Template: single.php

Zeichen der Hoffnung

Ein Leuchtturm in finsteren Zeiten

Ein Gespräch mit Michel Rychlinski

Copyright: Depositphoto

12. Juli 2024

In einer Welt, die zunehmend durch den Aufstieg des Rechtsextremismus geschädigt wird, feiert der Künstler Michel Rychlinski die Einheit Europas, Toleranz und Menschlichkeit. Seine Musik ist eine Botschaft der Hoffnung, von Köln, wo er arbeitet, bis nach Frankreich, wo er sich ebenfalls stark engagiert.

dokdoc: Was hat Sie bewogen das Ensemble „Les Lumières“ zu gründen?

Michel Rychlinski: Ich habe 2018 das Ensemble gegründet, weil es damals eine ähnliche Zeit wie heute war. Die AfD und der Front National, heute Rassemblement, waren sehr stark. Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich, dass diese Parteien zu einer Gefahr für Europa werden konnten. Ich habe mit verschiedenen Institutionen darüber gesprochen und auch mit europäisch veranlagten Menschen, die mir gesagt haben: ich brauche mir keine Sorgen zu machen, wir seien in Europa und hier herrsche Frieden. Mein Bauchgefühl sagte mir etwas anderes. Ich wollte nicht eines Tages als Künstler und Mensch aufstehen und mir sagen müssen, dass ich nichts unternommen habe. Das war die Gründungsidee des Ensembles.

dokdoc: Was für ein Konzept verbirgt sich hinter dem „Les Lumières“?

Rychlinski: Unser Thema ist in allen Bereichen die deutsch-französische Freundschaft, das spiegelt sich in unserem Programm wider. Das ist mein Bestreben als Franzose: Ich lebe in Deutschland und versuche hier meine französische Kultur den Menschen näherzubringen. Wenn ich in Frankreich bin, versuche ich ebenso, die Vorzüge des Lebens in Deutschland dort zu zeigen. Das lief gut und dann kam Corona.

dokdoc: Was hat die Pandemie für Ihr Projekt bedeutet?

Michel Rychlinski

Rychlinski: Mit einem Orchester konnte ich unter den damaligen Bedingungen nicht proben, das Konzept musste daher geändert werden. Wir haben mit kleineren Kammermusik-Gruppen begonnen, ich habe meinerseits einen Laienkammerchor gegründet. Das ermöglicht uns heute, auf der Ebene der Zivilgesellschaft Projekte durchzuführen. So sind wir beispielsweise vor zwei Jahren mit dem Freundeskreis Köln-Lille nach Lille und Douai gefahren und haben dort zwei unvergessliche Konzerte gegeben, zusammen mit der ukrainischen Pianistin Natalia Vetrova. Wir haben zudem noch ein professionelles Vokalensemble mit 12 Sängerinnen und -sängern in Leben gerufen. Wir sind heute demnach breiter aufgestellt als vor der Pandemie. Neben dem Vokalensemble und dem Laienkammerchor wollen wir zudem junge Profi-Ensembles nach dem Studium zu unterstützen und bieten ihnen eine Plattform, um sich zu präsentieren und profilieren.

dokdoc: Wie sind Sie auf den Namen „Les Lumières“ gekommen?

Rychlinski: Das Ensemble leitet seinen Namen vom „Siècle des Lumières“, dem Zeitalter der Aufklärung, ab. Dessen Zeitgenossen beriefen sich auf die Vernunft, mit der man überholte Vorstellungen und Ideologien überwinden wollte. Die Gründer glauben an die Aktualität dieser Idee im Zeitalter eines wieder aufkeimenden Nationalismus und Separatismus. Es geht dabei auch darum, Wissen zu vernetzen, seine eigene Geschichte und Kultur mitzubringen und mit anderen zu teilen, ähnlich den Enczklopädisten, Diderot, d’Alembert und den 150 Autoren, dieses damals an diesem Projekt beteiligt haben. Unser Logo spiegelt diesen Gedanken wider. Es zeigt einen großen Punkt im Zentrum. Das ist die Idee und dann wird diese Idee weitergegeben und weitervermittelt als eine Art europäische Vernetzung oder Völkerverständigung.

dokdoc: Sie sind in Frankreich geboren und leben heute in Deutschland. Was hat dazu geführt, dass Sie von Frankreich nach Deutschland gegangen sind?

Rychlinski: Ich habe im Konservatorium Douai in Nordfrankreich Musik studiert und wusste irgendwann, dass ich Organist werden möchte. Mein Orgellehrer Jean-Pierre Rolland hat mir die Kirchenmusik gezeigt und er sagte mir, es gebe in Köln einen französischen Professor, Thierry Mechler, der als Orgelkustos für die Philharmonie arbeite. Ich war erleichtert, jemanden gefunden zu haben, der meine Sprache spricht und zugleich innovative pädagogische Ansätze verfolgt. Als Elsässer hat er die deutsche und französische Kultur in seiner Pädagogie verschmolzen, so war er imstande eine neue musikalische Welt zu schaffen. Thierry Mechler unterrichtet seit nunmehr fast 30 Jahren und ich bin in all den Jahren der einzige Franzose in seiner Klasse gewesen, der Kirchenmusik studiert hat. Das Kirchenmusikstudium existiert in dieser Form nur in Deutschland. Damit war auch klar, dass ich beruflich nur in Deutschland Arbeit finden werde.

dokdoc: Welche Art von Musik spielt das Ensemble und welchen Komponisten bieten sie einen entsprechenden Rahmen?

