Nachwuchskräfte:
„Diese Energie habe ich im Programm Generation Europa gefunden“

Nachwuchskräfte: „Diese Energie habe ich im Programm Generation Europa gefunden“
  • VeröffentlichtJuli 10, 2025
Der Jahrgang 2025 bei seinem Besuch im Bundesrat (Copyright: Jennifer Sanchez | vonZynski.com)
Der Jahrgang 2025 bei seinem Besuch im Bundesrat (Copyright: Jennifer Sanchez | vonZynski.com)

Das Programm Generation Europa bringt kluge Köpfe und engagierte Nachwuchskräfte aus Deutschland und Frankreich zusammen. Sein Motto: Geschichte ist kein Schicksal – die Zukunft wird gemeinsam gestaltet. Wir haben mit zwei Mitgliedern des Jahrgangs 2025 gesprochen.

 

dokdoc: Was ist das zentrale Ziel des DFJW-Programms Generation Europa – und was hat Sie persönlich motiviert, Teil dieses Programms zu werden?

 

Agathe Menetrier: Das Programm Generation Europa geht auf eine Initiative von Staatspräsident Macron und Bundeskanzler Scholz anlässlich des 60. Jahrestags des Élysée-Vertrags zurück. Es wird überwiegend durch öffentliche, aber auch durch private Mittel finanziert und hat das Ziel, junge Franzosen und Deutsche aus unterschiedlichsten Bereichen – vom Bankwesen über die medizinische Forschung bis hin zur Kunst – zusammenzubringen. Ihnen sollen Instrumente an die Hand gegeben werden, um in ihrem beruflichen Umfeld eine deutsch-französische Herangehensweise zu fördern.

Ich selbst habe einen deutsch-französischen Studiengang in Politikwissenschaften absolviert und lebe heute in Berlin. Was mich zur Bewerbung für das Programm motiviert hat, war das Bedürfnis neue Impulse für eine starke deutsch-französische Dynamik in Europa zu setzen – gerade jetzt in einer Zeit globaler Umbrüche. Diese Energie habe ich im Programm Generation Europa gefunden.

 

Raffael Ruppert: Bei mir war es ähnlich: Ich wollte mein Engagement aus der Studienzeit wiederaufleben lassen. Damals habe ich in Grenoble und Paris studiert und damit bereits einen deutsch-französischen Weg eingeschlagen. Besonders angesprochen hat mich, dass sich das Programm auch an Young Professionals richtet. Es gibt bereits viele gute deutsch-französische Angebote für Schüler*innen und Studierende – doch nach dem Einstieg ins Berufsleben werden solche Formate deutlich seltener. Génération Europe schließt hier eine wichtige Lücke.

 

dokdoc: Das Programmjahr 2025 steht unter dem Motto „Innovation“. Was genau verstehen Sie darunter – und in welchen Bereichen wollen Sie neue Impulse setzen?

 

Agathe: Innovation beschränkt sich nicht allein auf Technologie. In meinem Bereich – dem sozialen Sektor und der internationalen Zusammenarbeit – kann dieser Begriff mitunter Verunsicherung auslösen, da er als sehr elitär wahrgenommen wird. In unserer Kohorte haben wir intensiv darüber diskutiert und dabei drei zentrale Botschaften formuliert: Die deutsch-französische Kooperation ist keineswegs selbstverständlich; es ist notwendig, Risiken einzugehen und in Innovation zu investieren, damit Europa angesichts russischer Bedrohungen und amerikanischer Unwägbarkeiten zum Innovationszentrum der demokratischen Welt wird; Öffentliche Forschung muss dabei eine Schlüsselrolle spielen.

Anschließend haben wir überlegt, welchen Beitrag wir selbst leisten können, und fünf Projektideen entwickelt – zu folgenden Themen: Stärkung deutsch-französischer Angebote im Rahmen des „Pass Culture“; Wissensaustausch zwischen deutschen und französischen Unternehmen; Förderung der Mobilität junger Menschen mit bislang wenig Reiseerfahrung; Dialog zwischen vergleichbaren sozialen und solidarischen Initiativen auf beiden Seiten der Grenze; sowie Unterstützung bei der Gründung von Start-ups in Frankreich und Deutschland.

 

dokdoc: Ein zentraler Auftrag von Generation Europa ist die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die deutsch-französischen Beziehungen im europäischen Kontext. Was unterscheidet Ihren Ansatz von den vielen Empfehlungen, die es bereits gibt?

 

Raffael: Die ersten Handlungsempfehlungen wurden vom ersten Jahrgang auf Wunsch von Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz erarbeitet. Unser Jahrgang verfolgt einen anderen Ansatz: Wir setzen auf praxisnahe Projekte. Dabei wissen wir, dass es bereits viele Initiativen im deutsch-französischen Raum gibt – diese wollen wir nicht einfach wiederholen. Stattdessen bringen wir unsere Perspektiven als junge Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen und Lebensrealitäten ein. Unser Ziel ist es, diese Vielfalt zu nutzen, um kreative und innovative Ideen für die Zukunft Europas zu entwickeln.

 

dokdoc: Sie haben gesagt, dass Ihre Projekte über die deutsch-französischen Grenzen hinaus gedacht werden. Wie zeigt sich dieser europäische Fokus konkret in Ihrer Arbeit?

 

Raffael: Grundsätzlich denken wir alle unsere Projekte europäisch, nicht national. Der Name Generation Europa ist bewusst gewählt: Wir wollen uns für Europa einsetzen – nicht nur für die deutsch-französischen Beziehungen. Natürlich sehen wir diese als zentral für Europa, aber sie sind für uns ein Sprungbrett, nicht das Ziel.

 

Vor dem Bundesrat (Copyright: Jennifer Sanchez | vonZynski.com)
Vor dem Bundesrat (Copyright: Jennifer Sanchez | vonZynski.com)

 

Agathe: Und genau deshalb werden wir im Oktober nach Warschau fahren – die dritte europäische Stadt, die unsere Kohorte 2025 besucht, nach Berlin und Paris.

 

dokdoc: Welche Projekte oder Initiativen aus Ihrem Jahrgang sehen Sie als Leuchtturmprojekte – und warum?

 

Raffael: Wir arbeiten in sehr unterschiedlichen Bereichen. Ich selbst bin in einem Projektteam, das an einem sogenannten Starterkit arbeitet. Unsere Grundfrage lautet: Wie kann Unternehmertum zur Innovation in Europa beitragen – insbesondere im Kontext von Start-ups? Aktuell sehen wir viele Hürden für junge Gründer, zum Beispiel komplexe bürokratische Anforderungen in Deutschland und Frankreich. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Gründer meist hochgebildet und männlich sind und aus wirtschaftlich starken Regionen kommen – es gibt also eine soziale Schieflage. Unser Ziel ist es, ein praxisnahes Handbuch mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Tipps zum Markteintritt in beiden Ländern sowie Informationen zu den rechtlichen Grundlagen zu erarbeiten. So möchten wir Zugänge erleichtern und grenzüberschreitende Innovationsdynamiken stärken. Wir planen, das bis Jahresende zu veröffentlichen.

 

dokdoc: Agathe, Sie haben sich stark mit sozialen Themen beschäftigt. Können Sie auch ein Beispielprojekt aus Ihrem Bereich vorstellen?

 

Agathe: Ich arbeite an einem Projekt zum Thema europäische Solidaritäten. Damit wollen wir Brücken zwischen Akteuren im sozialen Bereich schaffen – sei es in Frankreich, Deutschland oder anderswo in Europa. Wir treffen Expertinnen und Experten zu sensiblen Themen wie der weiblichen Genitalverstümmelung – einem Thema, mit dem ich mich selbst beschäftigt habe und das mich aktuell an der Charité begleitet, wo ich ein Projekt zur Gesundheitsversorgung von Geflüchteten koordiniere. Es ist bekannt, dass es Kliniken in Frankreich und Deutschland gibt, die geflüchtete Frauen betreuen, die diese Form von Gewalt erlebt haben. Unser Ziel ist es, diese Einrichtungen miteinander zu vernetzen und den Austausch bewährter Praktiken zu fördern, damit sie voneinander lernen können. Das Projekt hat einen starken sozialen Mehrwert.

 

dokdoc: Ende Dezember endet das Programmjahr. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Ihre Projekte langfristig Wirkung entfalten – und nicht in der Schublade verschwinden?

 

Raffael: Das haben wir uns natürlich auch gefragt. Einige unserer Projekte sind so angelegt, dass sie über das Programmjahr hinaus weiterlaufen. In unseren Gruppen haben wir bereits besprochen, wer sich weiterhin engagieren möchte – einige haben sich schon dazu bereit erklärt. Auch der letzte Jahrgang hat Folgeprojekte und Veranstaltungen gestartet. So entstehen echte Kontinuitäten. Zudem gibt es das Alumni-Netzwerk, das aktiv gepflegt wird – eine wertvolle Plattform, um langfristig in Kontakt zu bleiben, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Ein zentrales Ziel von Generation Europa ist es ja genau, dass das Engagement aus dem Programm in unsere späteren Arbeitsfelder hineinwirkt.

 

Treffen des Alumni-Netzwerks (Copyright: Jennifer Sanchez | vonZynski.com)
Treffen des Alumni-Netzwerks (Copyright: Jennifer Sanchez | vonZynski.com)

 

Agathe: Die Energie und der Zusammenhalt, den wir innerhalb unserer Kohorte erleben, gehen über das Programm hinaus.

 

Raffael: Genau! Das Alumni-Netzwerk wächst stetig, auch durch Veranstaltungen, zum Beispiel in Berlin.

