Fettnäpfchenführer
Fettnäpfchenführer: Frankreich für Anfänger
9. November 2019
Den „Fettnäpfchenführer Frankreich“ gibt es seit 2011, und er verkauft sich offensichtlich gut: 2019 erschien bereits die 6., komplett überarbeitete und aktualisierte Ausgabe. Seine Devise: „Treten Sie mit Genuss und Eleganz in die schönsten Fettnäpfchen!“
Das imaginäre Ehepaar Eva und Manfred (Manni) aus (dem ehemaligen Ost-) Berlin fährt mit seinem 15-jährigen Sohn Anton im Campingbus nach Frankreich, um dort in der Bretagne Urlaub zu machen und in Paris Tochter Paula zu besuchen, die als Au-pair in einer französischen Gastfamilie lebt. Dabei tritt die ganze Familie in allerlei für Frankreich typische Fettnäpfchen, die in 46 Kapiteln ausführlich beschrieben und erläutert werden („Was ist diesmal schiefgelaufen?“ „Was können Sie besser machen?“): fehlende Tischmanieren und Esskultur (z. B. Melone mit den Fingern essen, Champagner im Bar-tabac bestellen), Benimmregeln missachten (z. B. im Restaurant oder Café getrennt zahlen), Verkehrsverstöße (z. B. an einer gelb gestrichelten Linie parken) usw.
Peinlich, peinlich
Mitunter merken Eva und Manni, Paula und Anton gar nicht, dass oder wie sehr sie sich daneben benehmen, da ihnen französische Regeln und soziale Codes unbekannt sind. Etwa als Eva und Manni sich zu einem flirtenden Paar an den Tisch im Café setzen, das daraufhin fluchtartig das Lokal verlässt, oder Paula ihrer Gastmutter gegenüber den ökologischen Zeigefinger erhebt. Mitunter verstehen sie nur Bahnhof (seule la gare comprend): so bedeutet mettre les pieds dans le plat ins Fettnäpfchen treten und keineswegs die Füße auf den Teller stellen. Quelle honte (statt quel blamage)!
Ein Lesezeichen erinnert in aller Kürze an die nach Meinung der Autorinnen zehn wichtigsten „to DOs“ (z. B. als Mann immer im Stehen pinkeln) und „DON’Ts“ (z. B. beim Begrüßungsküsschen schmatzen).
Durch die Dichte und Fülle der Fehltritte und No-gos wirkt die fiktive Handlung etwas konstruiert; manche Blamage ist durchaus erklärungsbedürftig (z. B. dass man Hallo nur am Telefon sagt), andere verstehen sich von selbst (z. B. dass man sich beim Aperitif nicht mit Champagner betrinkt); einige gelten ebenso in anderen Ländern (z. B. dass man nicht wildpinkelt) und auch in Deutschland (z. B. dass Gäste nicht die Schuhe ausziehen). In die meisten der beschriebenen Fettnäpfchen dürfte man – so sie einem denn bewusst (gemacht) werden – ohnehin nur einmal treten (etwa die Télépéage an der Mautstation ohne Abo anzusteuern).
Für Frankreich-Anfänger ist dieser Fettnäpfchenführer durchaus eine nützliche Hilfe: viele Fallen vergisst man nicht und wenn doch, findet man sie dank übersichtlicher Kapiteleinteilung schnell wieder.
Frankreich für Fortgeschrittene
Denjenigen, die Frankreich (halbwegs) kennen, vermittelt er allerdings nur wenig neue Erkenntnisse. Sie bräuchten einen Fettnäpfchenführer „Frankreich für Fortgeschrittene“.
Darin könnte zum Beispiel als Info über Bußgelder für Verkehrsverstöße auf französischen Straßen stehen, dass die französischen Behörden das Recht, aber wenig Interesse daran haben, sie in Deutschland vollstrecken zu lassen: das Geld bleibt nämlich in Deutschland (und umgekehrt).
Bettina Boujou und Johanna Links, Fettnäpfchenführer Frankreich, C’est la vie, aber wie? Conbook, Neuss, 2019, 285 Seiten