Wo das Licht schmeckt.
Eine kulinarische Hommage an die Normandie

Wo das Licht schmeckt. Eine kulinarische Hommage an die Normandie
  • VeröffentlichtAugust 6, 2025
Hilke Maunder mit David Goerne (Copyright: Hilke Maunder)
Hilke Maunder mit David Goerne (Copyright: Hilke Maunder)

„Bienvenue im Schlemmerland Normandie!“ – mit diesen vielversprechenden Worten begrüßt Hilke Maunder ihre Leser in ihrem 2024 erschienenen kulinarischen Reiseführer. Einmal mehr beweist die gebürtige Hamburgerin darin ihre tiefe Verbundenheit mit ihrer zweiten Heimat: Frankreich.

 

Hilke Maunder berichtet seit fast 25 Jahren als Journalistin aus Frankreich und betreibt seit 2010 einen äußerst informativen Blog unter www.meinfrankreich.com. Schon der Untertitel ihres Blogs zeigt, dass sie weiß, worauf es ankommt: „Land, Leute & Genuss“. Und genau darum geht es auch in ihrem neuen Werk. In ihrem „Normandie-Buch“ entführt uns die Autorin in die genussvolle Welt der normannischen Küche – mit Geschichten und Rezepten aus der Heimat von Cidre, Calvados und Camembert. Vorsicht: Suchtpotenzial! Die Région Normandie, aus der sich die beiden früheren Regionen Haute-Normandie im Osten, um Rouen und Évreux und Basse-Normandie im Westen, zwischen Alençon, Caen und Saint-Lô gelegen, seit 2016 administrativ zusammenfügen, ist mit ihren nach wie vor fünf sehr verschiedenen Départements eine besonders vielfältige und sowohl landschaftlich wie kulinarisch reichhaltige und abwechslungsreiche Region. Und genau diese Vielfalt fängt das Buch in beeindruckender Weise ein.

Hilke Maunder überzeugt nicht nur als Autorin, sondern auch als Fotografin. Die zahlreichen, von ihr selbst aufgenommenen Bilder (mit nur wenigen Ausnahmen) machen das Buch auch visuell zu einem Genuss. Die Food-Fotos wirken authentisch und lebendig – nicht wie aus dem Studio, sondern direkt aus der Küche. Die stimmungsvollen Landschaftsaufnahmen und liebevollen Details wecken zugleich Reiselust und Appetit auf die mehr als 230 Seiten voller Geschichten und Rezepte.

 

Ein Hoch auf Apfel, Milch & Meer

Ein alphabetisch geordnetes Rezeptverzeichnis erleichtert das Wiederfinden kulinarischer Highlights – vom Tomatenschaum mit Basilikum-Sorbet über das Kalbskotelett nach normannischer Art bis hin zum normannischen Milchreis aus dem Ofen. Letzterer ist eine beliebte Spezialität der Region und trägt den klangvollen Namen „La Teurgoule“. Als Dessert ist sie allerdings nur zu verkraften, wenn zuvor ein „trou normand“ gereicht wurde – ein kräftiger Calvados, wie ihn nur diese Region Frankreichs hervorbringt.

 

Rezept der Teurgoule (Copyright: Hilke Maunder)
Rezept der Teurgoule (Copyright: Hilke Maunder)

 

Natürlich versäumt Hilke Maunder es nicht, uns zunächst die Region Normandie mit wunderschönen Bildern vorzustellen, nicht ohne zu erwähnen, dass auch die ganz Großen der Literatur und der Malerei genau diese Region schon so besonders zu schätzen wussten. Wegen ihrer maritimen landschaftlichen Schönheit, wegen der Kreidefelsen in Étretat, der weiten Wiesen mit den unzähligen Apfelbäumen, ohne die es den Cidre ebenso wenig gäbe wie den Calvados und viele andere herrliche Apfelspezialitäten. Außerdem verband viele Künstler eben auch die Sehnsucht nach dem Meer, nach „Land, Leuten und Genuss“.

