Template: single.php

Deutsch-Französische Jugendbegegnung

On y va !

Johanna Kosak

© BILD-GÜZ

17. September 2021

In Ciboure/Frankreich fand im Juli/August 2021 eine 19-tägige Jugendbegegnung der Gesellschaft für übernationale Zusammenarbeit (GÜZ) und des Bureau International de Liaison et de Documentation (BILD) mit Unterstützung des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) statt.

Spracharbeit am Vormittag

Ein Grund, sich bei der Jugendbegegnung anzumelden, war für mich die gemeinsame Spracharbeit: Jeden Vormittag wurden Deutsche und Franzosen in Kleingruppen von ca. acht Schülern und nach verschiedenen Sprachniveaus von französischen bzw. deutschen Betreuern unterrichtet, die sehr engagiert, kreativ, spontan und motiviert auf unsere Wünsche und Interessen eingingen.

Obwohl sie keine qualifizierten Lehrer, sondern alle Studenten in verschiedensten Fächern (Medienwissenschaften, Germanistik, Anglistik, Schmuckdesign, interdisziplinäre Anthropologie) waren, konnten wir alle sehr von ihrem Schwung und Können profitieren: Die Franzosen wurden von deutschen Animateuren unterrichtet, die Deutschen von französischen.

Am meisten Freude hatte ich, als Deutsche und Franzosen im zweiten Teil des Kurses gemeinsam über die im ersten Teil vorbereiteten Themen diskutieren durften. Da einige Franzosen und Deutsche auch zweisprachig aufgewachsen sind, konnten die Einsprachigen sehr von ihrem bilingualen Vokabular profitieren.

Teilnehmer Félicien und Johanna, © BILD-GÜZ

Aktivitäten am Nachmittag

Der zweite große Block des Tages waren die gemeinsamen Nachmittagsaktivitäten. Nach dem Mittagessen machten wir uns als ganze Gruppe zum Wandern, ins Museum oder in andere Städte auf und nutzten für unseren gesamten Aufenthalt (auch An- und Abreise aus Deutschland) ausschließlich den Zug und Bus, oder wir gingen zu Fuß: Wir entdeckten die legendäre Surferstadt Biarritz, wanderten ein Stückchen auf dem Jakobsweg, lernten baskische Sportarten kennen und probierten uns auf einem großen Markt durch regionale Spezialitäten wie Chilischoten, Gâteau Basque, Käse, Schinken, Meeresfrüchte, Pastete, Churros und Empanadas.

Auf einer Wunschliste konnten wir auch noch weitere gewünschte Aktivitäten eintragen. Teilweise fielen manche Ausflüge aufgrund des schnell wechselnden Wetters und des ergiebigen, fast tropisch warmen Regens sprichwörtlich ins Wasser. Richtig warm war es eher selten, am wärmsten Tag war es knapp 30 Grad. Die salzige, frische Luft vom Atlantik, der dichte, tropische Wald, viel Nieselregen – das Wetter war zwar nicht so sommerlich, ich habe dieses besondere Klima aber trotzdem sehr genossen!

Zeit zur freien Verfügung

Nach der verpflichtenden Nachmittagsaktivität hatten wir die Zeit bis zum Abendessen zur freien Verfügung. Aus Sicherheitsgründen mussten wir uns selbst zum Croissantkaufen in der Nebenstraße immer in Gruppen mit mindestens drei Jugendlichen bewegen, durften aber außer zum unbeaufsichtigten Baden überall hingehen: Wir konnten unsere Freizeit im tropischen Garten unserer Jugendherberge Villa Borda Zahar unter Palmen verbringen, mit den Animateuren unter Aufsicht am Strand baden, alte Bauwerke und Häfen besichtigen, in der Innenstand bummeln gehen oder auch gemeinsam eine Runde joggen.

Dadurch hatten wir einen großen Radius und konnten so aus dem überfüllten, teuren (eine Kugel Eis: sieben Euro) und sehr touristisch geprägten Ciboure in kleinere Dörfchen laufen. Bei diesen persönlichen Ausflügen haben wir noch mehr von der wunderbar grünen Natur, den Ausläufern der Pyrenäen und dem alltäglichen Leben der Menschen beobachten können – vraiment très interéssant

Der Hafen von Ciboure, © Shutterstock

Am Abend

Nach dem Abendessen organisierten unsere Betreuer jeden Tag eine sogenannte soirée für uns. Das Programm war vielfältig: Von Spieleabenden bis zu geführten Meditationen am Strand oder einer Abschlussparty wurde uns viel angeboten. Sehr gefreut habe ich mich, als wir ein baskisches Chorkonzert auf einem kleinen Stadtplatz besucht haben: Die baskische Musik, gemischt mit der speziellen Sprache und spannenden Musikinstrumenten, war sehr faszinierend und mitreißend, voller Schwung!

Fazit

Ich bin sehr dankbar, dass ich an dieser Begegnung teilnehmen konnte. Durch BILD-GÜZ wird Jugendlichen die Chance gegeben, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, die heimatliche Komfortzone mal zu verlassen, neugierig zu sein, offen auf ein neues Land und interessante Menschen zuzugehen.

