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Gebietserweiterungen in Monaco

Zu Wasser, zu Lande, in der Luft

Martin Vogler

Blick vom Felsvorsprung Tête de Chien auf Monaco, © Shutterstock

17. September 2021

Das Fürstentum Monaco, nach dem Vatikan zweitkleinster Staat der Welt, verschafft sich seit Jahrzehnten Zuwachs an Fläche – dank origineller Ideen, unglaublicher technischer Lösungen und viel, viel Geld.

Etwas ganz Besonderes ist der jüngste Ausweg aus der monegassischen Knappheit an Liegeplätzen für Schiffe. Denn die meisten Yachten finden schon lange in den beiden Häfen des Zwergstaates keinen Platz mehr. Ein dritter Hafen musste her. Und tatsächlich: Im Oktober 2020 legten in dem neuen maritimen Glanzstück bereits die ersten Schiffe an, im Sommer 2021 nahm es Fürst Albert II. höchstpersönlich in Betrieb.

Cala del Forte, der dritte Hafen

Der dritte monegassische Hafen hat allerdings einen Schönheitsfehler. Wegen des Platzmangels im Lande liegt er nicht auf Staatsgebiet: Der Hafen „Cala del Forte“ befindet sich acht Seemeilen östlich, unterhalb der Altstadt von Ventimiglia in Ligurien. Dort hatte eine italienische Gesellschaft 2009 begonnen, den alten Yachthafen umzubauen, das Projekt stockte jedoch. Somit schlug 2016 die große Stunde Monacos, die Société d’Exploitation des Ports de Monaco (SEPM), die dem monegassischen Staat gehört, stieg ein. Sie ist jetzt für 80 Jahre alleiniger Besitzer.

Für das Fürstentum ist das eine zwar ungewöhnliche, aber praktische Lösung. Die beiden eigenen Häfen kräftig zu erweitern, wäre kaum praktikabel. Und die näher liegenden französischen Gemeinden Cap d’Ail und Menton wollten nicht verkaufen, beziehungsweise hatten keine Kapazitäten für große Schiffe. So erklärt sich, warum der dritte Hafen Monacos, das politisch und wirtschaftlich sehr eng an Frankreich angebunden ist, auf italienischem Gebiet liegt und einen italienischen Namen trägt. Wobei Ventimiglia sich trotz der monegassischen Herrschaft einen wirtschaftlichen Schub erhofft: Rund um den Cala del Forte entstehen neue Geschäfte und Hotels. In die Altstadt hinauf fährt ein Aufzug.

Der neue Hafen Cala del Forte unterhalb von Ventimiglia in Italien, © marinareservation.com

Die meisten Bootsbesitzer werden trotzdem eher den Weg ins Fürstentum suchen, der ihnen leicht gemacht wird. Sie müssen sich nicht die 30 Straßenkilometer auf der meist verstauten Küstenstraße via Menton entlangquälen, es gibt einen flotten Pendelverkehr per Schiff. In rund zehn Minuten können sich die Hafennutzer zum Shoppen, Ausgehen oder Roulettespielen in ihr „gelobtes Land“ bringen lassen. Die Betreibergesellschaft betont, dass sie neben Liegeplätzen für Touristen auch welche für Bewohner von Monaco vermietet und teilweise verkauft. Das ist wichtig, denn bislang fand überhaupt nur die Hälfte der Boote unter Monacos Flagge auch einen Liegeplatz im Staat.

Steigende Preise im Steuerparadies

Von oben sieht der Hafen fast rund aus – mit einer Öffnung, was die Tageszeitung monaco-matin an eine Meeresschnecke erinnert. Allerdings handelt es sich um eine gewaltige Schnecke, in der 178 Schiffe Platz finden. Darunter sind 40 Plätze für Yachten mit mehr als 35 Metern Länge, was den Monegassen sehr wichtig ist. Denn für diese gehobene Kategorie ist der Platz im Fürstentum besonders knapp, weil der Haupthafen Hercule ebenfalls nur 40 dafür aufweist. Die Kapazität für Giganten hat sich also glatt verdoppelt. Wer sich im Hafen „Cala del Forte“ für solch eine Yacht einen Liegeplatz sichern möchte, ist für einen Zeitraum von 40 Jahren mit rund vier Millionen Euro dabei – zuzüglich Steuern und Nebenkosten wohlgemerkt.