 

Blick auf die Kreidefelsen von Étretat (Copyright: Hilke Maunder)
Blick auf die Kreidefelsen von Étretat (Copyright: Hilke Maunder)

 

Die Normandie ist – neben der Bretagne – das Apfelland und einer der größten Milchproduzenten Frankreichs. Deshalb erfreuen sich die Kenner an den herrlichen Butter- und Käsespezialitäten, von denen die berühmteste natürlich der Camembert ist, der allerdings, wie die Autorin es völlig zurecht bedauert, heute oft nur noch pasteurisiert verkauft wird. Die klassische, wesentlich geschmack- und gehaltvollere Rohmilchvariante wird nur noch von wenigen Produzenten angeboten, erfreut sich allerdings – aus sehr guten Gründen – immer noch großer Beliebtheit.

 

Vom Seerosenteich zur Schlemmer-Tafel

Claude Monet malte seine Motive wie sonst keiner in immer neuem Licht und fing so Stimmungen ein, wie man sie des Lichtes wegen nur am Meer und in maritimen Regionen findet. Gustave Flaubert, am 12. Dezember 1821 in Rouen geboren, machte, wie wir im Buch erfahren, das schöne Pays de Brays zur Heimat seiner „Madame de Bovary“. In Giverny kann man bis heute auf den Spuren Monets wandeln, in seinem Traum-Garten mit den berühmten Seerosen und auch sein Haus besichtigen. Dass der leidenschaftliche Gourmet (vielleicht auch ein bisschen Gourmand) Claude Monet bis zum Ende seines Lebens eine Köchin (und ihren Mann!) eingestellt hatte, die auch nach seinen Vorstellungen die Speisen zubereitete, mit denen er seine gastlichen Tafeln auch für seine Freunde aufdecken ließ, wundert einen nicht, wenn man die vielen köstlichen Rezepte nachliest (und dann irgendwann auch nachkocht) die den Kern des Buches ausmachen.

Dabei wählt die Autorin eine interessante Technik: unter fünf Obertiteln, entsprechend den fünf Departements der Région Normandie, wenn man es so sehen will, nämlich „Feld und Garten“, „Apfelwiesen“, „Weideglück“, „Fluss und Meer“ und „Zauberer des Terroirs“ verknüpft Hilke Maunder die verschiedenen Rezepte in loser Reihenfolge, aber auch nach Vorspeisen, Hauptspeisen und Desserts geordnet, gibt detailreiche Einblicke in die Produktion von Cidre und Calvados und beschreibt, kenntnisreich und faktenbezogen, die Bedeutung der Agrarregion Normandie mit ihrem vielfältigen, auch aus ökologischen Gründen inzwischen sehr stark auf das regionale Produzieren und Verkaufen gerichtete Angebot. Und lädt uns sehr überzeugend zu den absolut notwendigen Streifzügen über die vielen regionalen Wochenmärkte ein, deren Besuche durch das bunte und frische und meistens vielfältig-überbordende Angebot die Kauf- ebenso wie die Kochlust erheblich zu steigern vermögen. Diese Märkte sind fast immer und fast überall in Frankreich ein Erlebnis für alle Sinne und Genüsse.

 

Die schönsten Märkte der Normandie (Copyright: Hilke Maunder)
Die schönsten Märkte der Normandie (Copyright: Hilke Maunder)

 

Genussführer mit Tiefgang

Der besondere Clou in Maunders Normandie-Buch ist zum einen ihre Recherche bei Persönlichkeiten, die die Region mit ihren Koch- und Produktionskünsten heute mitprägen, großartigen Küchen- und Käsemeistern, oder auch einer aus Deutschland stammenden Cidre-Produzentin (Dana Lerner). Dass sie deren besondere Rezepte mit in dieses Buch aufnehmen konnte, rundet es inhaltlich überzeugend ab und fordert vermutlich schon manchen am Herd ziemlich heraus. Zum anderen, falls man gerade durch die Normandie reist und keine eigene Küche betreiben kann, listet die Autorin reihenweise gute und erlesene kulinarische Tipps auf, die man vor Ort in den im Buch genannten Lokalitäten probieren kann. So wird aus dem Rezeptbuch auch ein kulinarischer Reiseführer.

