Zeitzeugenstimmen:
Vom Sputnik zu den deutsch-französischen Beziehungen


Der Journalistenberuf eröffnet denjenigen, die ihn ergreifen, vielfältige Gelegenheiten zu Begegnungen und Austausch – was oft als Privileg wahrgenommen wird. Gleichzeitig kann er aber auch im Dienst anderer stehen, besonders im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen. Welcher Funke entfacht solche Berufungen und verändert mitunter den weiteren Berufsweg?
Für manche liegt der Auslöser für persönliches Engagement in einem politischen oder sportlichen Ereignis. Für andere sind es die Lektüre eines außergewöhnlichen Buches, ein beeindruckender Film oder die Begegnung mit einer besonderen Persönlichkeit, die entscheidend sind. Bei mir war es der Zufall, der alles ins Rollen brachte: eine schlichte Fotoausstellung 1959 in Orléans, die dem ersten künstlichen Satelliten Sputnik gewidmet war, der zwei Jahre zuvor ins All geschickt worden war. Diese Ausstellung weckte eine echte Faszination für die Anfänge der Weltraumeroberung. Was hat das mit Deutschland zu tun? Mit zehn Jahren stellt man sich solche Fragen noch nicht, doch ein Jahrzehnt später, geprägt durch die ersten Schritte des Menschen auf dem Mond, wusste ich schon einiges mehr über die Ursprünge dieses vielversprechenden Abenteuers. Ein deutscher Ingenieur, der während des Zweiten Weltkriegs neue Waffen entwickelt hatte, stellte seine Visionen und Pläne den USA zur Verfügung. Sein Name: Wernher von Braun (den ich damals auf französische Art „Wernère vonne Bronne“ nannte). Damals sprach ich Deutsch noch auf einem zu schulischen Niveau, um das Schicksal dieses Mannes zu verstehen. Doch nach und nach wurde mir klar, dass hier etwas Bedeutendes geschah. Ich beschloss, Deutsch zu studieren und Journalist zu werden, um die einzelnen Etappen dieses Weltraumabenteuers zu verfolgen und sie dem „normalen“ Menschen zu erzählen – und vielleicht eines Tages die Erde aus einer größeren Entfernung zu betrachten. Man darf ja träumen … Ohne es genau zu wissen, hatte ich meinen Weg gefunden.
Wie der andere?
Nein, ich hatte keine Gelegenheit, den berühmten deutschen Ingenieur persönlich kennenzulernen. Doch welch Überraschung: Mitten in der Ära der Apollo-Flüge und zu Beginn meiner journalistischen Laufbahn traf ich in Bonn einen deutschen Diplomaten, geboren 1911. Dieser charmante und herzliche Mann, ein bekennender Frankophiler, hatte 1919 sein Abitur am Französischen Gymnasium in Berlin gemacht. Später bekleidete er zweimal das Amt des Botschafters der Bundesrepublik in Paris – von 1968 bis 1970 und erneut von 1972 bis 1976. Als er hörte, dass ich Franzose bin, Deutsch studiert und meine journalistische Ausbildung in Münster absolviert hatte, kam er auf mich zu und stellte sich vor: „von Braun“. Ich war überrascht und antwortete im Scherz: „Wie der andere?“ Er lächelte und sagte: „Ja, ich bin Sigismund von Braun, der ältere Bruder von Wernher.“