Einerseits konnte ich einen neuen Teil von Frankreich entdecken: Die eigenen baskischen Traditionen, die Gastronomie, die alten Orte und vor allem die baskische Sprache und wilde, grüne Natur mit Meer, Pyrenäen, leichten Hügeln, dichten feuchten tropischen Wäldern und langen Sandstränden haben mich sehr fasziniert. Bei unseren Ausflügen gab es so viel zu entdecken und nachzufragen – oder auch einfach richtiges Urlaubsfeeling am sonnigen Strand.

Andererseits stand die gesamte Jugendbegegnung aber nicht nur unter dem Urlaubs- und Entspannungsgedanken, sondern hatte vor allem das Ziel, die deutsch-französische Freundschaft zu (er)leben.

© BILD-GÜZ

Besonders dieser Punkt war bei meiner Anmeldung entscheidend. Es hat mir große Freude bereitet, mit den französischen Jugendlichen über ihren Alltag, ihre politische Meinung und ihre Pläne für die Zukunft zu sprechen. All dies verbessert natürlich unser Sprachniveau in der Fremdsprache und unsere linguistische Kommunikationsfähigkeit, noch mehr aber unsere „Kommunikationsfähigkeit“ auf der sozialen Ebene: Mich hat es sehr glücklich gemacht, sprichwörtlich neue Freundschaftsbänder zu knüpfen und mit inspirierenden Jugendlichen aus verschiedenen Ländern zusammenzukommen.

Gemeinsam vernetzten wir uns, um einen Newsletter zu schreiben, bekamen Tipps für spannende Angebote wie das Model United Nations-Programm, in dem sich eine Teilnehmerin engagiert, tauschten Adressen zum Bücherverleihen aus – und zum Übernachten für meine geplante Europa-Radreise, die ich gerne nach dem Abitur realisieren würde. Es haben sich einige Mitfahrer gefunden.

Nach diesem Aufenthalt ist meine Reisefiebertemperatur noch höher und ich habe angefangen, nach längeren Auslandsaufenthalten in Frankreich, vielleicht im zweiten Halbjahr der 10. Klasse, zu suchen. On y va !

Freundschaft ohne Grenzen

Johanna Kosak

BILD-GÜZ-Jugendbegegnung im Juli/August 2021 in Ciboure/Frankreich: Die französische Betreuerin Zoé Pfortner, 23, und der deutsche Betreuer Noah Kiemle, 22, im Interview.

Zoé, Foto: privat

Zoé studiert Schmuckdesign in Pforzheim, Noah Frankomedia (Französische Literatur, Kultur und Medienkultur), Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie in Freiburg i. Br.

Auf der GÜZ-Internetseite heißt es: „Die Gesellschaft wurde 1945 von Deutschen und Franzosen gegründet, die aufgrund der Erfahrungen von Krieg und Widerstand den Willen zur Versöhnung in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Sie waren überzeugt, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit zum Motor der Einigung Europas werden könnte.“ Inwiefern leisten die BILD-GÜZ-Jugendbegegnungen hierzu einen Beitrag?

Zoé: Die BILD-GÜZ-Programme ermöglichen es, Jugendliche aus Frankreich, Deutschland und manchmal auch aus anderen Ländern Europas und der Welt zu treffen. Oft entstehen starke Freundschaften, die den Jugendlichen die Chance bieten, einen anderen Zugang zur Fremdsprache zu finden als den, den sie aus dem Unterricht kennen.

Bei diesen begegnungen wird den Jugendlichen klar, wie großartig und türenöffnend es ist, eine andere Sprache sprechen zu können!

Noah, Foto: privat

Noah: BILD-GÜZ wird schon seit Anfang an vom Deutsch-Französischen-Jugendwerk gefördert. Das Konzept ist zukunftsweisend! Diese wichtige Versöhnungs- und Integrationsarbeit, die schon lange zwischen Deutschland und Frankreich läuft und zu der BILD-GÜZ einen wichtigen Teil beiträgt, sollte auch noch mehr in anderen europäischen Ländern gefördert werden.

Unsere Jugendbegegnungen sind ein tolles Beispiel, wie tolerantes Miteinander aktiv umgesetzt wird. 

Zoé, hast du schon als Jugendliche an den Begegnungen teilgenommen? Wenn ja, was hat dich damals daran nachhaltig begeistert?

Zoé: Ich habe wunderbare Menschen kennengelernt und festgestellt, wie glücklich wir uns schätzen können, diese deutsch-französische Freundschaft zu erleben! Es ist nicht üblich, dass zwei Länder so nah beieinander liegen, und es gibt viel von der anderen Kultur zu lernen. Während der Sommerbegegnungen hatte ich viele interkulturelle Missverständnisse erlebt, die zu einigen lustigen und lehrreichen Situationen geführt haben.

Du hast schon öfters BILD-GÜZ-Jugendgruppen begleitet. Was macht die Arbeit bei BILD-GÜZ so besonders, weshalb fährst du immer wieder mit?

