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Joséphine Baker

Im Panthéon

Cornelia Frenkel

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Thibault Camus

30. November 2021

Die andere Freiheitsstatue, eine „Ikone der Befreiung“ (arte) – als sechste Frau und erste Schwarze wurde Joséphine Baker in das Pariser Panthéon aufgenommen. Ihre Tänze gingen wie ihre Kämpfe unter die Haut.

Wer im Panthéon angelangt, muss einmalig sein, so wie Joséphine Baker (1906–1975), die hier seit dem 30. November 2021 einen Platz hat, als sechste Frau neben 75 Männern und als erste Schwarze. Frausein allein war für sie allerdings kein Programm, ihre Ziele waren höhergesteckt. Die afro-amerikanische Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin, die skandalös im Bananenröckchen auftrat und als „Schwarze Venus“ gerühmt wurde, war von Anfang an auch eine idealistische Kämpferin, die gekonnt mit weiblichen Stereotypen spielte und einen neuen Stil erfand, der vom Charleston über burleskes Augenrollen bis zum widerspenstigen Verführungsritual reichte.

Sie zeigte Charme und Humor, Körperbeherrschung, Ideenreichtum und Selbstironie, bot zudem Rassismus, Diskriminierung und den Nazis die Stirn und spionierte für die Alliierten. Im Zuge ihrer Laufbahn sind spektakuläre Bilder entstanden, die zu Ikonen wurden. Trotz ungünstiger Ausgangsbasis, sie wurde 1906 in Saint Louis unehelich in einem Armenviertel geboren, gelang es ihr, sich zum gefeierten Bühnenstar sowie zur politischen Figur zu entwickeln und nebenbei noch eine „Regenbogenfamilie“ mit Kindern aus aller Welt zu gründen.

Inspirationsquelle für zahlreiche Künstler

Zunächst war sie in den USA mit einer Vaudeville-Gruppe durch Clubs getingelt, aber ihr Erfolg begann in den 1920er-Jahren in Paris, wo sie zusammen mit Jazz-Musikern in der „Revue Nègre“ zum Publikumsmagneten wurde. Gleichzeitig machte sie die umwerfende Erfahrung, dass sie in einem Luxushotel mit weißen Bediensteten wohnen durfte und ihre Hautfarbe keine Ablehnung hervorrief, im Unterschied zu ihrem Herkunftsland. Als habe man damals auf die explodierende Vitalität von Joséphine Baker gewartet; sie inspirierte nicht nur ein breites Publikum, sondern auch Künstler wie Matisse, Desnos, Picabia, Léger, Picasso, Calder und Leonhard Bernstein. Der Architekt Adolf Loos entwarf 1928 ein Haus mit schwarz-weiß gestreifter Fassade für sie; Le Corbusier forderte neue Bauten im Geiste ihrer Tänze. Vor Liebesbriefen konnte sie sich kaum retten. Doch ihre Nackttänze, die eher eine lustvolle Körperlichkeit feierten als nur sexualbetont zu sein, provozierten auch Auftrittsverbote in Wien, Prag und München.

Das Panthéon im Quartier latin, © Serge Ramelli, Adobe Stock

Leben ist Tanz und Kampf

Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms beginnt der Zweite Weltkrieg, sie schließt sich der Résistance an, versteckt an ihrem Wohnsitz Waffen und Menschen und schmuggelte Informationen nach Portugal. In Nordafrika tritt sie vor französischen Truppen auf und erwirkt das Ende der Rassentrennung im Zuschauerraum. Für ihren mutigen Einsatz, auch als Flugzeugpilotin, wird sie 1957 mit der Ehrenlegion ausgezeichnet; „Ich wollte nur noch eins: dem Land dienen, dem ich zu ewigem Dank verpflichtet bin“, kommentierte sie später. Nachdem sie sich in den USA weiterhin ausgegrenzt und gedemütigt sieht, kämpft sie fortgesetzt für die Rechte der Schwarzen. Zur Sternstunde wird 1963 ihr Auftritt mit Martin Luther King bei der Bürgerrechtsdemonstration in Washington, sie trägt ihre Uniform der französischen Luftwaffe.

