Flux Libre: Frankeich setzt auf E-Maut


Frankreich macht Schluss mit Staus an den Mautstationen – und setzt auf Flux Libre, der freien Fahrt mit E-Maut. Doch wie funktioniert das genau? Wo wird die Maut schon digital erfasst? Und worauf müssen Autofahrer achten, um nicht in die Bußgeldfalle zu tappen?
Die Einführung der elektronischen Maut (E-Maut) oder des péage en flux libre in Frankreich revolutioniert das Autobahnnetz und verspricht einen schnelleren Verkehrsfluss. Vor allem in Ferienzeiten stauen sich die Fahrzeuge oft kilometerweit vor den Mautstationen. Wer beispielsweise im Sommer aus Paris in die Normandie oder aus Lyon in Richtung Mittelmeer fährt, kennt das Problem an den Mautstellen. Doch mit der neuen Technologie soll sich das ändern.
Wie funktioniert die E-Maut?
Anstelle von Schranken und Zahlstellen gibt es Mautbrücken mit Kameras und Sensoren. Sie erfassen automatisch das Kennzeichen der vorbeifahrenden Fahrzeuge. Die Zahlung erfolgt am einfachsten über eine zuvor registrierte Mautbox (badge télépéage). Bereits 1992 wurden die kleinen Sensoren für Frankreichs Mautschranken eingeführt. Einige Jahre später folgte mit Liber-T ein kleiner Luxus bei der Mautschranke: Auf diesen „Tempo 30 Spuren“ oder „t30″-Fahrspuren kann man seitdem ohne Halt die Mautschranke durchfahren. Diese Option lassen sich die Mautboxen-Anbieter bezahlen. Die Kosten variieren je nach Anbieter und Nutzungsmodell. Beispielsweise bietet Bip & Go eine Pauschale ab 1,90 € pro Monat an, während andere Anbieter prozentuale Aufschläge auf die Mautgebühren berechnen.
Der Markt der Mautboxen ist hart umkämpft. Mehrere Anbieter umwerben die Kunden. Bip&Go bietet Lösungen für Privat- und Geschäftskunden an und deckt neben Frankreich auch Spanien, Portugal und Italien ab. Es gibt verschiedene Abonnementmodelle, darunter einen À-la-carte-Tarif für Gelegenheitsnutzer. Fulli bietet mit Fulli Nomade eine Mautbox für Frankreich, Spanien und Portugal an, während Fulli Nomade+ zusätzlich Italien abdeckt. Auch der ADAC vertreibt eine Mautbox für Frankreich, ebenso wie der Touring Club Schweiz (TCS), der Télépéage-Badges in den meisten TCS-Kontaktstellen anbietet. Das bayrische Unternehmen Maut1.de bietet zudem Mautboxen für Wohnmobile an.
Wer keine Mautbox besitzt, findet an den Ausfahrten meist spezielle Terminals zum Bezahlen. Auch eine Online-Zahlung auf der jeweiligen Webseite des Autobahnbetreibers ist möglich. Allerdings sind beide Optionen für Gelegenheitsnutzer eher kompliziert, da eine zentrale Webseite für Free-Flow-Mautzahlungen fehlt. Wer innerhalb von 72 Stunden nicht zahlt, muss mit hohen Strafen rechnen. Die Bußgelder können zwischen 90 und 375 Euro betragen.
Technisch setzt das System auf mehrere Verfahren. Die ANPR-Technologie (Automatic Number Plate Recognition) sorgt für die automatische Erfassung der Nummernschilder. Ergänzt wird dies durch die Mikrowellentechnik DSRC (Dedicated Short-Range Communication), die eine direkte Kommunikation zwischen Fahrzeug und Mautstation ermöglicht. In Zukunft sind auch GPS-gestützte Systeme denkbar, die eine flexible Erhebung von Mautgebühren erlauben.
Wo ist die E-Maut bereits aktiv?
Frankreich treibt die Umstellung auf das neue System voran. Erste Strecken sind bereits umgestellt:
- A79 (Montmarault – Digoin, 88 km): Diese Strecke diente seit 2022 als erste Teststrecke für die E-Maut.
- A4: Ein Abschnitt bei Boulay (Moselle) zwischen Saarbrücken und Metz nutzt bereits das System.
- A13/A14 (Paris – Caen): Seit Dezember 2024 ist diese Verbindung vollständig auf Free Flow umgestellt.
In den kommenden Jahren wird das System weiter ausgebaut:
- 2025: A69 (Castres – Toulouse, 53 km) und A412 (Machilly – Thonon, frühestens 2026).
- Bis 2029: Achsen um Lyon und Grenoble (A41 Nord, A410, A43, A48, A49) sowie das Teilstück der A40 (Passy – Annemasse bis 2027).
Langfristig ist geplant, das gesamte französische Autobahnnetz auf E-Maut umzustellen.