 

Rezept des Lapin au Cidre (Copyright: Hilke Maunder)
Rezept des Lapin au Cidre (Copyright: Hilke Maunder)

 

Keinesfalls schmälert die Unterstützung dieses ambitionierten Buch-Projektes durch den weltberühmten Kochgeschirrhersteller Le Creuset aus Nordfrankreich das Erlebnis. Im Gegenteil, nur dadurch ist das umfangreiche Buch „Normandie – Geschichten und Rezepte aus der Heimat von Cidre, Calvados und Camembert“ schon für 34,99 EURO erschwinglich. Echte Frankreich-Freunde kommen hier jedenfalls und in jeder Hinsicht auf ihre Kosten.

 

Braque, Brook und der Blick aufs Meer

Eines der ersten Fotos, das uns im Buch begegnet, zeigt die wunderschöne „Alabaster-Küste bei Varengeville-sur-Mer“. Hier liegt, direkt an der Klippe, hoch über dem Meer, der berühmte kleine Künstlerfriedhof von Varengeville. Georges Braque lebte über dreißig Jahre in dem 1000-Seelendorf an der Kanalküste, gestaltete die Fenster in der Friedhofskirche (Église catholique Saint-Valery) und ruht auf diesem maritimen Friedhof, wie auch der französische Komponist Albert Roussel, gemeinsam mit seiner Frau Blanche Preisach, auf deren Grab es heißt: « C’est en face de la mer que nous finirons nos existences et que nous irons dormir pour entendre encore au loin son éternel murmure… » (Albert Roussel) („Im Angesicht des Meeres, werden wir unsere Existenzen beenden und schlafen, um in der Ferne noch sein ewiges Murmeln zu hören …“).

 

Die Alabasterküste bei Varengeville-sur-Mer (Copyright: Hilke Maunder)
Die Alabasterküste bei Varengeville-sur-Mer (Copyright: Hilke Maunder)

 

Vermutlich kannten sie auch schon das schöne Haus über den Klippen der Alabasterküste, in dem schon seit vielen Jahrzehnten das herrlich gelegene Hôtel de la Terrasse seine Gäste auch mit einem guten Restaurant-Angebot beherbergt. Ein Stammgast war der 2022 hochbetagt verstorbene britische Theater- und Filmregisseur Peter Brook, einer der großen Meister des europäischen Theaters des 20. Jahrhunderts, der in Paris lebte und wirkte und gerne immer wieder an diesen besonderen kleinen Ort in der Normandie, 12 km westlich von Dieppe, zurückkam. Sicher wegen des Meeres, der Luft, der Landschaft und wegen des Lichts. Und ganz sicher auch wegen der hervorragenden normannischen Küche, in die uns Hilke Maunder mit ihrem wunderbaren Normandie-Buch so ansprechend und genussvoll einlädt.

 

Das Buch Normandie: Geschichten und Rezepte aus der Heimat von Cidre, Calvados und Camembert von Hilke Maunder ist unter folgender Adresse erhältlich: Normandie: Geschichten und Rezepte aus der Heimat von Cidre, Calvados und Camembert : Maunder, Hilke: Amazon.de: Bücher.

 

Der Autor

Oliver Keymis (Copyright: Oliver Keymis)

Oliver Keymis war von 2000 bis 2022 Abgeordneter im Landtag Nordrhein-Westfalen und von 2006 bis 2022 dessen Vizepräsident. Im Jahr 2010 gründete er die deutsch-französische Parlamentariergruppe im Landtag NRW, die er bis 2022 leitete. Seit 45 Jahren reist er regelmäßig nach Frankreich, insbesondere in die Bretagne. Heute lebt er teils im südlichen Finistère, teils im Rheinland.

 

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