Aus diesem kurzen Gespräch entstand eine echte Freundschaft. Jede Begegnung in Bonn bot die Gelegenheit, wichtige Themen zu besprechen, die bis heute relevant geblieben sind: Informationsaustausch, Versöhnung durch Dialog, das Hinterfragen von Vorurteilen – und sogar das heikle Thema immer raffinierterer Waffen, die nicht mehr für den Krieg, sondern zum Schutz friedliebender Völker gedacht sind. Dank ihm – und seiner Frau, die ihn häufig begleitete – konnte ich meinen Fokus auf andere Themen richten als die Auseinandersetzungen zwischen beiden „Erbfeinden“ und konzentrierte mich dabei besonders auf die tief verwurzelten Vorurteile zwischen Franzosen und Deutschen. Sigismund von Braun legte großen Wert auf ehrliche Urteile und Respekt vor den Meinungen seiner Gesprächspartner – dabei lehnte er eine „romantische“ Sicht der deutsch-französischen Versöhnung strikt ab.
Die Marseillaise am Kölner Hauptbahnhof
Als ich 1964 zum ersten Mal als Schüler im Rahmen eines Austauschprogramms nach Deutschland fuhr, machte der Zug mit rund 150 bis 200 Jugendlichen aus den Gymnasien der Region Orléans einen längeren Halt am Kölner Hauptbahnhof. Damals konnte man die Fenster der Abteile noch öffnen – wenn auch meist nur, um die stickige Luft und den Schweißgeruch loszuwerden oder sich ein bisschen zu bewegen. Es war noch nicht das Jahr 1968, aber für viele von uns war dieser Austausch eine willkommene Gelegenheit, sich von den familiären Zwängen zu lösen. Und da die Fahrt Mitte Juli stattfand, war es fast selbstverständlich – oder vielleicht auch nicht? – dass wir die Marseillaise anstimmten, ohne im Geringsten zu ahnen, wie ein deutschsprachiger Passant am Bahnsteig den Krach dieser Jugendlichen empfinden würde, die lautstark die Nationalhymne sangen und den Ruf „Zu den Waffen, Bürger!“ brüllten. Kein Funken Respekt für die Zeile „das unreine Blut, das unsere Furchen tränkt“. Kein „wilder Soldat“ brüllte an den Waggons vorbei, die in ferne Länder fuhren, niemand drohte damit, „unsere Söhne und Frauen zu metzeln“. Für uns Jugendliche war der große Tag endlich da – es lebe die Freiheit!
Provokation? Keineswegs. Ein flüchtiger Blick aus dem Fenster reichte gerade aus, um am Ende des Kölner Hauptbahnhofs eine schöne grüne Inschrift zu entdecken – zwar auf Deutsch („Echt Kölnisch Wasser“), aber für angehende Germanisten leicht zu verstehen. Die weniger vorbereiteten unter uns erfuhren so, dass der Bahnhof „Köln“ dem berühmten Eau de Cologne huldigte, das in Frankreich gut bekannt ist. Und fast immer war ein Begleiter oder Lehrer zur Stelle, um die imposante Hausnummer 4711 zu erklären: Ein französischer Offizier hatte damals die Häuser der Stadt durchnummeriert, während Napoleons Truppen die Rheinmetropole besetzt hielten – eine Zeit, die die Deutschen schlicht „Franzosenzeit“ nennen. Dabei vergisst man oft zu erwähnen, dass diese Nummerierung eingeführt wurde, damit betrunkene französische Soldaten, die nachts aus den Gaststätten kamen, ihre Quartiere leichter finden konnten. Dass es den Franzosen gelungen sein soll, die ganze Stadt innerhalb einer Woche zu nummerieren, beschäftigt Historiker bis heute – man weiß nicht so genau, ob dieser Erfolg eher der improvisatorischen Kreativität zugeschrieben werden muss (die man den Franzosen gerne nachsagt) oder dem Organisationsgeschick, für das die Deutschen bekannt sind. Eine erste Ansammlung von Vorurteilen.
… und oben am 4711-Haus
Als ich mich zehn Jahre nach meinen ersten Beobachtungen als Schüler in Köln niederließ, um dort als Radioreporter zu arbeiten, war es für mich selbstverständlich, mich mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt vertraut zu machen. Vor dem Wahrzeichen des „Kölnisch Wassers“ (4711) fesselte ein überraschendes Schauspiel um Punkt zwölf Uhr meine Sinne: Figuren, erkennbar als Soldaten aus der napoleonischen Zeit, drehten sich auf einem Glockenspiel, als stünde die Wachablösung an. Und welche Musik erklang dazu? Die Marseillaise. Die französische Nationalhymne ertönt tatsächlich jeden Tag zur Mittagszeit im Herzen der Altstadt. Dieses kurze französisch-kölnische musikalische Intermezzo hat nie Kritik hervorgerufen – und niemand stellt sich dabei stramm. Ein Vorurteil weniger.