Wer betreibt die Autobahnen in Frankreich?
Das französische Autobahnnetz umfasst rund 12.000 Kilometer, wovon der Großteil mautpflichtig – 2025 sind es genau 9.048 Kilometer.
Mautfrei sind
- A35: Elsass, von der deutschen Grenze bis Mulhouse und weiter nach Basel.
- A31: Abschnitt von der luxemburgischen Grenze bis Nancy.
- A36: Von Mandeure bis Bessoncourt.
- A28: Zwischen Abbéville und Rouen.
- A20: Zwischen Vierzon und Brive-la-Gaillarde.
- A84: Von Caen bis Rennes.
- A75: Zwischen Clermont-Ferrand und Pézenas/Montpellier (außer der Brücke von Millau).
- A63/A660: Abschnitt zwischen Bordeaux und Arcachon.
- A34: Zwischen Sedan und Reims.
Weitere mautfreie Abschnitte existieren in städtischen Umfahrungen (z. B. Lyon, Bordeaux, Toulouse) sowie in Regionen wie der Bretagne oder Lothringen.
Frankreichs mautpflichtiges Autobahnnetz wird von drei Hauptgesellschaften verwaltet, die zusammen den Großteil des Netzes unterhalten. Vinci Autoroutes (ASF, Cofiroute, ESCOTA und Arcour) ist mit etwa 4.385 Kilometern der größte Betreiber und deckt vor allem den Südwesten und Südosten Frankreichs ab. Autoroutes du Sud de la France (ASF) verwaltet etwa 2.714 Kilometer, vor allem im Süden und Südwesten Frankreichs. Die Sanef (Société des Autoroutes du Nord et de l’Est de la France) betreibt etwa 1.743 Kilometer, hauptsächlich im Norden und Osten Frankreichs. Weitere Teile des Autobahnnetzes managen kleinere Gesellschaften wie AREA, APRR oder ATMB.
Vor- und Nachteile der E-Maut
Die Einführung des neuen Systems bringt mehrere Vorteile mit sich. Der größte ist die Zeitersparnis. Autofahrer müssen nicht mehr anhalten, was den Verkehrsfluss verbessert und Staus reduziert. Dies spart Kraftstoff und senkt die CO₂-Emissionen. Experten gehen davon aus, dass Frankreich durch die Umstellung jährlich bis zu 9,5 Millionen Liter Kraftstoff und 30.000 Tonnen CO₂ einspart. Auch die Sicherheit profitiert: Auffahrunfälle an Mautstationen, wie sie alljährlich für Negativschlagzeilen sorgen, gehören der Vergangenheit an. Zudem wird die Zahlung für Vielfahrer bequemer, da die automatische Abbuchung über Mautboxen oder Kennzeichenerkennung läuft.
Kritiker bemängeln vor allem die hohen Bußgelder bei versäumter Zahlung. Besonders Touristen oder Gelegenheitsnutzer, die nicht mit dem System vertraut sind, könnten Probleme bekommen. Datenschutz ist ein weiteres Thema: Die automatische Erfassung von Fahrzeugen wirft Fragen zur Privatsphäre auf. Zudem gibt es technische Herausforderungen. Fehlerhafte Kennzeichenerkennung oder Störungen im System könnten zu ungerechtfertigten Forderungen führen. Auch sozial gibt es Bedenken: Weniger technikaffine oder ältere Menschen könnten Schwierigkeiten mit der Online-Bezahlung haben.
Wer zahlt – und wer profitiert?
Die Mautkosten variieren je nach Betreiber, Strecke und Fahrzeugklasse – und sind in den letzten zehn Jahren um satte 22 % gestiegen. Im Durchschnitt kostet ein Kilometer auf französischen Autobahnen etwa 10 Cent. Von 100 Euro Mautgebühren verbleiben den Betreibern zwischen 20 und 24 Euro als Nettogewinn. Ihre Einnahmen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen – von 6,9 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 11,9 Milliarden Euro im Jahr 2023. Kritiker werfen den Betreibern jedoch vor, dass die gestiegenen Mautgebühren nicht immer im Verhältnis zur Qualität der Infrastruktur stehen. Besonders für Vielfahrer und Pendler bedeutet die flächendeckende Einführung der E-Maut auf Dauer eine höhere finanzielle Belastung. Zwar versprechen die Betreiber eine Modernisierung des Autobahnnetzes, doch viele Autofahrer befürchten, dass die steigenden Gewinne nicht in ausreichendem Maße in die Infrastruktur reinvestiert werden.
Der Sommer als Testprobe
Die Einführung der elektronischen Maut revolutioniert das französische Autobahnnetz. Doch die Umstellung auf Flux Libre ist nicht nur ein technisches Projekt, sondern auch ein gesellschaftliches Experiment. Die Vorteile – Zeitersparnis, Umweltschutz und Sicherheit – sind unbestreitbar. Doch das System hat auch Schattenseiten – von Datenschutzbedenken bis zu technischen Hürden. Besonders für Touristen und Gelegenheitsfahrer ist die fehlende zentrale Bezahlplattform problematisch. Der Sommer 2025 wird zur ersten Testprobe.
Die Autorin

Hilke Maunder, 1961 in Hamburg geboren, kam nach ihrem Anglistikstudium und Volontariat 1989 als Redakteurin zu den Lübecker Nachrichten in Mecklenburg, ging als Korrespondentin nach China, Vietnam, ins Baltikum und nach Australien und berichtet seit 2010 aus Frankreich. 2014 wurde sie für ihre Arbeit und ihren Blog „Mein Frankreich“ mit der Médaille de Tourisme ausgezeichnet, 2023 mit dem Gutedelpreis.