Küchendiplomatie:
Der Geschmack des Weimarer Dreiecks

Küchendiplomatie: Der Geschmack des Weimarer Dreiecks
  • VeröffentlichtSeptember 4, 2025
Ernennungsurkunden und Medaillen sowie traditionelle Kochmützen der ANC
Ernennungsurkunden und Medaillen sowie traditionelle Kochmützen der ANC (Copyright: Dirk Schneemann)

Kulinarik verbindet Kulturen: Die ANC feiert im Bundestag die Aufnahme deutscher und polnischer Spitzenköche – und setzt mit Yana Steudel auf Gourmet-Diplomatie im Zeichen des Weimarer Dreiecks.

 

Die Académie Nationale de Cuisine (ANC) zelebrierte am 21.07. dieses Jahres im Berliner Reichstagsrestaurant „Käfer“ die Inthronisation neuer Mitglieder. In einer bewegenden Zeremonie wurden deutsche und polnische Spitzenköche und besondere Dienstleister der Gastronomie-Branche in die ANC aufgenommen und erweitern so den Kreis der „Botschafter französischer Kulinarik“. Neben den „Profis“ und Insidern waren nur zwei „externe Zivilisten“ als Gäste dabei – Christoph Vondenhoff, Leiter des Hauptstadtbüros von Michelin und der Autor, Dirk Schneemann vom Deutsch-Französischen Wirtschaftskreis.

 

Von Paris in die Welt

Die Académie Nationale de Cuisine (ANC) wurde 1977 in Frankreich gegründet und steht allen Professionen der métiers de bouche offen – von Cuisine, Charcuterie, Traiteurs und Chocolatiers über Confiseure und Bäcker bis hin zu Sommeliers, Keramikern und Messerherstellern. Wie nahezu alle kulinarischen Vereinigungen Frankreichs – mit Ausnahme der Disciples d’Escoffier – war auch die ANC lange Zeit auf Frankreich und seine Übersee-Départements (z. B. La Réunion) sowie auf frankophone Regionen wie Tunesien oder Marokko beschränkt. Sie organisierte Wettbewerbe, Messen und Ausstellungen in Frankreich und darüber hinaus. Mit der Aufnahme von Yana Steudel (2020) – als erste Vertreterin aus einem nicht-frankophonen Land – und der von ihr initiierten Gründung der deutschen Delegation 2023 begann die europäische Internationalisierung der ANC. Damit entwickelte sich Deutschland zum Motor und Brückenbauer dieser Öffnung.

(Copyright: Académie Nationale de Cuisine)
(Copyright: Académie Nationale de Cuisine)

Im Januar 2025 wagte die ANC einen historischen Schritt: Erstmals wurde das Amt einer Vice-Présidente à l’international geschaffen und Yana Steudel übertragen. Damit steht zum ersten Mal eine Frau, eine Nicht-Französin und zudem eine Nicht-Köchin an der Spitze der internationalen Ausrichtung – und dies aus Deutschland heraus. Die deutsche Delegation wirkt damit als Impulsgeberin und verbindendes Element, das entscheidend dazu beiträgt, die Traditionen der ANC mit neuen Partnern und Kulturen weltweit zu verbinden. Die „Nicht-Köchin“ ist dennoch eng mit der Haute Cuisine verbunden. In ihrem Unternehmen kreiert sie Spezialitäten, die inzwischen weltweit erfolgreich in Top-Küchen eingesetzt werden. Ein Beispiel sind ihre „köstlichen Perlen“, über die sie selbst sagt: „Meine Perlen sind klein, doch wenn sie am Gaumen zerplatzen, entfalten sie eine Geschmacksexplosion. Sie werden ausschließlich aus den besten Zutaten hergestellt. Ich bin zwar Chemikerin, lege aber – oder gerade deswegen – größten Wert darauf, keine künstlichen Farbstoffe, Zusatzstoffe oder Konservierungsmittel zu verwenden. Mit meinen Perlen lassen sich alle Gerichte, selbst die kleinsten, auf natürliche Weise veredeln und Ihre Gäste überraschen.“ Und sie ergänzt: „Mit meiner Kollektion ‚TASTY GLOBES‘, die Gewürze und Aromen aus aller Welt vereint und speziell für die Travel-Industrie entwickelt wurde, betreibe ich auch auf diesem Weg eine Form von Gourmet-Diplomatie – kulinarische Brücken, die Kulturen verbinden.“

Französische Küche auf höchstem Niveau
Französische Küche auf höchstem Niveau (Copyright: Yana Steudel)

Kulinarische Brücken zwischen Deutschland und Polen

 

Unter den im Juli neu aufgenommenen – und vereidigten! – Mitgliedern aus Deutschland und Polen befanden sich überwiegend junge Köche aus Restaurants der östlichen Bundesländer von Mecklenburg-Vorpommern über Berlin bis Thüringen und Sachsen. Natürlich war auch Christoph Büchner, Küchenchef des „Käfer“ und Gastgeber der Veranstaltung unter ihnen, der Köstlichkeiten aus seiner Küche kredenzte. Und natürlich war auch das Bundesland der Sterneköche, Baden-Württemberg, vertreten.

