DR Kongo:
Frankreich und Deutschland können Druck ausüben

DR Kongo: Frankreich und Deutschland können Druck ausüben
  • VeröffentlichtFebruar 13, 2025
Demonstranten in Kinshasa greifen die französische Botschaft an, 28. Januar 2025
Demonstranten in Kinshasa greifen die französische Botschaft an, 28. Januar 2025 (Copyright: Alarmy)

Die Auseinandersetzungen, die den Kongo seit über 30 Jahren erschüttern, haben am 28. Januar einen neuen Höhepunkt erreicht. Seither mehren sich die Appelle an die internationale Gemeinschaft. Können Deutschland und Frankreich noch Einfluss auf den Ausgang des Konflikts nehmen?

 

Seit dem Scheitern des Dreiergipfels in Luanda (15. Dezember) zwischen den Präsidenten Félix Tshisekedi, Paul Kagame und João Lourenço sind die Kämpfe in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu wieder aufgeflammt. Der im August 2024 durch angolanische Vermittlung erreichte Waffenstillstand wurde gebrochen, und die M23 (Mouvement du 23 Mars/Bewegung des 23. März) festigte ihren Einfluss in Nord-Kivu. Dort besetzt sie nun ein doppelt so großes Gebiet wie das von ihr schon 2012 kontrollierte. Die Kämpfe erreichten dann auch Goma, eine Stadt mit über einer Million Einwohnern und fast ebenso vielen Binnenvertriebenen. Vor diesem Hintergrund entlud sich am 28. Januar in Kinshasa der Volkszorn – just in dem Moment, als die zweite Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage in der DRK stattfand.

 

Ist das Fass übergelaufen?

Die Demonstranten stürmten diplomatische Vertretungen westlicher Länder (Frankreich, Belgien, USA) und Afrikas (Ruanda, Uganda, Kenia) und auch einige Wirtschaftsagenturen. Sie säten Chaos und plünderten; all das erinnerte an die Wirren der 1990er Jahre. Diese Angriffe können entweder als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der ambivalenten Diplomatie der internationalen Gemeinschaft oder als gezielte politische Instrumentalisierung von Gewalt zur Stärkung eigener Verhandlungspositionen gesehen werden.

Ein Teil der kongolesischen Öffentlichkeit versteht nicht, dass keine Sanktionen gegen Ruanda verhängt werden: Mehrere Berichte der Vereinten Nationen belegen die Beteiligung dieses Landes an der Aggression und der Plünderung der Bodenschätze der DRK eindeutig. Die Schnelligkeit, mit der die internationale Gemeinschaft Russland als Reaktion auf die Aggression in der Ukraine sanktionierte, verstärkt das Gefühl einer „Solidarität mit variabler Geometrie“. In diesem Zusammenhang wirft auch die Ineffizienz der MONUSCO Fragen auf, die im Juli 2010 als Friedensmission der Vereinten Nationen mit der Aufgabe eingerichtet wurde, die Zivilbevölkerung vor bewaffneten Gruppen zu schützen. Die Beharrlichkeit, mit der diplomatische Initiativen auf eine Verhandlungslösung zwischen „Angreifern und Angegriffenen“ hinarbeiten, nährt zudem die wildesten konspirativen Theorien, insbesondere die einer internationalen Verschwörung zur Balkanisierung des Kongo. In einem nach den Wahlen von großer Gewalt des politischen Diskurses geprägten Umfeld ist es besonders leicht, das Gefühl des ohnehin schon stark ausgeprägten Überdrusses zu verschärfen. Mobilisierung gegen den äußeren Feind, kriegerische Rhetorik mit auf eigener Souveränität pochenden Gesten gegen „die Kandidaten der Ausländer“, zunehmende Verschlechterung der Sicherheitslage und Kritik an diplomatischen Phrasen: all das dient jenen als Werkzeug, die aus dem Chaos politisches Kapital schlagen wollen.

 

Die UN-Mission MONUSCO in Goma, 10. Januar 2025 (Copyright: Wikimedia Commons)
Die UN-Mission MONUSCO in Goma, 10. Januar 2025 (Copyright: Wikimedia Commons)

 

Auch der gezielte Angriff auf einige diplomatische Vertretungen deuten auf eine gezielt gesteuerte politische Agenda hin. Länder wie China und Russland, die Ruanda nicht explizit verurteilt haben, gerieten nicht ins Visier. Auch die Afrikanische Union, die immerhin einen direkten Dialog vorgeschlagen hatte mit der „politisch-militärischen Opposition“ (25. Januar) – eine Umschreibung für die Miliz M23 –, blieb unbehelligt.

 

Geschichte wiederholt sich

Es ist nicht das erste Mal, dass Aktivisten westliche diplomatische Vertretungen angreifen. Bereits im März 2023, während des Besuchs von Präsident Emmanuel Macron in der DRK, hatten Demonstranten die französische Botschaft angegriffen. Die Gewalt der letzten Jahre beschränkte sich nicht auf Botschaften. Im Dezember 2020, während der Spannungen innerhalb der FCC-CACH-Koalition (Front Commun pour le Congo – Cap pour le Changement) des Präsidenten Félix Tshisekedi und seines Vorgängers Joseph Kabila stürmten aufgebrachte Demonstranten mit einem ähnlichen Modus Operandi den Palast des Volkes und die Sitze der der Opposition nahestehenden Parteien.