 

dokdoc: Das Programm lebt vom Austausch auf Augenhöhe – zwischen jungen Nachwuchskräften und Entscheidungsträgern. Wie gelingt dieser Dialog in der Praxis?

 

Agathe: Der Dialog gründet vor allem auf tief verwurzelten europäischen Überzeugungen, die alle Teilnehmenden teilen. Dies macht Begegnungen mit hochrangigen politischen Persönlichkeiten möglich – nicht nur als Gast, sondern als echte Gesprächspartner. Das Programm profitiert vom ausgezeichneten Netzwerk des DFJW und seinen Generalsekretären Tobias Bütow und Anne Tallineau. Es genießt einen hervorragenden Ruf, der den Zugang zu solchen Austauschformaten erleichtert – Formaten, die von Margot Dufaux, der Programmleiterin von Generation Europa, mit großem Geschick koordiniert werden. Für uns ist das eine außergewöhnliche Chance!

 

Im Austausch mit Christine Lagarde in der französischen Botschaft in Berlin (Copyright: M. Ulrich, Ambassade de France en Allemagne)
Im Austausch mit Christine Lagarde in der französischen Botschaft in Berlin (Copyright: M. Ulrich, Ambassade de France en Allemagne)

 

Raffael: Für mich war das Gespräch mit Christine Lagarde ein echtes Highlight. Wir haben sie in der französischen Botschaft in Berlin getroffen. Es war beeindruckend, mit einer so hochkarätigen Persönlichkeit direkt über europäische und globale Herausforderungen zu sprechen – und gleichzeitig eigene Impulse setzen zu dürfen, etwa aus unserer Arbeit bei Generation Europa. Diese direkte Interaktion auf Augenhöhe macht das Programm wirklich besonders.

 

dokdoc: Zum Abschluss eine kurze, aber große Frage: Wie sieht Ihre Vision für die deutsch-französischen Beziehungen im Jahr 2030 aus – und welche Rolle soll Generation Europa dabei spielen?

 

Agathe: Ich bin optimistisch. Ich wünsche mir eine französische und eine deutsche Regierung, die sich für eine soziale und solidarische Europäische Union einsetzen – eine Union, die in Gemeingüter, Grundlagenforschung, Gesundheitsversorgung und bezahlbaren Wohnraum für alle investiert. Ich bin überzeugt: Es ist die Aufgabe unseres Programms, den französischen und deutschen Entscheidungsträgern kontinuierlich die Bedürfnisse aufzuzeigen, die wir in unseren beruflichen Umfeldern täglich beobachten. Zugleich wollen wir deutlich machen, dass kreative und zukunftsfähige Lösungen oft in einem deutsch-französischen Ansatz liegen.

 

Raffael: Ich hoffe, dass die deutsch-französischen Beziehungen bis 2030 gezielt genutzt werden, um Europa weiter zusammenzuführen. Gerade jetzt sehe ich ein Window of Opportunity: mit neuen politischen Konstellationen und dem wachsenden Bedürfnis Europas, eigenständiger zu handeln. Für Generation Europa wünsche ich mir, dass wir als starkes Netzwerk bestehen bleiben und unsere Erfahrungen in unsere Arbeitsfelder tragen, um deutsch-französische Impulse zu setzen – wo immer wir sind.

 

Mehr zum Programm: Generation Europa | DFJW

 

Unsere Gäste

Agathe Menetrier (Copyright: DFJW/OFAJ)
Agathe Menetrier (Copyright: DFJW/OFAJ)

Agathe Menetrier leitet an der Charité in Berlin ein Projekt zur Gesundheitsversorgung geflüchteter Frauen. Darüber hinaus berät sie internationale Organisationen und NGOs zu Themen wie Diskriminierung, geschlechtsbezogener Gewalt und erzwungener Migration. Sie hat Internationale Beziehungen an Sciences Po (Paris) und der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und anschließend an der École normale supérieure (Paris) sowie am Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung (Halle) promoviert. Forschungsaufenthalte führten sie unter anderem nach Dakar, Nouakchott und Banjul. Beruflich wie ehrenamtlich engagiert sie sich für den Schutz des Asylrechts und setzt sich für die Stärkung solidarischer deutsch-französischer Initiativen ein.

 

Raffael Ruppert (Copyright: DFJW/OFAJ)
Raffael Ruppert (Copyright: DFJW/OFAJ)

Raffael Ruppert arbeitet als Freelance Data Analyst für Organisationen aus Bildung und Zivilgesellschaft. Sein Fokus liegt auf den Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz für Gesellschaft und Demokratie. Parallel lehrt er Marktforschung an der HWR Berlin. Zuvor leitete er das Research-Team beim Meinungsforschung-Startup Civey und entwickelte datenbasierte Lösungen beim KI-Campus des Stifterverbands. Sein Weg begann mit einem Politikwissenschaftsstudium in Passau, Grenoble, Paris und Berlin.

 

 

 

 

 

 

In Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW)

 

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