Von Joséphine Baker bis Babel
Paris ist ein Chanson
2. Juni 2021
Peu à peu öffnet sich Paris nach dem zweiten Corona-Lockdown wieder. Bis zur in Aussicht gestellten und sehnsüchtig erwarteten Rückkehr zur „Normalität“ Ende Juni 2021 kann man sich schon einmal mit Paris-Chansons in Stimmung bringen. Hier ist meine sehr persönliche Auswahl.
Der absolute Klassiker, 1930 von Joséphine Baker (die 1937 die französische Staatsangehörigkeit annimmt) uraufgeführt. Eine Hymne an die (auch sexuelle) Freiheit, geschrieben von Géo Koger und Henri Varna.
Erinnert mit seinen Akkordeon-Klängen an die Straßenmusikanten von Paris. 1951 Titelmusik des gleichnamigen Films von Julien Duvivier; ursprünglich von Jean Bretonnière gesungen. Besonders bekannt: die Einspielung von Juliette Gréco; zahlreiche weitere Interpretationen: von Édith Piaf, Yves Montant, Michel Legrand und später Mireille Mathieu und Isabelle Aubret. 2014 vertont ZAZ das Stück.
Mit „Des petits trous“ (kleine Löcher) in Metro-Tickets gelang Serge Gainsbourg der ganz große Durchbruch: es handelt sich um die Geschichte eines Fahrkartenentwerters in der Metrostation Porte des Lilas Ende der 1950er Jahre. Zahlreiche Interpretationen; die Frères Jacques standen mit ihrer Version bereits im Erscheinungsjahr 1958 auf der Bühne.
Immer wieder wurden und werden auch Gedichte vertont, in denen Paris im Mittelpunkt steht. Beispiel: Le Pont Mirabeau von Guillaume Apollinaire. U. a. Serge Reggiani (1972), Marc Lavoine (2001), Leo Ferré (1953) haben es musikalisch interpretiert.
Charles Aznavour 1965 über seine Zeit auf Montmartre, „un temps que les moins de 20 ans ne peuvent pas connaître“ (eine Zeit, die die unter 20-Jährigen nicht kennen können); „Nous ne mangions qu’un jour sur deux“, singt Aznavour (wir aßen nur an einem von zwei Tagen); „Moi qui criait famine- Et toi qui posais nue“ (Ich, dessen Magen knurrte – und Du, der Du Akt gesessen hast).
Il est cinq heures, Paris s’éveille
„Es ist fünf Uhr, Paris erwacht“ entstand nach einem gemeinsamen Diner der Freunde Jacques Dutronc, des Journalisten Jacques Lanzmann und seiner Frau Anne Ségalen, die sich von Marc-Antoine-Madeleine Désaugiers Tableau de Paris à cinq heures du matin (1802!) inspiriert fühlten. Roger Bourdin, Lanzmanns und Dutroncs Freund von der Plattenfirma Vogue, begleitete sie auf seiner Querflöte und am Morgen stand das Arrangement. Motto (im März 1968!): „Fais pas ci, fais pas ça“ (Tu nicht dieses, tu nicht jenes). Zwei Monate später brachen in Paris die Unruhen aus.
Zahlreiche Interpretationen, 1969 von Bob Telden auch auf Deutsch: Berlin erwacht.
Das Original von Joe Dassin aus dem Jahr 1969 ist – ähnlich wie Sous le ciel de Paris von Edith Piaf – ein echter Ohrwurm, den man nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Eines der bekanntesten Chansons über Paris; Neuinterpretation von ZAZ 2014.
Der Song der Band Louise Attaque war Teil ihres ersten Albums (1997), das sich 3 Millionen Mal verkauft hat. Eine neue und andere Art von Rock: mit originellem Text, stimmungsvoller Musik und packenden Live-Auftritten desSängers Gaëtan Roussel.
Die israelische Singer-Songwriterin Riff Cohen, Tochter einer algerisch-französischen Mutter und eines tunesischen Vaters, überwindet in ihrer Musik kulturelle Grenzen; ihr erstes Album À Paris (2011) ist eine Mischung aus orientalischem Pop-Rock, rhythmischen Klängen und französischem Songtext. Das gleichnamige Lied ist eine sehr individuelle Hommage an Paris, wo sie seit 2008 lebt. À Paris ist auch ein Stück vom vielleicht größten Paris-Poeten des Chansons, Francis Lemarque (Les rues de mon quartier), der es für Yves Montand geschrieben und später selbst gesungen hat wie viele andere auch.
Eine Interpretation von Vanessa Paradis und Mathieu Chedid aus dem Jahr 2011 für den Soundtrack des Films Un monstre à Paris. In dem Animationsfilm verleiht das Monster der Kabarett-Besitzerin und Sängerin Lucille buchstäblich Flügel. „La Seine“ ist Synonym für Paris und die (homophone) „scène“ (die Bühne). Bibo Bergeron gewinnt im Februar 2012 die Victoire de la musique für den von ihm dazu produzierten Video-Clip.
ZAZ (Isabelle Geffroy) reiht sich in eine lange Tradition ein und interpretiert 75 Jahre nach Maurice Chevalier Paris sera toujours Paris neu (geschrieben 1939 von Albert Willemetz und Casimir Oberfeld) – eine Liebeserklärung an die französische Hauptstadt („la plus belle ville du monde“ / die schönste Stadt der Welt).
Weitere Interpretationen hat sie in ihrem 2014 veröffentlichten Album Paris gewidmet: La romance de Paris und J’aime Paris au mois de Mai. Dort erschienen auch einige ihrer eigenen Chansons, z. B. Dans mon Paris.
Revoir Paris ist ein Chanson von Charles Trenet aus dem Jahr 1947; vierzig Jahre danach steht er im Théâtre des Champs-Elysées erneut damit auf der Bühne. Benjamin Biolay interpretiert es 2015 auf sehr eigenwillige Art neu.
In einem sehr dynamischen und an die heutige Zeit angepassten Musik-Clip interpretiert Babel (2016) den Klassiker von Jacques Brel La valse à mille temps (1959) – ein „crescendo brélien“, in dem Paris das Tempo vorgibt.
Erfrischend, herzzerreißend oder melancholisch – diese poetischen Lieder sind für die Ewigkeit. Es ist Zeit, sie wieder anzuhören oder sie zu entdecken und nichts wie ab nach Paris!