Heute gibt es allen Grund, sich zu fragen, warum die Demonstrationen im Januar, die Sitzung des UN-Sicherheitsrats und die Warnung der kongolesischen Außenministerin Thérèse Kayikwamba Wagner vor der ‚Souveränität der Straße‘ im Falle eines Scheiterns des Rates genau am selben Tag zusammenfielen.

 

Unterschiedliche Wahrnehmungen

Während die französische Diplomatie Ruanda ausdrücklich verurteilt hat, sind einige der Ansicht, Paris tue nicht genug für die Demokratische Republik Kongo, das größte frankophone Land der Welt. Die sehr reservierte Haltung der Generalsekretärin für Frankophonie und ehemalige ruandische Informations- und Außenministerin (2009-2018) Louise Mushikiwabo sowie die Weigerung der Internationalen Organisation der Frankophonie, den von Kinshasa gestellten Antrag auf Sanktionen gegen Ruanda zu berücksichtigen, verstärken diese negative Wahrnehmung. In einem Kontext, in dem der „antifranzösische“ Diskurs in Westafrika an Boden gewinnt und der russische Antiimperialismus verherrlicht wird, lässt sich ein Teil der kongolesischen Jugend, die auf der Suche nach Orientierung ist, von diesen Dynamiken einnehmen. Dieser Einfluss ist umso stärker in einer Welt, in der digitale Desinformation und Fehlinformation den Zugang zu verlässlichen Informationen erschweren.

Deutschland wiederum fliegt unter dem Radar. Eine aktuelle Online-Umfrage (4.-9. Februar 2025) bringt es deutlich zum Vorschein:

  • 38% der Befragten sind der Meinung, Deutschland genieße in der DRK ein gutes Ansehen, aber 41,3% glauben, dass es sich nicht ausreichend an der Lösung des Konflikts beteiligt.
  • Zu Frankreich haben 57,7% der Befragten eine negative Meinung. Dennoch sind 57,7% der Befragten der Ansicht, Frankreich könne eine Schlüsselrolle bei der Friedensförderung spielen.

 

Welche Rolle können Deutschland und Frankreich spielen?

Félix Tshisekedi (Copyright: Wikimedia Commons)
Félix Tshisekedi (Copyright: Wikimedia Commons)

Am 30. Januar empfing Präsident Félix Tshisekedi in Kinshasa den französischen Europa- und Außenminister Jean-Noël Barrot – just in dem Moment, als Goma unter die Kontrolle der M23 fiel. Dem Besuch war ein Telefongespräch zwischen den Präsidenten Macron und Tshisekedi vorausgegangen. Welches Ziel verfolgte Barrot? Wollte er verhindern, dass die ‚Frustration‘ über den Fall der Millionenstadt Kinshasa zu einer Kriegserklärung gegen Ruanda führt – und damit einen regionalen Flächenbrand auslöst? Das erscheint durchaus plausibel. Frankreich hatte bei dem Besuch des angolanischen Präsidenten in Paris am 16. Januar seine volle Unterstützung für den Friedensprozess von Luanda zugesagt, und ohne starken diplomatischen Druck hätte die Verschlechterung der militärischen Lage jede diplomatische Lösung gefährden können.

Die um 24 Stunden verschobene Ansprache des Präsidenten Tshisekedi an die Nation (29. Januar) spiegelt die Ambivalenz wider zwischen dem Willen zum Krieg einiger Falken im Umfeld des Präsidenten und dem Bemühen, die Tür zum Dialog vor allem angesichts des diplomatischen Drucks offen zu halten. Mit der Abhaltung des gemeinsamen EAC-SADC-Gipfels (Communauté de l’Afrique de l’EstCommunauté de développement de l’Afrique australe, 8.-9. Februar 2025) scheint der Verhandlungsansatz für den Konflikt wieder die Oberhand über militärische Lösungen zu gewinnen. Frankreich und Deutschland verfügen ihrerseits über die notwendigen Druckmittel, um beide Seiten am Verhandlungstisch zu halten. Diese Instrumente könnten durch gezielte Wirtschaftssanktionen, insbesondere gegen Ruanda, gestärkt werden.

Die kongolesische Presse begrüßte Deutschlands Entscheidung, die Gespräche über seine Entwicklungshilfe für Ruanda auszusetzen (29. Januar). Abgesehen von dieser Initiative könnten Frankreich und Deutschland als Motoren Europas eine Katalysatorrolle innerhalb der Europäischen Union spielen, damit diplomatischer Druck, sei es durch Wirtschaftssanktionen, die Hoffnung auf den Friedensprozess aufrechterhält. Andernfalls könnte die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes die Konfrontation zum einzig möglichen Ausweg machen.

 

Übersetzung: Norbert Heikamp

 

Der Autor

Christian Ndombo Moleka (Copyright: privat)
Christian Ndombo Moleka (Copyright: privat)

Christian Ndombo Moleka ist der Nationale Koordinator von Dypol, dem nationalen Netzwerk der Politikwissenschaftler der DRK. Er ist außerdem Initiator und Direktor von Politoscope, dem ersten Instrument zur Überwachung der digitalen Gewalt und der öffentlichen Debatte in der DRK. Als Forscher und Berater für gute politische Regierungsführung und Sicherheit arbeitet er auch am CEPAS (Centre d’étude pour l’action sociale).

 

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