Frankreichs Medaillen
Olympia 2021
Bei den Olympischen Spielen in Tokio hat Frankreich mit 33 Medaillen das bisher schlechteste Ergebnis seit Barcelona 1992 (29) und Athen 2004 (33) erzielt. Dennoch gab es aus französischer Sicht sportliche Höhepunkte.
2021 gewannen die französischen Sportlerinnen und Sportler in Tokio zehn Mal Gold, zwölf Mal Silber und elf Mal Bronze. Damit steht Frankreich im Medaillenspiegel auf Platz 8; bei den letzten Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 war es mit 42 Medaillen noch Platz 7.
Fechten: Vom Ersatzmann zum Goldmedaillengewinner
Die erste Goldmedaille für Frankreich gewann Romain Cannone beim Fechten im Schwertkampf. Eigentlich stand er für den Einzelwettbewerb nur im Ersatzkader, rückte dann aber aufgrund des positiven Doping-Tests seines Kollegen Daniel Jérent nach und schaffte es bis ins Finale.
Romain Cannone, auf Platz 24 der Weltrangliste, bezwang den Favoriten aus Ungarn, Gergely Siklosi (auf Platz 1 der Weltrangliste) und ist damit der erste französische Fechter, der seit dem Florettfechter Brice Guyart 2004 in Athen im Einzel gewonnen hat. Seit Eric Srecki (Gold 1992) ist es 29 Jahre her, dass ein französischer Degenfechter international erfolgreich war.
Acht Medaillen im Judo-Tempel, eine beim Schießen
Ganze acht Medaillen holten die französischen Judoka für Frankreich. Nach ihrer Final-Niederlage bei den Olympischen Spielen in Rio gewann Clarisse Agbégnénou im Budokan, dem Judo-Tempel Tokios, nun Gold in der Kategorie unter 63 kg. Damit holte die fünffache Welt- und Europameisterin den einzigen Titel, der ihr noch fehlte. „Das ist ein magischer Augenblick“, sagte die Sportlerin, bei der Eröffnung der Spiele Trägerin der französischen Fahne, dem Sender FRANCE24 im Interview.
Im Mixed-Wettbewerb holte das französische Team ebenfalls Gold, nachdem es sich 4:1 gegen Japan durchsetzte. Frankreich ist damit der erste Olympia-Sieger der Disziplin, die 2021 erstmals vertreten war.
Die französischen Judo-Frauen haben in ihrer jeweiligen Gewichtsklasse drei Mal Silber gewonnen. Amandine Buchard ( bis 52 kg), Sarah-Léonie Cysique (bis 57 kg) und Madeleine Malonga (bis 78 kg). Romane Dicko (bis 78 kg) gewann wie Luka Mkheidze (bis 60 kg) Bronze – mit der sich auch der Favorit Teddy Riner (+100 kg) zufriedengeben musste. Eigentlich hatte er seine dritte Goldmedaille in Folge anvisiert. Einen Rekord gebrochen hat der 2-Meter-Mann trotzdem: Als männlicher Judoka mit den insgesamt meisten Medaillen in der Geschichte der Olympischen Spiele.
Im Schießen gewann der Olympiazweite von Rio, Jean Quicampoix, mit seiner Schnellfeuerpistole Gold über die 25 Meter: Die Nummer Drei besiegte so den Olympia-Sieger von 2012, den Kubaner Leuris Pupo.
Starke Leistungen in Team- und Mixed-Wettbewerben
Nach der Silbermedaille in Rio krönten die französischen Florettisten die Karriere von Erwann Le Péchoux mit olympischem Gold – ein schöner Abschluss für den Athleten, der im Alter von 39 Jahren an seinen fünften Olympischen Spielen teilgenommen hat.
Die französischen Kolleginnen bescherten beim Florett der Frauen mit Silber die erste olympische Medaille seit den Spielen in Los Angeles 1984.
In einem der atemberaubendsten Rennen der Spiele schlugen Hugo Boucheron und Matthieu Androdias im Rudern der Schwergewichtsklasse das Team aus den Niederlanden und die chinesischen Weltmeister. Das Männer-Duo holte Gold.
Über ein Foto-Finish erfuhren die Kolleginnen Laura Tarantola und Claire Bové von ihrem zweiten Platz im Leichtgewicht-Doppelzweier. Sie holten die zweite olympische Medaille in der Geschichte des französischen Frauenruderns nach der Bronzemedaille von Hélène Cortin und Christine Gossé 1996 in Atlanta.
Einen historischen Sieg bescherten Léonie Périault, Cassandre Beaugrand, Vincent Luis und Dorian Coninx Frankreich mit der ersten Triathlon-Medaille überhaupt. In der Mixed-Staffel reichte es für die Bronze-Medaille – eine Möglichkeit, die Enttäuschung in den Einzelwettbewerben vergessen zu machen.
Florian Grengbo, Sébastien Vigier und Rayan Helalhaben die französische Delegation davor bewahrt, beim Radfahren leer auszugehen. Sie gewannen das kleine Finale des Team-Sprints auf der Straße gegen die Australier und holten damit Bronze. Frankreich stand in dieser Disziplin seit 1996 immer auf dem Siegerpodium.
Karate: Einmalige Chance genutzt
Es war die einmalige Gelegenheit, die er sich nicht entgehen ließ. Der amtierende Weltmeister Steven Da Costa gewann im Karate-Finale der unter 67 kg gegen Eray Samdan aus der Türkei. Die Disziplin war nach ihrem olympischen Debüt womöglich das letzte Mal vertreten, bei den Spielen 2024 in Paris soll sie nicht mehr dabei sein.
Grund dafür sei, dass Karate nicht genug Zuschauer generiere. Das Organisationskomitee bevorzugt Surfen, Klettern, Skateboarding und Breakdance. Eine Entscheidung, die für Kontroversen sorgte und nach dem Goldmedaillen-Sieg Da Costas wieder in Frage gestellt wurde. Bei der Abschlusszeremonie in Tokio lief Da Costa dennoch wohl als letzter seiner Disziplin mit – alsTräger der französischen Fahne.
Französischer Mannschaftssport auf den Podien
Insgesamt sechs Medaillen holte Frankreich noch am letzten Olympia-Wochenende in den Mannschaftssportarten.
„Les Experts“, wie man die französische Handballmannschaft der Männer nennt, haben in einer spannenden Partie gegen Dänemark (25:23) Gold gewonnen. Mit dem dritten olympischen Titel in der Disziplin gelang ihnen in Tokio Historisches: Einen Tag darauf feuerten sie ihre Kolleginnen an, die das Finale gegen Russland bestritten – und „Les Bleues“ konnten mit einem 30:25-Sieg ihre erste Goldmedaille holen. Doppel-Gold für den französischen Handball also.
Ebenfalls Gold gewannen die Volleyball-Spieler, die das ROC (Russian Olympic Commitee) in einem legendären Tiebreak schlugen. Ein außergewöhnlicher Erfolg für Frankreich, da die Volleyballer bei Olympia vorher nie unter den ersten vier Mannschaften waren.
Doppelten Erfolg auch im Basketball. Die Frauen schlugen im Kampf um die Bronzemedaille die Serbinnen und obwohl die Basketballer die USA bereits in der Gruppenphase geschlagen hatten, verloren sie im Finale knapp mit 87:82 und holten Silber – ein identisches Ergebnis mit den vorherigen olympischen Endrunden der französischen Herrenmannschaften, 1948 und 2000.
Die Rugby-Frauen brachten Frankreich die erste olympische Silber-Medaille in der Disziplin. Im Finale wollten sie die Black Ferns aus Neuseeland bezwingen, scheiterten aber gegen den zweimaligen Weltmeister und Olympia-Zweiten aus Rio.
