Vertrag von Nancy:
Frankreich und Polen setzen Zeichen für Europas Sicherheit


Am Freitag unterzeichnen Emmanuel Macron und Donald Tusk in Nancy einen umfassenden polnisch-französischen Freundschafts- und Sicherheitsvertrag. Der Vertrag erneuert die strategische Partnerschaft, die beide Länder 2008 eingegangen waren und stellt die Weichen für eine verstärkte Kooperation im Format Weimarer Dreieck und darüber hinaus.
Der Vertrag ist das Ergebnis eines Prozesses, den Präsident Macron bereits im Februar 2020 bei seinem Besuch in Warschau angestoßen hatte – der jedoch aufgrund der Spannungen zwischen Paris und der PiS-Regierung nicht realisiert werden konnte. Nach dem Wahlsieg der Mitte-Links-Opposition unter Donald Tusk wurde die Arbeit wiederaufgenommen. In der Zwischenzeit hatte Macron seine Einstellung zu Russland überdacht und auf dem Globsec-Forum in Bratislava (31. Mai 2023) den osteuropäischen Ländern mehr Augenhöhe zugesichert – ein längst überfälliges Versprechen.
Der französische Präsident hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl bilateraler Abkommen und Verträge mit EU- und nicht EU-Staaten abgeschlossen: mit Deutschland im Januar 2019, Griechenland im September 2021, Italien im November 2021, und Spanien im Januar 2023. Die im März 2023 mit Großbritannien vereinbarte „Détente cordiale“ folgte derselben Logik. Osteuropa blieb bislang außen vor. Mit dem Vertrag von Nancy wird dieses geopolitische Puzzle um ein entscheidendes Teil ergänzt.
Gleichzeitig eröffnet der Vertrag die Chance, das oft kritisierte Weimarer Dreieck auf ein neues Fundament zu stellen. Macron, Tusk und der neue Bundeskanzler Friedrich Merz zeigten sich gestern in Paris und Warschau entsprechend entschlossen. Nun geht es darum, Fakten zu schaffen und möglichst rasch die Arbeit an jenem deutsch-polnischen Vertrag aufzunehmen, den Merz bereits im Wahlkampf angekündigt hatte.
Die Erwartungen in Polen sind besonders hoch: Man hoffe auf einen qualitativen Sprung in den deutsch-polnischen Beziehungen – ähnlich dem, den Deutschland und Frankreich mit dem Élysée-Vertrag und dem Vertrag von Aachen gemacht haben, sagte kürzlich der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Tombiński. Viel steht auf dem Spiel, denn Polen fungiert gleichzeitig als Bindeglied zur Staatengruppe Nordic-Baltic 8, einer sicherheitspolitisch stark vernetzten Allianz, die sich selbst gerne als „Faust“ bezeichnet. Gerade vor diesem Hintergrund kommt dem deutsch-polnischen Verhältnis eine strategische Schlüsselrolle zu – nicht nur bilateral, sondern auch im trilateralen sowie gesamteuropäischen Kontext
Die Zeiten der deutsch-französisch-polnischen Sprachlosigkeit könnten bald vorbei sein. Der Vertrag von Nancy markiert einen Meilenstein – und den Beginn einer Dynamik, die das Potenzial hat, die sicherheitspolitische Architektur des Kontinents nachhaltig zu stärken.
Der Autor

Landry Charrier ist Absolvent des Collège des Hautes Études de l’Institut diplomatique in Paris, Mitglied der CNRS-Forschungseinheit SIRICE (Sorbonne Université, Paris), Associate Fellow am Global Governance Institute (Brüssel) sowie am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er ist Ko-Produzent des Frankreich-Podcasts „Franko-viel“ sowie Redaktionsleiter von dokdoc.