Frieden gestalten:
Welche deutsch-französischen Initiativen für den Nahen Osten?

Angesichts der Krisen im Nahen Osten, insbesondere des Gaza-Krieges, sind Frankreich und Deutschland aufgerufen, gemeinsame Initiativen zu ergreifen, um eine dauerhafte regionale Stabilität zu fördern. Ihr gemeinsames Handeln könnte zu einem entscheidenden diplomatischen Instrument werden, um Europas Rolle zu stärken – eine Verantwortung, die aus seiner Geschichte erwächst.
In seiner Rede auf der „Konferenz zur friedlichen Beilegung der palästinensischen Frage und Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung“ (New York, 22. September 2025) kündigte Emmanuel Macron an, „die Zeit ist gekommen“ dass Frankreich den Staat Palästina „anerkenne“. Damit bestätigte der französische Präsident eine Entscheidung, die bereits im Sommer mit Saudi-Arabien getroffen worden war. Dieser Schritt steht allerdings wenig im Einklang mit dem Geist des Aachener Vertrags, der für alle internationalen Fragen – insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen (Art. 8) – eine enge Abstimmung mit Deutschland vorsieht. Über innenpolitische Erwägungen hinaus ist die Gaza-Krise seit Oktober 2023 die Ursache des Pariser Vorgehens, auch wenn die Eröffnung einer vollwertigen Botschaft derzeit nicht absehbar ist.
Ein dissonantes Duo
Frankreich und Deutschland haben bislang weder bilateral noch auf europäischer Ebene eine gemeinsame Position gefunden. Die Erklärungen, Rechtfertigungen oder gar Entschuldigungen für ihre jeweiligen Standpunkte sind zahlreich: Paris betont seine besondere Verantwortung als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats, ohne die Bedeutung der jüdischen wie auch der arabisch-muslimischen Gemeinschaften im Land zu übersehen. Berlin verweist seinerseits auf seine „historische Verantwortung“ gegenüber Israel und auf die „Staatsraison“, die seine bedingungslose Unterstützung für Israels Existenzrecht und Sicherheit begründet.

Beide Hauptstädte halten dennoch an der altbekannten, fast beschwörend wiederholten Formel der Zwei-Staaten-Lösung fest – als einzigem möglichen modus vivendi für sichere und international anerkannte Grenzen. Bemerkenswert ist zudem, dass die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern eine umgekehrte Situation zu Palästina darstellt, das von über 150 Ländern als Staat akzeptiert wird.
Gaza, ein Experimentierfeld
Zum jetzigen Zeitpunkt eröffnet der von den USA vorgelegte Friedensplan für den Gazastreifen (Scharm al-Scheich, 13. Oktober) eine Gelegenheit für deutsch-französische Zusammenarbeit – in Abstimmung mit Italien und Großbritannien. Da die EU in Sicherheits- und Verteidigungsfragen über keine echten Kompetenzen verfügt, obliegt es den Mitgliedstaaten, die Umsetzung des Abkommens sicherzustellen – insbesondere in Bezug auf die Sicherung des Gebiets, den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die Schaffung demokratischer Institutionen.
Mit Zustimmung ihrer europäischen Partner könnten Berlin und Paris dem künftigen „Friedensrat“ folgende Projekte vorschlagen:
- Einrichtung eines europäischen Gaza-Fonds mit einem Kreditvolumen von zwei Milliarden Euro über fünf Jahre zur Umsetzung oder Überwachung einer noch festzulegenden Projektliste. Dieser Fonds sollte zudem die Bildungsreform in Zusammenarbeit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie die Förderung politischen Pluralismus (vorrangig die Bekämpfung des Islamismus) unterstützen.
- Frankreich und Deutschland könnten ein gemeinsames Vertretungsbüro in Gaza eröffnen – analog zum Deutsch-Französischen Kulturzentrum in Ramallah. Dieses Büro sollte gegebenenfalls den Status eines Generalkonsulats genießen, um den Dialog mit dem „palästinensischen Komitee“ zu führen, welches das Gebiet vorübergehend verwalten wird.
Ohne einen Truppeneinsatz auszuschließen, könnten Frankreich und Deutschland zudem Ausbildungsprogramme für die zukünftige lokale Polizei entwickeln – vor Ort oder in Nachbarländern. Auch eine gemeinsame Garantie für private Investitionen, etwa in Gasförderung oder städtische Infrastruktur, sollte geprüft werden.
Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem (Psalm 137)
Zwischen Premierminister Benjamin Netanjahu und Präsident Emmanuel Macron herrscht offener Streit. Persönliche Animositäten dürfen jedoch die Beziehungen zwischen Europa und Israel nicht blockieren. Zugleich sollte sich Deutschlands Haltung nicht in bedingungsloser Unterstützung Israels erschöpfen – und auch nicht in peinlichem Schweigen, wenn internationales Recht verletzt wird.

