Maurice-Halbwachs-Professur
Ein großer Gewinn für Wuppertal, Nordrhein-Westfalen und die deutsch-französischen Beziehungen

Maurice-Halbwachs-Professur Ein großer Gewinn für Wuppertal, Nordrhein-Westfalen und die deutsch-französischen Beziehungen
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  • VeröffentlichtJanuar 24, 2024

In der Bergischen Universität Wuppertal fand am deutsch-französischen Tag die feierliche Einweihung der französischen Maurice-Halbwachs-Gastprofessur statt. So sollen Kunst und Wissenschaft im Austausch weiter vertieft werden – ganz im Sinne des Aachener Vertrags.

Zu Beginn des Jahres 2021 suchte der Romanistik-Dozent Stephan Nowotnick Kontakt im Düsseldorfer Landtag zum Landtagsvizepräsidenten Oliver Keymis, Gründer und Vorsitzender der Parlamentariergruppe NRW-Frankreich. Sein Plan: an der Bergischen Universität Wuppertal, wo immer wieder Gastdozenten aus Frankreich arbeiteten, eine französische Gastprofessur fest einzurichten. Keymis konnte die Landesregierung für diesen Plan gewinnen und auch die Französische Botschaft in Berlin unterstützte das Vorhaben. Der damalige Rektor Lambert T. Koch war ebenso für diese Idee zu begeistern wie seine Nachfolgerin Rektorin Birgitta Wolff. Sie war es, die gemeinsam mit der Dekanin Ursula Kocher am deutsch-französischen Tag, dem 22. Januar 2024, zur feierlichen Einweihung der Maurice-Halbwachs-Professur einlud und die Gäste im voll besetzten „Bergischen Zimmer“ herzlich begrüßte.

Aachener Vertrag erfordert neue Taten

Erwartet wurden der Botschafter der Republik Frankreich, SE François Delattre, der Generalkonsul Frankreichs in NRW, Étienne Sur und der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien und Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, Nathanael Liminski. In der ersten Reihe nahmen Landtagsvizepräsident a.D. Oliver Keymis sowie Stephan Nowotnick Platz, dem für seinen unermüdlichen Einsatz um das Projekt von Dekanin Kocher mit Sonderapplaus aufrichtig gedankt wurde.

Wegen des zeitgleich in Berlin stattfindenden Staatsaktes für den verstorbenen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, „einem großen Freund Frankreichs“, wie der eigens dafür angereiste Präsident Emmanuel Macron in seiner in großen Teilen auf Deutsch gehaltenen Trauerrede betonte, konnte Botschafter Delattre nicht in Wuppertal sein. Ihn vertrat der französische Generalkonsul in Nordrhein-Westfalen, Étienne Sur.

Unter Hinweis auf die Historie des 22. Januar, an dem vor 61 Jahren der „Élysée-Vertrag“ von Konrad Adenauer und Charles De Gaulle 1963 besiegelt wurde und mit Blick auf den 5. Geburtstag des „Aachener Vertrags“, der die deutsch-französische Freundschaft zu neuen Taten herausfordert, würdigte der Generalkonsul die neue Gastprofessur und bedankte sich insbesondere beim Land NRW, der Universitätsleitung und nicht zuletzt dem Ideengeber Stephan Nowotnick.

Landeseuropaminister outet sich: „Kind des Élysée-Vertrags“

NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien Nathanael Liminski (Copyright Martin Keller)

Launig und sehr persönlich sprach Landeseuropaminister Nathanael Liminski über die besondere Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen. Immerhin, so der Minister, sei auch er ein „Kind des Élysée-Vertrages“, denn ohne die daraus folgenden Begegnungsprogramme hätten sich seine französische Mutter und sein deutscher Vater nicht in Paris kennengelernt. Und auch er lernte seine aus Bayern (!) stammende Frau während des Studiums in Paris (!) kennen. So wisse er aus sehr persönlicher Einschätzung heraus gerade auch solche Anstrengungen zu würdigen. Dabei betonte der Minister, dass es die besonderen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Frankreich so heute nicht gäbe, wenn es Landtagsvizepräsident Keymis nicht gegeben hätte. Dieser habe die Mitglieder der Landesregierung, nicht nur ihn, immer wieder angesprochen, zur Seite genommen oder gleich in sein Büro eingeladen und kontinuierlich für die deutsch-französischen Belange mit Verve und Engagement geworben.