Enttäuschende Bilanz für das Leichtathletik- und Schwimm-Team
Mit nur einer Silbermedaille erzielte die französische Leichtathletik-Mannschaft ihr schlechtestes Ergebnis seit den Olympischen Spielen in Sydney 2000. Nur Kevin Mayer schaffte es aufs Podium, und so blieb der Zehnkampf die einzige erfolgreiche Disziplin des französischen Leichtathletik-Teams. Der Verband erhofft sich von den 48 Finals, die es in der Leichtathletik gibt, mindestens drei bis fünf Podiumsplätze. In Rio hatte es vor fünf Jahren sechs Medaillen gegeben. Das schlechte Abschneiden in Tokio hat die Debatte über die investierten Mittel in die Leichtathletik und das Streben nach Höchstleistungen neu entfacht.
Beim Schwimmen holte das französische Olympia-Team nur eine Silbermedaille. Florent Manaudou schwamm in Tokio als Zweitschnellster die 50 Meter Freistil und holte nach Gold in London 2012 und Silber in Rio seine dritte Olympia-Medaille. Der 30-Jährige hatte nach Rio eine zweijährige Pause eingelegt, um in der Reserve-Mannschaft des Handball-Zweitligisten Aix-en-Provence zu spielen, kommentierte aber Schwimm-Wettkämpfe und berichtete u. a. in der Sport-Zeitung L’Équipe darüber. Noch in Tokio kündigte Manaudou an, dass er mit dem Schwimmen weitermache, zumindest für 2024 in Paris.
Die Leichtathletik und das Schwimmen, in der Vergangenheit beides starke französische Einzeldisziplinen, blieben in Tokio hinter den Erwartungen zurück.
Silber-Medaillen auch auf dem Wasser
Charline Picon, die von ihrem zweiten Gold im Windsurfen träumte, musste sich in Tokio nur mit Silber begnügen. Die Olympiasiegerin von 2016 gewann das Medaillenrennen, landete aber in der Gesamtwertung hinter der Chinesin LuYunxiu. Wenige Minuten später machte ihr Kollege Thomas Goyard es ihr nach und gewann ebenso Silber. Zwar wurde der Windsurfer wegen eines Frühstarts disqualifiziert, konnte aber seinen zweiten Platz in der Gesamtwertung behalten, da seine Hauptkonkurrenten ebenfalls Strafen hinnehmen mussten.
Ungerechtigkeiten im Boxsport
Nach den Rückschlägen der französischen Boxer endeten die Spiele in Tokio mit dem Wirrwarr um Mourad Aliev. Der französische Superschwergewichtler wurde in seinem Kampf gegen den Briten Frazer Clarke disqualifiziert, weil er seinem Gegner einen Schlag an die Augenbraue verpasst hatte und die Kampfrichter das als einen Kopfstoß werteten. Mourad Aliev weigerte sich daraufhin aus Protest, den Ring zu verlassen.
Nachdem die Bilder geprüft worden sind, räumten die Richter ihren Fehler ein, konnten ihn aber nicht mehr rückgängig machen. Neun Jahre nach der Kontroverse um die Punktniederlage von Alexis Vastine in London flammte die Debatte um ungerechte Entscheidungen im olympischen Boxsport wieder auf.
Unsportliches beim Marathon
Für einen kleinen Skandal zum Ende der Spiele sorgte das kuriose und unsportliche Verhalten des französischen Marathon-Läufers Morhad Amdouni, das weltweit für Empörung sorgte: Er wischte an einem Verpflegungstisch mehrere Trinkflaschen von der Ablage, ehe er sich die letzte griff und die nachfolgenden Läufer leer ausgingen. Amdouni half seine skandalöse Aktion bei 30 Grad Celsius am Ende nichts: Er landete nur auf Platz 17.