Vor diesem Hintergrund könnten sich beide Länder auf folgende Prinzipien verständigen:
- Verlegung ihrer Botschaften nach Jerusalem, sobald substanzielle Fortschritte im Friedensprozess erzielt wurden – etwa durch den Verzicht auf weitere jüdische Siedlungen im Westjordanland, die Wiederaufnahme der Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde und die Einstellung militärischer Eingriffe der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) in Gebieten, die unter der Verwaltung der palästinensischen Autorität stehen.
- Unterstützung einer Erweiterung des Assoziierungsabkommens (2000) zwischen Israel und der EU auf das palästinensische Territorium. Die Teilnahme israelischer Sportler und Künstler an europäischen Veranstaltungen sollte gewährleistet sein, ebenso wie ein konsequentes Vorgehen gegen Antisemitismus – auch in sozialen Netzwerken.

Israel muss verstehen, dass die symbolische Bedeutung der Verlegung der Botschaften in den Westteil der Stadt Jerusalem an das Ende der „Stück-für-Stück“-Annexion in Judäa und Samaria gebunden ist, die jüngst vom US-Vizepräsidenten JD Vance kritisiert wurde.
Für einen regionalen Multilateralismus
Die Idee einer „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum“ (KSZD), inspiriert von der OSZE, wird in den Außenministerien seit Langem diskutiert. Die 2008 gegründete Union für das Mittelmeer (UfM) griff diesen Ansatz auf, erzielte jedoch nur mäßige Ergebnisse – wer kennt schon überhaupt dieses Konstrukt? Auch das 2002 ins Leben gerufene Quartett aus USA, Russland, EU und UNO zur Unterstützung des Friedensprozesses von Oslo konnte bislang nicht überzeugen.
Bevor ein neues Gesprächsforum geschaffen wird, könnten Frankreich und Deutschland die Machbarkeit zweier zusätzlicher Kooperationsrahmen prüfen:
- Ein Dialog zwischen der Arabischen Liga (Kairo) und dem Europarat (Straßburg), dem auch die Türkei angehört (mit den USA als Beobachter; eine Teilnahme Israels wäre möglich).
- Eine „Revitalisierung“ der UfM mit Sitz in Valletta (Malta) – aus geopolitischen Gründen.
Sollten die Levante- und Golfstaaten – einschließlich Iran – zu gegebener Zeit in einen Kreis eingebracht werden, der die EU und weitere interessierte Länder umfasst, müssten spezifische Maßnahmen (Statuten, Budget, etc.) im Vorfeld festgelegt werden, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Dieses Vorgehen wäre eine echte Alternative zur „Deal-plomatie“ von Donald Trump.
Die Idee eines einzigen Staates für zwei Nationen – jüdisch-israelisch und arabisch-palästinensisch – mag unrealistisch erscheinen. Eine Föderation aus zwei Staaten, die bestimmte Kompetenzen gemeinsam wahrnimmt, verdient jedoch ernsthafte Prüfung durch alle Konfliktparteien, wobei die EU als Vermittlerin fungieren könnte. Klar ist: Die Verwaltung natürlicher Ressourcen, der Aufbau von Energie- und Verkehrsnetzen, die wirtschaftliche Integration und der kulturelle Dialog zwischen Israelis und Palästinensern sind entscheidend für Frieden und Partnerschaft in der Region. Das belgische Modell – ohne reale Grenze zwischen Flandern und Wallonien, mit gemeinsamer Hauptstadt – zeigt zudem, dass ein Zusammenleben trotz erheblicher Unterschiede möglich ist. Die Drusen auf dem Golan könnten mit den deutschsprachigen Belgiern verglichen werden. Freiheitsrechte für Bewegung und Niederlassung zwischen Israel und Palästina erscheinen daher unerlässlich, um Spannungen zwischen der arabisch-israelischen Minderheit und den jüdischen Siedlungen im Jordantal zu entschärfen.
Die Anerkennung des Existenzrechts Israels und Palästinas muss mit der Akzeptanz der Geschichte beider Völker seit 1947 einhergehen. Das Gelobte Land braucht eine Schuman-Erklärung!