Mit der Devise „Leben ist Tanz“ hat sie sich selbst befreit und ihr Renommée für die Menschenrechte eingesetzt. Gleichzeitig konnte sie witzige Geschichten erzählen, um sich und andere zu erfreuen; legendär: ihr Spazierengehen mit einem Leoparden. Ihre zahlreichen Ehen und Amouren waren mehr Schicksalsschläge als schäbige Liebeshändel. Schließlich adoptierte sie zwölf Kinder aus unterschiedlichen Kulturen für einen sogenannten „Regenbogenstamm“, was in finanzieller Hinsicht ein Desaster war: Sie musste ihr Schlösschen in der Dordogne verkaufen, doch Fürstin Gracia Patrizia aus Monaco fing sie in der Misere auf. Und als Joséphine Baker 1975 nach einer Gala in Paris verstarb, erhielt sie in Frankreich ein Staatsbegräbnis, als zweite Frau nach Colette.

Zu allen Zeiten gab es in Frankreich bedeutende Frauen, aber ihre Aufnahme in die Ehrenhalle der Nation beginnt erst im 20. Jahrhundert. Dort steht seit 1791 in Stein gemeißelt: „Aux grands hommes, la patrie reconnaissante“; „homme“ bedeutet im Französischen aber nicht nur Mann, sondern auch Mensch. Joséphine Baker ruht nun neben Maurice Genevois, mit dem sie das Engagement in der Résistance verbindet. In einer Frauenabteilung hätte sie vermutlich nicht gerne logiert; an ihren Geschlechtsgenossinnen kritisierte sie gerne, dass diese zu sehr „auf ihren guten Ruf“ achteten – ihren eigenen war sie schließlich zu ruinieren bereit.

In der Ehrenhalle der französischen Nation, © iStock

Baker erfüllt alle Kriterien für die Aufnahme in das Heiligtum: Nach ihrem Tod plädierten zehntausende Bewunderer für sie, darunter Régis Debray mit den Worten „un peu de turbulence et de soleil dans cette crypte froide“ („ein wenig Turbulenz und Sonne in dieser kalten Krypta“). Vor allem aber gilt sie als Person, die exemplarisch die Werte und Ideale der Französischen Republik verkörpert. Sie liebte Frankreich und Paris, besungen etwa in ihrem Chanson J’ai deux amours. In diesem Land hat sie Anerkennung für Ihre Kunst gefunden und konnte gegen Unterdrückung kämpfen. In der Ansprache zur Zeremonie sagte Emmanuel Macron: „Mit Ihnen, Josephine Baker, zieht heute eine gewisse Idee der Freiheit ins Panthéon ein, eine Idee von einem Fest. Als Amerikanerin wurden Sie geboren, aber es gab wohl niemanden, der französischer war als Sie.“

Frauen im Panthéon

Sophie Berthelot (1837–1907) ist die erste Frau im Panthéon; sie war innig und untrennbar mit ihrem Ehemann, dem Chemiker und Politiker Marcellin Berthelot (1827–1907), verbunden. Der Ehrenplatz wurde ihr „en hommage à sa vertu conjugale“zuteil, als vorbildliche Ehefrau.

Marie Curie (1867–1934) wird 1995 für ihre eigenen Verdienste posthum ins Panthéon aufgenommen. Sie gilt als große Wissenschaftlerin und erhielt zusammen mit ihrem Mann Pierre, und später erneut alleine, den Nobelpreis für Physik.

2015 ließ der damalige Staatschef François Hollande die Ethnologin und Widerstandskämpferin Germaine Tillion (1907–2008) in die heiligen Hallen einziehen; im gleichen Jahr folgte Geneviève de Gaulle-Anthonioz (1920–2002), Historikerin, Mitglied der Résistance und Präsidentin der Menschenrechtsbewegung „ATD Vierte Welt“. Beide Frauen hatten das KZ Ravensbrück überlebt.

2017 folgte Simone Veil (1927–2017). Die außerordentlich engagierte Europapolitikerin, Gesundheitsministerin und Feministin war ebenfalls durch die Nazi-Besatzung in Frankreich hart getroffen worden und überlebte das KZ Auschwitz-Birkenau.

2021 nun holte Staatspräsident Emmanuel Macron Joséphine Baker (1906–1975) in den französischen Ruhmestempel. Der Gedenkort für sie ist auf Wunsch ihrer Kinder ein Kenotaph, ein Sarg mit Erde aus den Orten ihres Lebens: aus Saint-Louis (USA), Paris, dem Schlosspark von Milandes in der Dordogne sowie aus Monaco, wo ihre sterblichen Überreste begraben sind.

2021: sechs Frauen und 75 Männer im Panthéon

Sting im Panthéon

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