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Online-Modenschauen

Lauf auf neuen Stegen

Leila Fendrich

Fall/Winter 2021, Screenshot, © Balmain

20. April 2021

Die großen Pariser Modehäuser präsentieren ihre Kollektionen wie viele Modelabels seit der Corona-Pandemie statt auf klassischen Laufstegen nur noch virtuell – in Livestreams und als Clips.

„Men’s Fall-Winter 2021“: Designer Virgil Abloh und Regisseur Wu Tsang setzen im Video von Louis Vuitton auf eine sinnliche Mischung aus Modenschau und Musikvideo, in der u. a. die gesellschaftliche Stellung Schwarzer thematisiert wird. Schauspieler Mos Def weist – als Obdachloser – zudem auf die finanzielle Not der Kunstszene hin. Er performt zu Jazz-Klängen in einer grün marmorierten Halle, die an den Barcelona-Pavillon Ludwig Mies van der Rohes erinnert. Eine Mischung von Tanz, Poesie, Mode, Musik – und Politik.

Digitale Fashion Week

Der Clip wurde über YouTube live übertragen und erreichte danach mit mittlerweile 1,4 Millionen Aufrufen ein völlig neues und vor allem breites modisch interessiertes Publikum, das sich nicht mehr mit Einblicken und Eindrücken aus zweiter Hand begnügen muss – eine mediale Demokratisierung der Haute Couture. Auch modisch haben sich viele Kollektionen der großen Modehäuser an die gesellschaftliche Situation in der Corona-Pandemie angepasst, Stichwort „Loungewear“.

Die digitalen Videos der Fashion Week in Paris erzählen gerne Geschichten, und sie wecken Emotionen. Modenschauen bestehen nicht mehr aus klassischen Defilés von Models, die ausgewählten Zuschauerinnen und Zuschauern mit starrem Blick auf dem Laufsteg die Modelle der nächsten Saison vorführen – eine Revolution.

Aufwand und Sorgfalt bestimmen die Produktionen, zum Beispiel die vom Automn/Winter 2021/2022 von Dior im Schloss von Versailles. Sie beginnt in einem Wald, die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich im Wind, eine Uhr tickt. „Beauté dérangeante“ (störende Schönheit) heißt die Kollektion. Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri inszeniert Schmerz und Schwere; Tänzerinnen bewegen sich zu sphärischen Klängen, von Dornen bedroht. Die Beleuchtung und Stimmung sind düster, Farben und Formen erahnt man nur. Kunst und Ästhetik, in diesem Fall inspiriert von der koreanischen „Blackpink“-Sängerin Kim Jisoo, der japanischen Werbepartnerin von Dior.

Die Show von Hermès 2021/2022 hingegen setzt auf herkömmliche Präsentation, wenn auch in ungewohnter Kulisse: Einzige Dekoration sind zylinderförmige Säulen. Balmain schürt mit seiner Kollektionspräsentation Fall/Winter 2021 Women’s & Men’s Show im Pariser Air-France-Hangar Fernweh, Corona zum Trotz. Die Ready-to-wear-Show 2021/2022 von Chanel findet auf – leeren – Pariser Straßen und im angesagten Club Castel statt. Mit Chanels Sommerkollektion 2021 entflieht man dem winterlichen Grau: Der Clip im Grand Palais beginnt schwarz-weiß und wird frühlingsfarbenfroh, als eine typische Laufsteg-Choreographie beginnt.

Die Spring-Summer-Models von Louis Vuitton defilieren 2021 im leeren Kaufhaus Samaritaine vor Schutzmasken tragendem und Abstand haltendem Publikum, das in Anthony Vaccarellos Women’s-Summer-Kollektion 2021 „I wish you were here“ für Saint Laurent ­– im Dünensand und teils aus Drohnen-Perspektive – wie auch in den meisten anderen Videos – vollends fehlt.

Die Hermès Men’s Spring-Summer-Collection 2021 zeigt die Sommermode Véronique Nichanians nur am Rande – im Mittelpunkt steht vielmehr die Produktion des Clips, der Blick hinter die Kulissen. Die Haute-Couture-Kollektion Spring-Summer 2021 von Maria Grazia Chiuri für Dior erzählt wiederum eine Geschichte, die an Alice im Wunderland erinnert. Märchenhaft!

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