Von Maurice Halbwachs zur französischen Gastprofessorin: Agathe Mareuge

Maurice Halbwachs (Copyright Wikimedia Commons)

So auch für diese Gastprofessur, die dem Andenken des französischen Soziologen und Philosophen Maurice Halbwachs (1877 – 1945) gewidmet ist.

Halbwachs, Schüler des Philosophen Henri Bergson, entwickelte maßgeblich das bis heute relevante Konzept des „kollektiven Gedächtnisses“. Er lehrte in Straßburg und Mainz, war Gastprofessor in Chicago und wieder in Straßburg, um dann ab 1935 an der Pariser Sorbonne zu unterrichten. Am 23. Juli 1944 wurde er von der Gestapo in Paris verhaftet und in das KZ Buchenwald deportiert, wo er am 16. März 1945 starb.  

Am 22. Januar ehrte die Bergische Universität Wuppertal Maurice Halbwachs mit der nach ihm benannten Gastprofessur, die im ersten Jahr durch Agathe Mareuge von der Universität Sorbonne vertreten wird.

Frankreich-Gastprofessorin Agathe Mareuge (Copyright Michael Mutzberg/Bergische Universität)

Mareuges Forschungsschwerpunkte liegen auf den europäischen Avantgarde-Bewegungen und historiographischen Fragestellungen. Interdisziplinarität und Transdisziplinarität liegen im Fokus ihrer Forschung, die sich mit Autorinnen und Autoren und diversen Kunstbewegungen beschäftigt, die sowohl in der französischen, als auch in der deutschsprachigen Literatur sowie in der visuellen und plastischen Kunst verankert waren.

Unter dem Titel „Im Traumgeheimnis der Dichter: Flora Klee-Pàlyi als Mittlerin zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Kunst und Dichtung“ präsentierte Mareuge zur feierlichen Einweihung ihre bisherigen Forschungen über die Wuppertaler Künstlerin, Verlegerin, Herausgeberin und Übersetzerin Flora Klee-Pàlyi.

Künstlerin, Herausgeberin und Übersetzerin: Flora Klee-Pàlyi

Signatur von Flora Klee-Palyi mit Widmung, 1959 (Copyright Wikimedia Commons)

Geboren 1893 in Budapest, wird Flora Klee-Pàlyi am 17. Oktober 1944 verhaftet. Sie wird zunächst in das Arbeitserziehungslager Diemitz bei Halle (Saale), dann in das Gemeinschaftslager in der Fabrik „Habämpfa“ (Hallesche Bäckereimaschinen- und Ofenfabrik) in Halle verschleppt. Schließlich wird sie am 18. Februar 1945 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Zu schwerer Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen gezwungen, überlebt sie und wird am 8. Mai 1945 durch die Rote Armee befreit. 

In den Nachkriegsjahren fokussiert sich Flora Klee-Pàlyi zunehmend auf ihre so eigene spezielle Thematik: Den Austausch französischer und deutscher Lyrik und Literatur kombiniert sie mit Illustration und moderner Typographie. Sie übersetzt nicht nur selbst aus dem Französischen, sondern auch in das Französische: Kleists Abhandlung „Über das Marionettentheater“, übersetzt von ihr und Fernand Marc, erscheint 1947 in Paris, wo sie des Öfteren hinreist. Klee-Pàlyi verstirbt nach schwerer Krankheit am 14. April 1961. Sie und ihr Ehemann Philipp Klee werden auf dem Alten Evangelischen Friedhof an der Kirchhofstraße in Wuppertal-Sonnborn beerdigt. Ebenso wie Flora Klee-Pàlyi französische Literatur in Deutschland förderte, versucht nun Maureuge deutsche Literatur in Frankreich bekannter zu machen.

Ein Abschluss mit großer symbolischer Bedeutung

Die Schauspielerin Julia Wolff, aufgewachsen in Frankreich, las aus den Texten und Gedichten in beiden Sprachen eindrucksvoll und einfühlsam vor und bereicherte so die interessanten Lebens- und Schaffensbeschreibungen von Gastprofessorin Mareuge, die ihre wissenschaftliche Leidenschaft charmant und gekonnt in ihren Vortrag investierte. So wurde einmal mehr an diesem Abend im „Bergischen Zimmer“ der Wuppertaler Universität für alle Anwesenden hör- und sichtbar, wie stark und vielfältig über die Jahrzehnte hinweg, durch das anhaltende Engagement auf beiden Seiten, aus den ehemaligen „Erzfeinden“ Frankreich und Deutschland doch mehr als nachhaltig „ziemlich beste Freunde“ geworden sind. Diese besondere Freundschaft kann und wird Europa noch brauchen.

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