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Galerie Dior

Ein Ort für Träume

Birgit Holzer

© Kristen Pelou for Dior

27. Juni 2022

Eine sehenswerte Schau im Pariser Stammhaus von Dior widmet sich seit Frühjahr 2022 dem Leben und Werk von Christian Dior und seinen sechs Nachfolgern in deren ehemaligen Arbeitsräumen, 30 Avenue Montaigne.

Foto: Birgit Holzer

Als Couturier sei er ein „Meister der Träume“, so drückte es Christian Dior selbst aus: „Die Modedesigner verkörpern einen der letzten Zufluchtsorte des Wundervollen.“ Dieser Satz aus seinen 1956 erschienenen Memoiren Dior und Ich (youtube-Video), steht groß an einer der Wände in dem berühmtesten Stadtpalais der Avenue Montaigne in Paris.

Es ist der historische Ort, in dem über Jahrzehnte hinweg die Kollektionen aus dem Haus Dior, gestaltet vom Gründer selbst und seinen bislang sechs Nachfolgern als künstlerische Direktoren, entstanden. Heute werden hier etliche ihrer Entwürfe präsentiert, die teilweise Mode-Geschichte geschrieben haben – wie die stark taillierte „Bar Jacke“ oder die fliegenden „Trapezröcke“. Auf 2000 Quadratmetern setzt sie die neue Galerie Dior durchaus prätentiös, mit Lichteffekten und musikalischer Untermalung in Szene – und regt damit ganz nach der Vorstellung des Meisters zum Träumen an. Auch bietet die Galerie die Möglichkeit, einer Schneiderin direkt bei ihrer Arbeit zuzusehen.

Eröffnet wurde sie fast genau 75 Jahre nach der Präsentation von Diors erster Kollektion an jenem Ort, wo für ihn alles begann: In dieser eleganten Pariser Villa, ein Katzensprung von den Champs-Élysées entfernt, richtete er sich Ende 1946 ein, um mit zunächst 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sein Unternehmen aufzubauen: die Christian Dior S. A. – ermöglicht durch den wohlhabenden Investor Marcel Boussac, der früh Diors Talent und Potenzial erkannt hatte.

Foto: Birgit Holzer

Zeitgemäße Präsentation

Um ein Mode-Museum in dem einstigen Unternehmenssitz einzurichten, waren umfangreiche Umbauarbeiten nötig: Patina und Charme des Alten wurden mit modernen Elementen verquickt, um die Ausstellungsstücke kunstvoll zu präsentieren; das Palais mit seiner neoklassischen Fassade hatte Graf von Colonna-Walewski, ein außerehelicher Sohn Napoleons I., 1865 bauen lassen.
Ein Blickfang ist bereits der Eingang mit einer Vitrine, die neben einer modernen Wendeltreppe drei Stockwerke hoch hinaufführt und etliche Kleider und Accessoires als Miniaturen zeigt – es handelt sich um exakt 1422 Taschen, Schuhe und Hüte, hergestellt mittels 3D-Druck, sowie 452 Kleider im Kleinformat. Zunächst weiß, gehen sie in rosa, pink und rot über, werden orange, gelb, schließlich grün, blau, violett und enden in silbergrau.

Der erste Teil der Ausstellung befasst sich mit der Biografie Diors, seiner Kindheit in Granville in der Normandie, der Ausbildung im diplomatischen Dienst, obwohl er doch eigentlich Architekt hatte werden wollen. Schließlich eröffnete der Kunstliebhaber seine eigene Galerie mit der finanziellen Hilfe seines Vaters, eines Großindustriellen. Nach dessen Insolvenz in der Folge der Weltwirtschaftskrise wurde Christian Dior Illustrator und Modezeichner, musste seinen Wehrdienst ableisten und konnte erst nach dem Zweiten Weltkrieg endlich sein Haus für Haute Couture gründen.

„No Dior, no Dietrich!“


Foto: Birgit Holzer

Der Erfolg stellte sich unmittelbar ab der ersten Kollektion im Februar 1947 ein. Carmel Snow, einflussreiche Chefredakteurin des US-Magazins Harper‘s Bazaar, rühmte seinen Stil als „New Look“ und verhalf ihm damit zum Durchbruch; er entsprach der Vision einer Frau, die mit schmaler Taille und romantischen, weiten Röcken ihre Weiblichkeit unterstrich und nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren überschäumende Lebensfreude ausstrahlte.

Innerhalb kurzer Zeit wurde Christian Dior zu einem der einflussreichsten Modedesigner der Welt und hatte einen großen Anteil daran, dass Paris seinen Ruf als Modehauptstadt schlechthin wiedererlangte. Mit seinem Ziel, „die Frauen nicht nur schöner, sondern glücklicher“ zu machen, wie er selbst es in seinen Memoiren schrieb, beeinflusste er auch den Massenmarkt. Wie viele seiner späteren Kollegen von Karl Lagerfeld bis Jean Paul Gaultier wirkte er auch als erfolgreicher Geschäftsmann, indem er etwa früh Parfüms als eigene Produktlinien kreierte und lancierte – unter anderem den Erfolgs-Duft „Miss Dior“ – und damit den Geschäftsbereich seines Unternehmens erweiterte.

In seinem Stadtpalais gingen die Models ein und aus und auch etliche Kundinnen, darunter Berühmtheiten wie Marilyn Monroe, Rita Hayworth und Prinzessin Diana. „No Dior, no Dietrich“, soll Marlene Dietrich zu Alfred Hitchcock gesagt haben, die für ihre Rolle im Film Das große Alibi (1950) eine Garderobe aus der Hand des berühmten Schneiders einforderte.

Foto: Birgit Holzer

Eine spektakuläre Präsentation

Heute lässt sich hier eine Nachbildung des Schreibtischs von Christian Dior besichtigen und durch den verglasten Boden ein Blick ein Stockwerk tiefer in ein ehemaliges Vorführzimmer werfen. Doch die Galerie Dior ist weit mehr als eine museale Schau mit etlichen Dokumenten, Fotos, Stoffstücken oder Skizzen.

Die 13 Räume verzaubern geradezu durch die eleganten Entwürfe aus wertvollen Stoffen und ihre einfallsreiche Präsentation. Ein Saal ist verdunkelt, die roten Haute-Couture-Entwürfe blitzen hervor; ein Blätterwald an der Decke erzeugt Schattenspiele. Ein Raum ist ganz in Weiß gehalten, inklusive der Kleider, der darauffolgende – er heißt „Paris“ – ganz in schwarz. Am Ende stehen Modepuppen auf drei Ebenen; sie tragen rauschende Roben, während Glitzerlicht auf sie, die Wände und Decken fällt, im Hintergrund ertönt dezent klassische Musik.

Starkoch Jean Imbert

Heute gehört Dior zum Luxus-Konzern LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy); eines der tonangebenden Modehäuser ist es auch unter den Kreativdirektoren nach Dior geblieben: Unmittelbar nach seinem plötzlichen Tod 1957 mit nur 52 Jahren trat sein damaliger Assistent, der junge Yves Saint Laurent, an seine Stelle. Auf ihn folgten weitere große Namen wie Marc Bohan, Gianfranco Ferré, John Galliano, Raf Simons und heute Maria Grazia Chiuri. Die Arbeit von ihnen allen wird gewürdigt durch die Ausstellung ihrer Werke, teils vor laufenden Videoausschnitten aus Modenschauen.

Im Café des Museums wirkt Starkoch Jean Imbert, der auch im nahe gelegenen Restaurant „Monsieur Dior“ kocht. Das Café schließt sich an die Schau an und ist exklusiv für Besucherinnen und Besucher zugänglich; selbst hier finden sich Miniatur-Entwürfe und Bilder von taillierten Roben. Wer schließlich den Aufzug – ganz in Weiß gehalten – zurück ins Erdgeschoss zum Ausgang nimmt, wird mit Melodien von Chopin, Brahms und Strawinsky sanft hinausbegleitet. Schließlich soll der Traum nicht abrupt enden.

Linktipp:
La Galerie Dior im Internet

Mode im Museum

Dass Paris eine der großen Mode-Hauptstädte der Welt ist, spiegelt sich auch in den Museen der Stadt wider, in die das Thema längst Einzug gefunden hat – Mode ist schließlich Teil der französischen Kultur und Kulturgeschichte, Teil ihres Selbstverständnisses.

  • Das Modemuseum im Palais Galliera an der Seine (bis Mitte September 2022 geschlossen), in direkter geografischer Nähe zur Galerie Dior, zeigt wechselnde Ausstellungen rund um das Thema, ob eine Schau über Coco Chanel oder zu Alber Elbaz, der zuletzt Kreativdirektor bei Lanvin war.
  • Im selben Stadtviertel befindet sich ein Museum, das Yves Saint Laurent gewidmet ist, getragen von der Stiftung des langjährigen und inzwischen ebenfalls verstorbenen Lebenspartners des Designers, Pierre Bergé.
  • Ein weiteres Pariser Museum zeigt das Schaffen von Pierre Cardin im Marais-Viertel; es wird Ende 2022 nach einigen Monaten Schließung wiedereröffnet.

Mode und ihre Schöpfer waren und sind in Paris auch immer wieder Thema von Ausstellungen – ob in der Cinémathèque (über Jean Paul Gaultier) oder als umfangreiche Reihen-Retrospektive zum Werk von Yves Saint-Laurent anlässlich des 60. Jahrestags seines ersten Défilés – parallel im Louvre, im Centre Pompidou, im Musée Picasso, im Musée d‘Orsay, im Musée für moderne Kunst sowie im Museum Yves Saint Laurent. Es war eine in dieser Form noch nicht dagewesene Zusammenarbeit, bei der gezeigt wurde, wie sehr sich die Werke von Modeschöpfern und die anderer Künstler einander wechselseitig beeinflussen.

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