Die großen Fragen unserer Zeit:
Feuer auf die Babyboomer!


In seiner gestrigen Regierungserklärung hat François Bayrou erneut die Babyboomer ins Visier genommen: „Ich war beeindruckt zu sehen, wie sehr sich die jungen Menschen als geopferte Generation fühlen.“ Nun ist er zurückgetreten. Doch die Frage bleibt: Wer bezahlt am Ende die Zukunft?
Die Legende der Babyboomer als „von den Göttern gesegnete“ Generation wurde zunächst von Angehörigen dieser Altersgruppe selbst gepflegt. 2016 verewigte Jean-François Sirinelli (geb. 1949) sie in seinem Buch Génération sans pareille, les baby-boomers de 1945 à nos jours. Sirinelli hebt das historische Glück jener jungen Menschen hervor, die nach dem Krieg geboren wurden und unter den Vorzeichen von Frieden, Wohlstand, Vollbeschäftigung und Fortschritt lebten. „Unabhängig von der Ideologie, der sie anhängen – vom Kommunismus bis zum Liberalismus – glaubt diese Generation an eine bessere Zukunft“, schreibt der Historiker. Dieses Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten und der Glaube an gesellschaftlichen Fortschritt prägten das Lebensgefühl der Boomer und unterschieden sie von den Generationen davor.
Natürlich muss diese Einschätzung relativiert werden: Frankreich war in den 1950er- und 1960er-Jahren in die Kriege in Indochina und Algerien verwickelt. Während des Kalten Krieges kam es zudem immer wieder zu politischen Krisen; 1973 setzte die Arbeitslosigkeit ein, und auch das materielle Leben war alles andere als einfach. Parallel dazu wimmelt die Literatur von Autoren, die die kreative Kraft dieser Generation schilderten und zugleich ihre lächerlichen Seiten, Leichtfertigkeit, exzessive Freiheitsliebe, kindlichen Optimismus und Enttäuschungen – etwa in Jean-Michel Guenassias Roman Der Club der unverbesserlichen Optimisten (2009). Trotz solcher Korrekturen hat sich ein Narrativ verankert: Die Boomer seien eine privilegierte Generation, die alles abbekommen habe – materiellen Fortschritt, kulturelle Kreativität, Glauben an das Individuum und Vertrauen in die Zukunft. An diesem euphorischen Bild ist zweifellos etwas Wahres.
Gefühlt benachteiligt