Rychlinski: Ich persönlich bin in der klassischen Musik beheimatet und als Musiker versuche ich mich, in diesem klassischen Repertoire zu bedienen. Auch wenn nicht jeder Komponist automatisch ein deutsch-französisches oder europäisches Element mit sich bringt, entsteht um das Programm meistens eine solche Geschichte. Wir haben beispielsweise Musik von Felix Mendelssohn aufgeführt. Mendelssohn ist viel gereist und bringt ein großes Potential für das Thema Europa mit, aber nicht unbedingt für Deutschland und Frankreich. Wir haben dies aber in Kooperation mit einem französischen Musiker aus Lothringen gemacht: Olivier Schmitt, Komponist, Organist und Musikwissenschaftler, ist Spezialist im Bereich der Musik des 19. Jahrhundert. Mit Olivier Schmitt haben wir die Walpurgisnacht aufgeführt. Er hat das Stück für den Kammerchor transkribiert.

Konzert des Profi Vokalensemble in Düsseldorf im Rahmen des IDO Festivals

dokdoc: Sie haben zu Beginn gesagt, dass der Aufstieg des Front bzw. Rassemblement National und der AfD ausschlagegebend bei der Gründung des Ensembles war. Was benötigt es aus ihrer Sicht als Musiker und Franzose in Deutschland, um diesem Rechtsruck entgegenzuwirken?

Rychlinski: Menschen sind unzufrieden und davon gibt es sowohl in Frankreich als auch in Deutschland viele. Es mag sein, dass das Leben im Moment nicht so rosig ist, unsere beiden Länder bieten aber nach wie vor sehr gute Lebensbedingungen. Positives müsste viel mehr kommuniziert werden. Medien spielen hier eine wichtige Rolle. Wir müssen mit all den Unzufriedenen reden und Projekte umsetzen, um sie mit demokratischen Konzepten zu überzeugen und zurückzugewinnen. Wir scheinen verlernt zu haben, einander zuzuhören und faktenbasiert Kritik zu äußern. Diese Diskussionskultur muss in der Schule erlernt werden. Das fängt aber bereits im Kreis der Familie an. Wir brauchen Begegnungen, in den Städtepartnerschaften, bei Fußball, in der Musik wie bei unserem Ensemble. Kulturelle Bildung kann ein Leuchtturm in finsteren Zeiten sein.

dokdoc: Und was könnte man im Musikbereich tun?

Rychlinski: In Krisenzeiten braucht man Helden, egal ob politisch oder gesellschaftlich, im Sport oder in der Kultur. Man braucht eine Referenz. In diesem Bereich sollte man einmal überdenken, ob man mehr in die Spitzenförderung im Sport und in der Kultur investiert. Kylian Mbappé ist ein gutes Beispiel hierfür. Wenn er sich zum Thema Rechtsextremismus äußert, dann hören die Menschen zu. Ich arbeite als Geschäftsführer für den Verein zur Förderung von Landesjugendensembles NRW e.V. Dieser Verein spielt eine wichtige Rolle im Bereich der kulturellen Bildung. Dort gibt es jugendliche „Helden“, die andere junge Musikerinnen und Musiker inspirieren und ihnen neue Perspektiven aufzeigen. 

dokdoc: Was ist für Sie der bisher größte Erfolg des Ensembles?

Rychlinski: Der größte Erfolg ist, dass wir als neu gegründetes Ensemble die Corona-Krise überlebt haben. Wir haben zeitweise auf dem Dach eines Parkhauses geprobt. Ich hoffe, dass unsere Musik viele Menschen erreichen und ihnen Mut geben wird, ähnliche Dinge in ihrem Bereich zu entwickeln. Wir brauchen mehr Emotionen, ein positiv besetztes Europabild. „Les Lumières“ ist ein schönes Projekt und es macht mir Spaß, musikalische Projekte mit jungen Menschen zu entwickeln. Übrigens tut mir das persönlich gut. Unsere Programme und Ideen zielen darauf ab, mehr Menschen für Europa und Kulturverständigung begeistern zu können. Jede Kultur verdient es, gleichberechtigt entdeckt und erlebt zu werden. Auch das ist unsere Botschaft.

Das Gespräch führte Tanja Herrmann

Unser Gast

Michel Rychlinski: Verein zur Förderung von Landesjugendensembles NRW e.V

Michel Rychlinski, geboren 1983 in Lesquin (Frankreich), ist ein französischer Musiker und Kulturmanager in NRW. Er gründete den Kölner Verein Les Lumières und leitet seit 2022 leitet den Verein zur Förderung von Landesjugendensembles NRW e.V. Er setzt sich insbesondere für die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen ein und glaubt an die Idee der Aufklärung in Zeiten des aufkeimenden Nationalismus und Separatismus.

Weiter zum Thema

Webseite des Ensembles „Les Lumières“ : Das Ensemble – Ensemble Les Lumières | Internationalität, Professionalität (les-lumieres.eu).

Webseite des Vereins zur Förderung von Landesjugendensembles NRW e.V.: Landesjugendensemble NRW – Förderung junger Musiker*innen (lje-nrw.de).

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial