Wellness & Pistenzauber:
Winterträume in den Pyrenäen


Weiß tanzen die Flocken, bedecken majestätische Gipfel unter meterdicken Hauben und lassen den Schnee unter den Stiefeln knirschen: Die französischen Pyrenäen sind ein echtes Wintermärchen.
Die Grenzberge zu Spanien, die Maler und Dichter, Kaiser und Könige begeisterten, sind nicht nur im Sommer ein Traumziel, sondern auch im Winter. Im 430 Kilometer langen und höchstens 150 Kilometer breiten Hochgebirge verstecken sich erstklassige Skigebiete wie Saint-Lary-Soulan, Superbagnères, Piau-Engaly, Barèges, La Mongie, Cauterets und Gourette mit perfekt präparierten Pisten und atemberaubenden Abfahrten. Hors-piste, abseits der Piste, stiebt der Tiefschnee beim Wedeln im Schatten von Bergriesen wie Vignemale (3.298 m), Pic Carlit (2.921 m), Pic du Midi de Bigorre (2.877 m) und Pic du Midi d’Ossau (2.884 m).
Winter-Wellness…toute une tradition
Auf Langlaufski geht es durch tief verschneite Wälder, im Hundeschlitten über Hochplateaus oder bei einer randonnée en raquettes mit Schneeschuhen hinauf zur Brèche de Roland, einer riesigen Scharte im Felskessel von Gavarnie, die der Held der Rolandssage dort mit seinem Schwert geschlagen haben soll. Nach einem erlebnisreichen Tag auf der Piste oder in der Natur vertreiben traditionsreiche Thermen und luxuriöse Wellnessresorts jeglichen Muskelkater und bescheren Entspannung und Wohlbefinden. Hier und da sprudeln sogar ganz wild heiße Quellen versteckt im Bergwald!

Was trendig „Winter-Wellness“ heißt oder unter dem Schlagwort „Ski & Spa“ vermarktet wird, ist in den Pyrenäen seit Jahrhunderten Tradition. Madame de Maintenon, Gouvernante des Duc du Maine und Mätresse dessen Vaters – Sonnenkönig Ludwig XIV. – war die erste, die bereits 1675 die heilende Wirkung der Wasser von Barèges genossen. Fünf Jahre später kam Staatsminister Louvois, ließ sein gebrochenes Bein kurieren – und gewährte einen Kredit für den Ausbau der Thermalbäder von Barèges. Sein Schmuckstück versteckt sich im dritten Stock: CIELéO – ein wortwörtlich himmlischer Wellnesspool. Seine Decke spiegelt das Firmament der Pyrenäen wider – und holt den Zauber der nächtlichen Bergwelt ins Innere. „Doch nur hier, im CIELéO, zeigen sich die Sternbilder in immer neuen Farben“, sagt Bademeister Daniel stolz und zeigt per Knopfdruck das Funkeln der Sterne über Barèges.
Sterneverdächtig ist auch das Skigebiet. 43 Lifte und Seilbahnen erschließen rund um den berühmten Tour-de-France-Pass Col du Tourmalet 69 Pisten mit insgesamt 100 Kilometer Länge – Rekord in den Pyrenäen! Zwei Drittel der Abfahrten sind mittelschwer, 29 Prozent leichte Autobahnen, sieben Prozent Hänge für Cracks. Hinzu kommt ein riesiges Terrain hors-piste mit steilen Spielwiesen für Tiefschnee-Fans im Schatten der 2877 m hohen Pic du Midi de Bigorre. Wie UFOs ragen dessen Antenne und Observatorium aus dem Meer der Bergspitzen. Hier ist man den Sternen ganz nah – und kann dort auch übernachten!
Socken aus!
In Ax-les-Thèrmes sprudelt und dampft es in allen Brunnen. Auf der Place Saint-Jérôme lehnen die Wintersportler Ski oder Board gegen die Fassaden, öffnen die Skistiefel, krempeln die Skihose, ziehen die Socken aus. Das Thermometer zeigt Minusgrade. Doch das Wasser dampft mit fast 40 Grad im länglichen Brunnen, belebt die müden Füße, wärmt den Körper wieder durch. Zufriedene Trägheit macht sich breit. Brunnen und Skigebiet trennt nur eine Gondel. Wenige Schritte entfernt schwebt die Bahn neben der tosenden Oriège steil bergan und erreicht die Bergstation von Ax-3 Domaines auf 1231 Metern Höhe, wo 17 Lifte 35 Pisten mit insgesamt 80 Kilometern Länge erschließen.

Das Besondere: An jedem Lift gibt es Abfahrten für alle Niveaus – so können Anfänger und Cracks, Kinder und Erwachsene einen Skitag genießen. Der Nachwuchs ist auch in den Bains de Couloubret willkommen, dem an die römische Antike angelehnten Wellnesstempel des Kurbades. Wem der Trubel im Badebereich mit seinen Wasserbett-Düsen, Wasserfällen und Massagestrahler zu viel wird, verzieht sich in den ersten Stock und genießt Dampfbad und Sauna in aller Ruhe. Oder badet im Außenbecken, wo der Dampf die Gesichter nahezu verdeckt.
Schon Bismarck…
Prachtbauten künden vom Boom des Badewesens in der Belle Époque. Begründet hatte sie eine Bäderstraße, die Napoleon III. beauftragt und 1859 mit großem Pomp eingeweiht hatte. Die Route Thermale sollte den Zugang zu den Heilbädern verbessern, die schon seit Jahrhunderten für ihre heilenden Eigenschaften bekannt waren. Politisch war die Thermalstraße ein Prestigeprojekt, das Frankreichs Modernisierung und Fortschritt demonstrieren sollte. 911 Kilometer lang führt die Panoramaroute vom Atlantik bis zum Mittelmeer durch die Pyrenäen, quält sich über 34 hohe Pässe – und wurde dank der Tour de France als Route des Cols weltberühmt. Ihre Ursprünge als Grande Route des Spas, wie sie im Zweiten Kaiserreich auch betitelt wurde, gerieten dabei in Vergessenheit. Nicht aber ihre Kurorte, die im Winter mit Ski & Spa locken.
Darauf setzt auch Bagnères-de-Luchon, das 2023 mehr als 20 Millionen Euro in die Modernisierung seines Kurbades investierte und sich den trendigen Wellnessbereich Ressource & Vous schenkte – samt Thermal- und Sonnenterrasse auf dem Dach. Schon Reichskanzler Bismarck, aber auch Flaubert und selbst Mata Hari zog es dieses Heilbad, in dem vor einer schneefunkelnden Kette 13 gletscherglänzender Dreitausender die stärksten Schwefelquellen der Pyrenäen sprudeln und Natur-Hammam Europas Gäste beim Sauna-Walk im Stollen schwitzen lassen. 150 Meter lang ist das Vaporarium in den Berg gebaut und setzt in unterirdischen Gängen mit gefilterte Thermalwasser eine berauschende Wärme von 38 bis 42 Grad frei. Erst schwitzen, dann baden, empfiehlt der Flyer.
Mit der Gondel hinauf
Im Kurbad der Schönen und Reichen hat alles seine Ordnung. Wohnen sie nicht in feudalen Villen dicht am Thermenviertel, haben sie sich vielleicht im 1922 eröffneten Grand Hôtel auf 1804 Metern Höhe einquartiert, das heute als Villages Clubs du Soleil traumhafte Ausblicke auf das Maladeta-Massiv mit dem Pico de Aneto (3.404 m) als höchster Spitze just jenseits der Grenze zu Spanien eröffnet. Hinauf zum Balkon der Pyrenäen führt nicht nur die frisch sanierte, kurvenreiche Zufahrtsstraße, sondern auch eine Gondel. In nur acht Minuten schwebt sie hinauf nach Superbagnères, dem Tor zu 28 Abfahrten und 35 km Piste, 4 km Loipe sowie Strecken zum Schneeschuhwandern. Cracks werden angesichts von sechs schwarzen Pisten eher enttäuscht, Anfänger und Genuss-Skifahrer umso begeisterter sein: zwei grüne, 13 blaue und sieben rote Pisten – da kann man die Bretter laufen lassen und immer neue Aussichten auf die traumhafte Bergwelt genießen!

Auch in Cauterets wird bereits seit Jahrhunderten gekurt. In der César-Therme bringt bis zu 60 °Celsius heißer, schwefelhaltiger Schlamm die Kurgäste zum Schwitzen. Wer jedoch nur warme Wasserfreuden genießen möchte, pilgert zum einstigen Kindersanatorium, heute als Bains du Rocher ein Wellnesstempel vom Feinsten: mit Natursteinwänden, die schneeweiße Kiesel schmücken, Jademosaik auf dem Fußboden und trendigen Umkleidekabinen in Weiß und Lindgrün. Eine Massage mit Jet-Strahl-Duschen vertreibt erste Ansätze von Muskelkater; das Bad im 38 °Celsius warmen Außenbecken weckt aussichtsreich Erinnerungen: Die Gipfel der alpinen Skischaukel Cirque du Lys sind zum Greifen nah. Auch hier schwebt direkt aus der Stadt über die Dächer der kleinen Bäderstadt und weiten Almen eine Gondel hinauf zur Bergstation, die seit ihrem Facelift vom letzten Jahr ein wahres Schmuckstück geworden ist: mit Kindergarten, Picknickbereich, Cafeteria und Restaurant im Hipster-Ambiente sowie großer Freiterrasse mit trendig-buntem Femob-Mobiliar, kostenlosem WLAN und Liegestühlen mit Paradeblick auf den Felskessel, dessen 23 sonnige Pisten mit 36 Kilometern Gesamtlänge sechs Lifte und drei „rollende Teppiche“ erschließen. Blaue und rote Abfahrten dominieren.
Ein unerwartetes Naturschauspiel
Langläufer und Schneeschuhwanderer zieht es zum Pont d’Espagne. 37 Kilometer gespurter Loipen von anderthalb bis zwölf Kilometer Länge folgen dort in 1.500 Meter Höhe dem Lauf der Gave, die gemeinsam mit Schmelzwasser und unterirdischen Zuflüssen den malerischen Lac de Gaube bildet. Auf der glatten Eisfläche des Bergsees spiegelt sich der Vignemale, mit 3.298 Metern höchster Gipfel der französischen Pyrenäen. Eisrinnen, Schluchten und Gletscher durchbrechen die Steilwand. Im späten Frühling ziehen Tourenskigänger über die Firnfelder an seinen Flanken. Tiefer im Tal schießt das Wasser der Gave über blankpolierte Felsen, tost und rauscht und inszeniert ein feuchtes Spektakel mit faszinierenden Kaskaden: ein Klein-Kanada in den Pyrenäen. Begeistert beobachte George Sand die Wasserfälle und schreibt in ihrem Reisetagebuch: „Die Pyrenäen haben mich verändert.“ Ähnliches erlebte Victor Hugo: „Unter dem Vorwand, mich in heißem Wasser zu baden und Schwefel zu trinken, erlebe ich jeden Tag ein neues Naturschauspiel. Unerwartet und wunderbar“, schwärmte Frankreichs Nationaldichter 1843. Und das gilt bis heute.
Die Autorin

Hilke Maunder, 1961 in Hamburg geboren, kam nach ihrem Anglistikstudium und Volontariat 1989 als Redakteurin zu den Lübecker Nachrichten in Mecklenburg, ging als Korrespondentin nach China, Vietnam, ins Baltikum und nach Australien und berichtet seit 2010 aus Frankreich. 2014 wurde sie für ihre Arbeit und ihren Blog „Mein Frankreich“ mit der Médaille de Tourisme ausgezeichnet, 2023 mit dem Gutedelpreis.