Heute haben die 30-Jährigen oft das Gefühl, dass ihr Leben schwieriger ist als das ihrer Eltern – selbst in privilegierten Milieus. In Frankreich sind 51 % der 25- bis 39-Jährigen hochqualifiziert und überzeugt, dass ihre Eltern in ihrem Alter komfortabler lebten; 28 % sehen ihre Situation als vergleichbar, 21 % als weniger komfortabel. In Deutschland fällt die Einschätzung ähnlich aus, wenn auch etwas nuancierter: 42 % sehen ihre Eltern im Vorteil, 25 % als gleichgestellt und 33 % schlechter gestellt. In Frankreich sind akademische Abschlüsse teilweise entwertet und führen längst nicht mehr automatisch zu gut bezahlten und prestigeträchtigen Jobs. Ohne erhebliche finanzielle Unterstützung der Familie ist es kaum möglich, sich ein Eigenheim zu leisten oder zentral in einer Großstadt zu wohnen. Kein Wunder also, dass viele junge Menschen den Boomern vorwerfen, die Zukunft schlecht vorbereitet und kollektive, egoistische oder kurzsichtige Entscheidungen getroffen zu haben. 2023 erschien das Buch Sois jeune et tais-toi („Sei jung und halt den Mund“) der Umweltjournalistin Salomé Saqué – ein voller Erfolg. Darin befragt sie 18- bis 29-Jährige und kritisiert Erwachsene, die die Jugend stigmatisieren (gestützt auf Umfragen und rechte Presseberichte). Sie beschreibt die Herausforderungen der jungen Generation: Pandemie, ungleiche Chancen durch Erbschaften, hohe Wohnungskosten, eine angstschürende Informationsflut und die Klimakrise, die viele Erwachsene leugnen oder ignorieren. Der Erfolg des Buches spricht für sich.
Ein weiteres Indiz für den Groll liefert das Baromètre de la solidarité générationnelle (Elabe, Dezember 2023). Besonders auffällig sind zwei Werte: 61 % der 18- bis 26-Jährigen sehen „die Schuld der vorherigen Generationen“ dafür, dass wir in einer verschmutzten Welt leben (gegenüber 40 % der über 60-Jährigen). 42 % der jungen Befragten finden, „die Babyboomer seien egozentrisch und dächten nur an sich“ (gegenüber 17 % der Älteren), und 46 % meinen, „heute seien die Rentner privilegiert im Vergleich zu den Erwerbstätigen“ (Lebensqualität, Einkommen, Vermögen; gegenüber 20 % der über 60-Jährigen). Die Vorwürfe sind also massiv. Diese Unterschiede sind deutlich – doch reicht das, um von einem „Krieg der Generationen“ zu sprechen?
Wohlstand, Armut und Umverteilung
Die gesamtwirtschaftlichen Daten zu den Generationenungleichheiten zeigen eine eher egalitäre Entwicklung: Seit dem Zweiten Weltkrieg hat jede Generation vom steigenden Lebensstandard profitiert. Bruttovermögen und technologischer Fortschritt wuchsen kontinuierlich. Keine Generation hat dabei weniger konsumiert als die vorherige, erklärt der Ökonom Hippolyte d’Albis. Demnach sollten Ungleichheiten eher innerhalb einer Generation betrachtet werden. Richtet man den Blick auf andere Indikatoren, zeigt sich, dass die heutige Gesellschaft im Durchschnitt von besseren Lebensbedingungen profitiert: größere und komfortablere Wohnungen, Zugang zu einer Vielzahl kultureller Angebote und Informationsquellen, bessere Bildungschancen, Möglichkeiten für Reisen und Freizeit, erweiterte persönliche Freiheiten, höherer Konsum und kürzere Arbeitszeiten. Gleichzeitig verstärken bestimmte Indikatoren bei jungen Menschen den Eindruck, politisch benachteiligt zu sein. Denn Senioren haben aufgrund ihrer höheren Wahlbeteiligung größeren Einfluss.
Dazu zählen die Entwicklung der Armutsquote, das Umverteilungssystem und die Vermögensverteilung.
Die Armutsquote ist zwar leicht gestiegen, bleibt aber insgesamt relativ stabil: 2010 lebten 8 % der Bevölkerung mit weniger als der Hälfte des Medianeinkommens (1.073 Euro pro Monat für eine Einzelperson), 2023 waren es 8,4 % – etwa 5,4 Millionen Menschen. Auffällig ist jedoch: Bei den 18- bis 29-Jährigen liegt die Quote mit 10,2 % deutlich über dem Landesdurchschnitt und weit über dem Wert für Senioren (4,5 %).
Das französische Umverteilungssystem ist nachweislich effektiv, insbesondere wenn man die umfassende Umverteilung berücksichtigt, die sowohl Geldleistungen als auch öffentliche Dienstleistungen umfasst. Vor Transfers verdienen wohlhabende Haushalte 18-mal so viel wie arme Haushalte; nach Transfers reduziert sich das Verhältnis auf etwa 3 zu 1. Rund 25 % des Nationaleinkommens werden umverteilt, und 57 % der Bevölkerung profitieren netto davon. Dennoch zeigt sich eine Ungleichheit zugunsten der Älteren: Über 60-Jährige profitieren am stärksten – etwa durch Renten und Gesundheitsausgaben –, obwohl sie gleichzeitig am wenigsten zum System beitragen.
Auch wenn das Gesamtvermögen der Haushalte stark gestiegen ist, verteilt es sich sehr ungleich. Anfang 2021 verfügte die Hälfte der Haushalte in Frankreich über weniger als 177.200 Euro – und diese Hälfte besaß zugleich nur 8 % des Gesamtvermögens. 10 % der Haushalte hatten mehr als 716.300 Euro – überwiegend ältere Menschen, die den größten Teil von Immobilien, Finanzanlagen und Ersparnissen halten. Mit der zunehmenden Sterblichkeit der Boomer-Generation werden diese Vermögenswerte nach und nach an die nächste Generation weitergegeben – meist erst, wenn diese selbst bereits mittleren Alters ist. Ökonomen sprechen daher von einer „Erbgesellschaft“, in der der Wohlstand stark von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängt.
Der Anteil der unter 30-Jährigen, die ein Eigenheim besitzen, stieg zwischen 2010 (13 %) und 2021 (17 %). Bei den 30- bis 39-Jährigen (47 %) und den 40- bis 49-Jährigen (58 %) blieb er hingegen stabil. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich jedoch eine deutliche Kluft: Manche können dank familiärer Unterstützung früh Eigentum erwerben, andere sind allein auf ihr Einkommen angewiesen.
Junge Menschen mögen sich benachteiligt fühlen, während ältere Generationen kaum zur Verantwortung gezogen werden. Eine eindeutige Analyse ist jedoch schwierig, denn die größten wirtschaftlichen Ungleichheiten bestehen innerhalb jeder Altersgruppe.
Stress, Krisen und Zukunftsängste
Die Generationenfrage lässt sich nicht allein am materiellen Wohlstand messen. Das Glück oder Unglück einer Generation hängt auch vom historischen Kontext ab. Junge Erwachsene leben heute zwar in einer wohlhabenderen und gerechteren Gesellschaft als in den 1960er- und 1970er-Jahren – zugleich ist ihr Leben aber von existenziellen Bedrohungen wie Klimawandel und geopolitischen Krisen geprägt. Kein Wunder, dass dies tiefen Pessimismus und Stress fördert. Vielleicht bräuchte man einen neuen Maßstab, um Generationen zu vergleichen: einen Index für psychologischen Stress.
In unserer Reihe „Die großen Fragen unserer Zeit“ diskutieren Experten aus Deutschland und Frankreich die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Die Autorin

Monique Dagnaud ist Forschungsdirektorin am Centre d’Étude des Mouvements Sociaux (CNRS-EHESS) in Paris. Zuvor war sie Lehrbeauftragte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales. Als Medien- und Sozialnetzwerkssoziologin forscht sie zu Jugendlichen und jungen Erwachsenen und hat zahlreiche Bücher sowie wissenschaftliche Artikel veröffentlicht. Sie ist Co-Leiterin der Online-Zeitschrift telos. Ihr neues Buch „Génération Reset: Ils veulent tout changer“ erscheint am 8. Oktober bei Odile Jacob.