierre Soulages der mit Abstand bekannteste der jüngeren und zeitgenössischen französischen Künstler). Als wollte er ein Zeichen für die wieder besseren deutsch-französischen Beziehungen setzen, trug Klein bei der Eröffnung 1961 in Krefeld – wo er auch Rotraut, mit der er ein einzigartiges deutsch-französisches Paar der bildenden Kunst auf hohem Niveau bildete, der Presse vorstellte – eine Krawatte in den deutschen Nationalfarben.

Übersetzung: Cornelia Frenkel

Robert Fleck, Yves Klein – l’aventure allemande, Manuella Editions, Paris, 2018

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