Monacos Haupthafen Port Hercule, © Matthias Mullie, Unsplash

Solche Preise dürften viele der knapp 40.000 Bewohner des Steuerparadieses Monaco nicht stören. Sind sie doch beim Kauf von Eigentumswohnungen Beträge von 50.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche gewöhnt. Für eine Ein-Zimmer-Wohnung sind da schon mal schnell 1,5 Millionen Euro fällig. Fast vier Fünftel der Bewohner besitzen übrigens nicht die monegassische Staatsbürgerschaft, freuen sich aber, dass für Privatpersonen weder Einkommens- noch Erbschaftssteuer anfallen. So lebt es sich für die meisten gut in dem Fürstentum, das hervorragend die Vorteile einer engen wirtschaftlichen und politischen Anbindung an Frankreich und eines Sonderstatus als Nicht-Mitglied der Europäischen Union vereint. Letzteres wurde schon für so manchen Normal-Touristen zum (kleinen) finanziellen Verhängnis, wenn beim Telefonieren oder Surfen mit dem Handy unerwartete Roaming-Gebühren anfielen.

Ansonsten kann jeder die Vorzüge des reichen Staates auch kostenlos genießen: zum Beispiel öffentliche Aufzüge, die rasch erhebliche Höhenmeter überwinden oder die – anders als im benachbarten Frankreich – extrem hohe Sicherheit im mit geschätzt 560 öffentlichen und privaten Kameras überwachten Land. Und wer sich am 2021 frisch aufgehübschten Stadtstrand Larvotto erholen will, muss keine zehn schweißtreibende Fußminuten vom Parkhaus in Kauf nehmen – im Sommer zirkulieren hier kostenlose Shuttle-Busse.

Ökologisches Neuland Anse du Portier

Klar, dass im kleinen Monaco bebaut wird, was bebaubar ist. Und zwar so hoch wie möglich. Zusätzlich ringt das Fürstentum dem Meer immer wieder Gelände ab. So wird derzeit direkt vor dem Grimaldi-Forum und dem bezaubernden japanischen Garten der neue Stadtbezirk Anse du Portier auf einer künstlichen Halbinsel gebaut; beide verlieren damit allerdings einen Teil ihrer direkten Lage am Meer. Auf sechs Hektar Land – ganz Monaco verfügt über rund 200 Hektar – entsteht ein Refugium für Superreiche. Der Höhepunkt wird voraussichtlich ein von Star-Architekt Renzo Piano entworfenes Penthouse werden. Der Preis für einen Quadratmeter Wohnfläche: über 100.000 Euro.

Der geplante Stadtbezirk Anse du Portier, © Z REAL Invest

Insgesamt wird das neue Viertel Anse du Portier ab 2025 über fünf große Wohnhäuser und – was für Monaco mit seinen vielen Hochhäusern ungewöhnlich ist – 14 niedrigere Villen verfügen. Hinzu kommen unterirdische Parkplätze, ein kleiner Yachthafen, Geschäfte, aber auch Parks und Gärten mit viel Grün. Die Landerweiterung, die auf 18 riesigen Betonklötzen im Meer steht, soll nämlich ein ökologisches Vorzeigeprojekt werden – autofrei und im Alltag mit 40 Prozent Anteil aus erneuerbaren Energien versorgt. Zum Baustart hatte Fürst Albert II. verkündet: „Ich hoffe, Monacos neues ökologisches Viertel wird zu einem Vorbild für andere Immobilienprojekte am Meer!“ Zu diesem Anliegen gehört beispielsweise, dass Taucher besondere Pflanzen- und Muschelarten vor den Bauarbeiten in Sicherheit gebracht hatten. Und während der Unterwasserarbeiten sollten senkrecht verankerte Planen dafür sorgen, dass die benachbarten Schutzzonen weitgehend unbehelligt bleiben.

Das Quartier Fontvieille

Monaco hat bereits reichlich Erfahrungen mit neuen Stadtvierteln im Meer. Das größte – ästhetisch nur bedingt gelungene – Projekt ist das Quartier Fontvieille. Zwischen 1966 und 1973 wurden dort 33 Hektar dem Meer abgerungen, was damals ein Flächenwachstum Monacos von rund 20 Prozent bedeutete. Das Gebiet erstreckt sich westlich unterhalb des Schlossfelsens bis zur Stadt- und Staatsgrenze zum französischen Cap d’Ail. Dort wohnen und arbeiten Menschen in relativ unspektakulären Gebäuden. Markanter sieht hier das Stadion Louis II. aus, in dem der in Deutschland bestens bekannte Trainer Niko Kovac das Team des AS Monaco Fußball spielen lässt. Der Verein tut dies nicht gegen  – kaum existente – Mannschaften aus dem eigenen Staat, sondern in der ersten Liga Frankreichs. 2017 beendete der Klub aus dem kleinen Nachbarland die Saison sogar als französischer Meister.

