Finden Politik und Gesellschaft einen Weg aus der Krise?


Am 18. September demonstrierten Hunderttausende in Frankreich gegen geplante Haushaltskürzungen. Für den neuen Premier Sébastien Lecornu bleibt aber nur noch wenig Spielraum.
Seit der vorgezogenen Parlamentswahl 2024 ist Frankreich Schauplatz einer Posse, die einen zum Lachen bringen müsste, wäre sie nicht so bitterernst. Die Finanzmärkte sind nervös, die Ratingagentur Fitch stuft Bonität des Landes herab, die Risikoaufschläge für Staatsanleihen steigen, und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag warnt vor einem drohenden Teufelskreis. Jean-Luc Mélenchon donnert: Die drei Billionen Euro seien nicht „unsere Schulden“. Der Parti socialiste zieht rote Linien, Marine Le Pen fordert Neuwahlen. Premierminister Sébastien Lecornu bleibt auffallend zurückhaltend und Präsident Emmanuel Macron schweigt.
Die Franzosen wollen, dass sich alles ändert; wie so oft tragen sie ihren Unmut auf die Straße. Die Gewerkschaften pflichten ihnen bei, zum ersten Mal seit Langem Schulter an Schulter. Gemeinsam fordern sie ein Ende der „brutalen Maßnahmen“, die Ex-Premierminister Francois Bayrou im Sommer angekündigt hat. Gleichzeitig schlagen die Wirtschaftsvertreter schlagen Alarm: Die Auftragsbücher werden immer leerer, Zölle belasten die Stimmung, viele Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand. Es geht um politische Kompromisse, um tragfähige Mehrheitsverhältnisse im Parlament – und um das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung.
Wie Frankreich diesen Balanceakt meistern kann, darüber sprachen wir am 18. September mit Nele Wissmann, Niklas Záboji und Jacob Ross. Die Diskussion moderierte Andreas Noll.
Die Redaktion
Unsere Gäste

Jacob Ross arbeitet als Analyst zu Frankreich und den deutsch-französischen Beziehungen bei der DGAP. Zuvor war er als Assistent in der parlamentarischen Versammlung der NATO und der Nationalversammlung tätig und kurzzeitig auch für das französische Außenministerium. Er studierte in Lille, Münster, Bologna und Straßburg.

Nele Katharina Wissmann ist Beauftragte für Analyse, Bilaterale und Europäische Angelegenheiten im Auslandsbüro Frankreich der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie war von September 2009 bis April 2016 im Studienkomitee für deutsch-französische Beziehungen (Cerfa) des Institut français des relations internationales Frankreich (Ifri) in Paris beschäftigt und hier insbesondere für das Nachwuchsführungskräfteprojekt Deutsch-französischer Zukunftsdialog verantwortlich. Bis 2022 blieb sie Associate Fellow des Ifri.

Niklas Záboji studierte Betriebswirtschaftslehre, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Mannheim, Prag und Regensburg. Seine Abschlussarbeit widmete er der Visegrád-Kooperation. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er bei der Allgemeinen Zeitung in Mainz und beim SWR-Fernsehen, es folgten Stationen im Feuilleton der F.A.Z. sowie beim Handelsblatt. Seit April 2018 ist er Redakteur im Wirtschaftsressort der F.A.Z. mit den Schwerpunkten Energie-, Klima- und Konjunkturthemen. Im Oktober 2021 übernahm er die Aufgabe des Wirtschaftskorrespondenten der F.A.Z. mit Sitz in Paris.