Alle Franzosen können Deutsche werden
Bei einem deutsch-französischen Gipfeltreffen 2003 in Versailles, anlässlich des 40. Jahrestags des Élysée-Vertrags, kündigte Präsident Jacques Chirac – der an der Seite von Bundeskanzler Gerhard Schröder stand – feierlich an, dass fortan alle Franzosen Deutsche werden könnten – und umgekehrt. Große Überraschung, sogar beim Kanzler, der offenbar nichts davon wusste, aber auch im Fernsehstudio des Senders Phoenix in Bonn, das mich eingeladen hatte, das Treffen zu kommentieren. Was sollte ich sagen? Spontan wettete ich live, bei der Verwaltung meines Stadtteils die doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen. Gesagt, getan: Die Sachbearbeiterin war zunächst skeptisch und ungläubig, bis ich ihr die deutsche Übersetzung von Chiracs Rede zeigte. Bürokratie ist eben nicht immer so, wie man denkt…

Ob es diese Geste war, die Henriette Reker, die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, 2016 dazu bewog, mir eines der wichtigsten deutschen Ehrenzeichen, das Bundesverdienstkreuz, zu verleihen – überreicht von Bundespräsident Joachim Gauck –, kann ich nicht sagen. Die Zeremonie war schlicht, der Rahmen beeindruckend, die Worte schmeichelhaft, und die Gästeliste prominent. Darunter auch ein gewisser Konrad Adenauer, Namensvetter und Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers. Es geht hier nicht um falsche Bescheidenheit. Vielmehr ist es eine Gelegenheit, an die zahlreichen Begegnungen zurückzudenken, die meine fünf Jahrzehnte als Journalist geprägt haben.
Die Liste meiner Interviews mit Persönlichkeiten wie Joseph Rovan und Alfred Grosser, den großen Wegbereitern der deutsch-französischen Beziehungen, ist lang. Doch gerade weil ich für diesen Beitrag den großen Bruder von Braun und den Enkel Adenauer auswähle, fühlt es sich für mich an wie eine ganz besondere, fast genealogische Spurensuche am Rande der Geschichte. Frei nach Neil Armstrong, der 1969 auf dem Mond landete: All diese persönliche Entwicklung mag nur ein kleiner Schritt für die deutsch-französische Annäherung sein, für mich jedoch ein großer Schritt auf der Suche nach einem besseren Verständnis über Generationen hinweg. Und all das – und noch viel mehr – verdanke ich Sputnik…
Der Autor

Gérard Foussier schloss 1969 sein Germanistikstudium an der Universität seiner Heimatstadt Orléans ab und entdeckte durch die Städtepartnerschaft mit Münster in Westfalen seine Leidenschaft für die deutsch-französischen Beziehungen. Nach seiner Journalistenausbildung bei den Westfälischen Nachrichten arbeitete er drei Jahrzehnte lang für den deutschen Auslandssender Deutsche Welle – zunächst in Köln, später in Bonn. 2005 wurde er zum Präsidenten des Bureau International de Liaison et de Documentation (B.I.L.D.) gewählt. Dreizehn Jahre lang leitete er die zweisprachige Zeitschrift Dokumente/Documents als Chefredakteur und ist Autor mehrerer Bücher. Sein jüngstes Werk, „Allemanderies“, erschien im Januar 2023. Gérard Foussier besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft und wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.