Natürlich gehört zu Fontvieille ein riesiges Einkaufszentrum, von dem aus man bequem per Aufzug in die Nähe des für monegassische Verhältnisse fast volkstümlichen La-Condamine-Viertels gelangt. Eine Universität, Parks und der Helikopterlandeplatz – per Hubschrauber geht es in sieben Minuten zum Flughafen Nizza – haben ebenfalls in Fontvieille Platz gefunden. Daneben liegen bis zu 275 Boote im Hafen von Fontvieille, der nach dem Port Hercule mit seinen rund 700 Plätzen der zweite Hafen Monacos ist.

Das Quartier Fontvieille unterhalb des Schlossbergs wurde vor über 50 Jahren ins Meer gebaut. © Julien Lanoy, Unsplash

Strenggenommen besteht, abgesehen vom steilen Felsen unterhalb des Schlossberges, das gesamte Küstengebiet von Monaco aus Gelände, das irgendwann dem Meer abgerungen wurde. Beim zentralen Hercule-Hafen geschah das bereits ab 1880, also schon lange vor seiner Fertigstellung 1926. Seine letzte Erweiterung erfuhr dieser Hafen ab 2002, wobei es nicht nur um Liegeplätze, sondern auch um Geschäftshäuser ging. Besonders beeindruckend: der rund 350 Meter lange schwimmende Pier aus Beton. Der 160.000-Tonnen-Koloss wurde in Spanien gebaut und komplett übers Meer nach Monaco transportiert. Auch wenn der Pier primär als Wellenbrecher und zum Festmachen von Schiffen dient, lassen die cleveren Monegassen auch das Innere nicht ungenutzt. Es gibt darin Parkplätze für 360 Autos und große Lagerräume. Weiter nordöstlich stehen das Grimaldi-Forum und der Monte Carlo Sporting Club ebenfalls auf 1965 ins Meer gebautem Grund.

Größer, höher, tiefer

Weitere Chancen, Platz für neue Hochhäuser zu finden, haben die Monegassen auf dem Festland ergriffen. So wundern sich Autofahrer, wenn sie durch immer neue Tunnels fahren. Diese werden zwar auch für einen besseren Verkehrsfluss gebaut, vor allem aber, weil die nicht mehr benötigten oberirdischen Straßen neues Bauland frei machen. Dieselbe Logik gilt für die Bahnverbindung Marseille-Nizza-Monaco-Ventimiglia. Nicht nur die 1,7 Kilometer lange Stecke ist seit 2009 komplett unterirdisch, auch der Bahnhof selbst wurde in den Berg hinein verlegt. Darüber konnten die Baukräne dann ihre Arbeit aufnehmen.

Das Bauland im Fürstentum war nicht immer so knapp. Denn einst gehörten die Städte Menton und Roquebrune dazu. Als diese jedoch 1848 an Frankreich fielen, schrumpfte das Staatsgebiet um 80 Prozent. Trotzdem entwickelte sich Monaco dank des 1863 neu eröffneten Gebäudes des Spielcasinos, für das der Gründer der Spielbank von Bad Homburg die Konzession erworben hatte, der Oper und des glamourösen Fürstenhauses bis heute prächtig.

Das 1863 eröffnete Casino von Monte-Carlo sorgte immer wieder für märchenhaften Reichtum. Monegassische Staatsbürger dürfen hier zwar spielen, aber ihr Gewinn wird nicht ausgezahlt. © Adobe Stock

Wer Monaco nicht kennt, sollte sich ob der stets umfangreichen Bautätigkeiten und der Dichte an Hochhäusern nicht abschrecken lassen. Der kleine Staat hat nicht nur rund ums legendäre Casino im Stadtteil Monte Carlo charmante Ecken und Ausblicke übers Meer bis weit nach Italien oder über die französische Riviera zu bieten. Selbst Naturfans kommen trotz der nur rund zwei Quadratkilometer Größe des Landes auf ihre Kosten. Besonders ein ausgedehnter Spaziergang im spektakulär am Hang liegenden botanischen Garten ist ein unvergessliches Erlebnis.

Den besten Panoramablick auf Monaco aber hat man von Frankreich aus: Entweder vom Felsvorsprung Tête de Chien der 3032-Einwohner-Gemeinde La Turbie oberhalb des Fürstentums oder vom Hotel The Maybourne Riviera auf den Höhen von Roquebrune-Cap-Martin.

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