Bezogen auf Deutschland und insbesondere die osteuropäischen Nachbarn – der Start erfolgte mit Polen – ist es das Ziel der ANC, ihre kulinarischen Botschaften zu verbreiten und insbesondere jüngere Vertreter der Zunft für Qualität und Tradition zu begeistern. Dabei geht es weniger um die Jagd nach den berühmten „Sternen“, als um solide Handwerkskunst und ein kulinarisches Gesamterlebnis. Im Gespräch mit einigen Teilnehmern fand ich dann auch meine Vermutung sehr schnell bestätigt: Die Spitzenküche – ob mit oder ohne Stern – ist ein hartes Geschäft, und Begriffe wie Work-Life-Balance und 9 to 5 sind dort fremd. Um der Frage vorwegzukommen – ja, es gibt sehr wenige Frauen in diesen Kreisen – vielleicht gerade deshalb, denn an den „mangelnden Kochkünsten“ kann es wohl kaum liegen… Sicherlich ein Thema, welches Yana Steudel im Rahmen ihrer Marktentwicklung angehen möchte.

„Familienfoto“ der Inthronisierungsveranstaltung der ANC im „Käfer“, Berlin, 27. Juli 2025
„Familienfoto“ der Inthronisierungsveranstaltung der ANC im „Käfer“, Berlin, 27. Juli 2025 (Copyright: Dirk Schneemann)

Mit der Erschließung des deutschen und polnischen Marktes ergibt sich zugleich auch ein neues und ergänztes Bild – „Das Weimarer Dreieck der Gastronomie“ – somit gehen nicht nur Liebe und Freundschaft, sondern auch Völkerverständigung „durch den Magen“… Und damit sind wir schon bei einigen Plänen für die Zukunft. Nach einer Reihe von „Lokalterminen“ bei neuen Mitgliedern der Académie in Deutschland und Polen regt die ANC-Vizepräsidentin Dr. Yana Steudel unter dem Motto „The Taste of the Weimar Triangle“ die Entwicklung eines Signature Dish „Weimarer Dreieck“ an, in dem die Küchen Frankreichs, Polens und Deutschlands in einem Gericht verschmelzen.

Und so haben wir die Festveranstaltung anlässlich des 15. Jubiläums der Gründung des „Verein Weimarer Dreieck e.V.“ am 27.08. in Weimar genutzt, um den anwesenden Ehrengästen diese Idee zu unterbreiten. Sowohl Polens Botschafter, S.E. Jan Tombinski, der französische Botschaftsrat Thomas Michelon, als auch Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt begrüßten begeistert die Initiative. Ministerpräsident Voigt: „Und wenn Sie noch jemanden für die Jury brauchen – ich kandidiere sehr gern!“. Damit ist der „Hut in den Ring geworfen“ und es muss von allen Seiten geliefert werden. Die weiteren Details hierzu wird die Académie zu gegebener Zeit selbst kommunizieren. Denn was verbindet Menschen mehr als die gemeinsame Freude an guter Küche?

 

Perspektiven für Wirtschaft und Austausch

 

Für die Deutsch-Französischen Wirtschaftskreise ergeben sich hieraus ebenfalls neue Perspektiven, unsere Themenpalette bzw. unsere Veranstaltungsformate entsprechend zu ergänzen – und das nicht nur in kulinarischer Hinsicht. Die Branche ist sowohl ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, einer der größten Arbeitgeber und Ausbilder in unseren Ländern als auch ein wesentlicher Faktor für Begegnung, Kommunikation und Lebensfreude. Nicht zuletzt sind Küche/Gastronomie/Restauration bestens geeignet für Lehrlings- bzw. Arbeitskräfteaustausch. Viele Küchenchefs, Restaurantleiter und Gastronomen haben hierzulande mit Fachkräftemangel zu kämpfen – die Gastronomie ist schon lange international, nicht nur auf den Tellern, sondern auch und gerade in den Küchen und beim Service. Ich bin mir sicher, dass das DFJW/OFAJ hier bereits gute Erfahrungen gesammelt hat, die auf jeden Fall ausbaufähig sind.

Es wird in den nächsten Wochen und Monaten – zumindest aus unserer Sicht – DFWK, Weimarer Dreieck, FIOst eine Reihe von Gelegenheiten geben, an diesem Thema zu arbeiten – und ich freue mich jetzt schon, wenn die ANC unsere nächsten „Weimarer Dreieck Golf Open 2026“ mit kulinarischen Beiträgen anreichert. Bon appétit!

 

Der Autor

Copyright: Dirk Schneemann
Copyright: Dirk Schneemann

Dirk Schneemann ist Präsident des Deutsch-Französischen Wirtschaftskreises Berlin und Initiator der „Frankreich-Initiative Ostdeutschland“. In Jena geboren und in Berlin studiert, verfügt über eine mehr als 35-jährige Erfahrung in den deutsch-französischen Beziehungen – angefangen von der Handelsvertretung der DDR in Paris, Managementstationen in Frankreich und Deutschland bis hin zu verschiedenen Beratertätigkeiten des von ihm 2013 gegründeten Unternehmens euraccess GmbH.

 

 

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