Startschuss für Paris 2024
Zeitgleich zur Abschlusszeremonie in Tokio versammelten sich in Paris zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer am Fuße des Eiffelturms. Am Trocadero waren Teddy Tiner, Kevin Mayer und viele andere Athleten anwesend, um zu sehen, wie die Patrouille de France den Startschuss für die nächsten Olympischen Spiele in Paris gab. In Frankreich sind nun alle Augen auf Paris 2024 gerichtet.
Noch nie waren Olympische Sommerspiele derartige Fernsehspiele wie in Tokio. Das Publikum vor Ort war wegen Corona quasi ausgesperrt. Die Sitze wurden eingefärbt, um ein wenig „Leben“ in den Stadien vorzutäuschen. Ein Jahr nach der eigentlichen Austragung der Spiele war trotz der Verschiebung von „Olympia 2020“ die Rede – alle Logos waren bereits produziert.
Die USA belegten zum dritten Mal in Folge den ersten Platz mit 113 Medaillen (davon 39 Mal Gold), gefolgt von China mit 38 Mal Gold. Japan erzielte mit insgesamt 58 Medaillen seine beste jemals erreichte Bilanz, wodurch das Gastgeberland zum ersten Mal seit 1968 den dritten Platz belegte.
Auf dem fünften Platz lag hinter Großbritannien mit dem „ROC“ ein Akronym. Hinter dem „Russian Olympic Committee“ verbirgt sich Russland, das nach einem staatlichen Dopingskandal bei den Winterspielen in Sotschi 2014 von den Spielen suspendiert wurde. Das Verbot des Komitees, das Akronym auszusprechen, wurde in Tokio jedoch kaum beachtet, die Athleten durften in rot-blau-weißer Kleidung antreten und eine Fahne tragen, die an die um 90 Grad gedrehte Flagge ihres Landes erinnert.
Vier Sportarten feierten 2021 ihr olympisches Debüt: Surfen, Klettern, Karate und Skateboarding. Baseball und Softball kehrten zurück, nachdem sie 2012 und 2016 aus dem Programm genommen worden waren. Das Drei-gegen-Drei im Basketball und die Mixed-Staffel im Schwimmen und in der Leichtathletik waren neu eingeführte Disziplinen.
In Tokio gab es kaum ein Rennen, bei dem kein Rekord fiel. Carbonschuhe und Hightechbahnen dürften dafür nicht der alleinige Grund gewesen sein: wegen Corona fielen Anti-Doping-Kontrollen einfach aus.
Für einen echten Olympischen Moment sorgten Gianmarco Tamberi aus Italien und Katari Mutaz Essa Barshim im Hochsprung-Finale. Bei 2,37 Metern einigten sie sich darauf, die Gold-Medaille zu teilen.
Die amerikanische Sprinterin Allyson Felix hat ihrem Ex-Sponsor, der ihr während ihrer Schwangerschaft das Gehalt gestrichen hatte, bewiesen, dass man gleichzeitig Mutter und Spitzensportlerin sein kann. Mit Bronze über 400 Meter und Gold im 4×400 Meter Staffel-Lauf holte sie sich ihre insgesamt elfte olympische Medaille und wird damit zur zweiterfolgreichsten Athletin der olympischen Geschichte.
Mitten im Wettkampf sollte Kristina Timanowskaja in ihre Heimat zurückfliegen. Die belarussische Sprinterin hatte zuvor Kritik an Sportfunktionären ihres Landes geäußert. Sie reiste stattdessen mit einem humanitären Visum nach Polen, wo sie Asyl beantragen will. Am Flughafen gewährten japanische Polizisten der Athletin bei der Ausreise Schutz.
Die amerikanische Turn-Ikone Simone Biles zog sich überraschend aus dem Team-Mehrkampffinale zurück und verkündete, aus psychologischen Gründen nicht mehr teilnehmen zu können – ein Tabuthema im Leistungssport. Dennoch schaffte sie es wieder in den Wettkampf und gewann auf dem Schwebebalken Bronze.