Zoé: Mir gefällt es sehr, dass es im Team keine Hierarchie gibt. Meistens sind wir in 4er-Teams mit erfahrenen und neuen Betreuern unterwegs. Die Teamarbeit ist interessant und man lernt durch die Arbeit in einer deutsch-französischen Gruppe mit Leuten aus verschiedenen Bereichen viel Neues kennen. Da ich mit 18 noch nicht aufhören wollte, an deutsch-französischen Jugendbegegnungen im Sommer teilzunehmen,, ist dies meine Chance, weiterhin die gleichen Momente zu erleben wie damals mit 15 …

Noah, für dich hingegen war es deine erste deutsch-französische Jugendbegegnung als Betreuer. Wie läuft die Ausbildung ab? Welche Qualifikationen muss ich mitbringen?

Noah: Ich habe eine „Corona-Ausbildung“ durchlaufen: Diese wurde über zehn Tage an unterschiedlichen Wochenenden virtuell organisiert. Dabei habe ich viel über Identität, Gruppendynamik und Jugendliche gelernt.

Bei BILD-GÜZ gibt es zudem natürlich eine starke Ausrichtung auf Zweisprachigkeit: Im Kurs ging es sehr viel darum, wie man selbst als Betreuer mit sprachlichen Lücken umgeht, noch wichtiger aber, wie man Jugendliche mit noch größeren Problemen einbindet und eine kommunikative deutsch-französische Gruppe schaffen kann. Es ist aber nicht obligatorisch, ein sehr gutes Französisch oder Deutsch zu sprechen. Gut wäre aber, wenn man vielleicht schon ein paar Erfahrungen in der Jugendarbeit hat – und vor allem ist es sehr wichtig, sich offen auf eine andere Sprache und Kultur einzulassen und motiviert eine Gruppe anleiten zu können – darauf sollte man Bock haben!

Blätterrascheln um drei Uhr nachts, interessante Unterrichtseinheiten, ein tolles Programm – ihr steckt viel Arbeit in die Jugendbegegnungen, wir Jugendliche kommen nur in den Genuss des Endprodukts. Welche Arbeit läuft nachts und hinter den Kulissen ab, von der wir gar nichts mitbekommen?

Noah: Unserem Betreuer-Team war es sehr, sehr wichtig, jeden Abend über drei Dinge zu reden, was unsere Abende oft in die Länge gezogen hat…

Erstens ging es darum, wie es einem persönlich geht, wie es im Team läuft und wie die Jugendgruppe funktioniert. Gibt es vielleicht Leute, die gerade weniger glücklich sind? Die nur auf Drängen ihrer Eltern an der Begegnung teilnehmen? Wie können wir die Zeit für alle möglichst schön gestalten?

Zudem hatten wir ja täglich zwei Aktivitäten und einen mehrstündigen Sprachkurs zu organisieren: Oft haben wir uns in deutsch-französischen Tandems eingeteilt und gemeinsam geplant, einige Programmpunkte aber auch schon vor der Begegnung vorbereitet – die aktuelle Corona-Situation hat vor Ort natürlich noch einiges an Spontanität erfordert.

Hast du Lust, noch weitere Begegnungen als Betreuer zu begleiten?

Noah: Auf jeden Fall! Ich durfte eine supertolle Erfahrung machen, gerne fahre ich noch mal mit! Besonders interessant fand ich es, die Zweisprachigkeit zu erproben und Jugendliche wie euch mit ganz speziellen Lebensrealitäten zu treffen. Für mich war es wirklich eine spannende Erfahrung, euch kennenzulernen! Am Schluss waren wir ja schon fast wie eine große Familie …

Inwiefern profitiert ihr persönlich von der deutsch-französischen Freundschaft?

Zoé: Ich lebe und studiere jetzt seit vier Jahren in Deutschland. Meinen Studiengang gibt es in Frankreich leider nicht und ich bin daher sehr dankbar, dass ich nach Deutschland kommen konnte. Ich fahre regelmäßig nach Frankreich zurück, so dass ich die Hälfte meiner Freunde in Frankreich und die andere Hälfte in Deutschland habe, und das ist wirklich cool!

Noah: Die grenzüberschreitende, deutsch-französische, aber vor allem europäische Freundschaft ist sehr wichtig für mich: Meine Freundin kommt aus Luxemburg und ist als Luxemburgerin die „Europäerin pur“.

Ich studiere im Dreiländereck im Universitäts-Netzwerk Freiburg-Straßburg-Mülhausen-Karlsruhe-Basel. Es ist sehr unkompliziert, Kurse in einer anderen Stadt des Netzwerkes zu belegen – nächstes Jahr werde ich in Straßburg studieren. Die Universitäten unterstützen mich finanziell bei der Erstattung der Fahrkosten, um diesen deutsch-französischen Austausch zu ermöglichen. Es ist supergeil, direkt an der Grenze zu wohnen und so oft und schnell in eine andere Kultur, Sprache und auch andere Ansichten eintauchen zu dürfen. Diese Vielfalt macht die deutsch-französische Freundschaft und Europa aus!

Könnte die deutsch-französische Freundschaft auch in eurem zukünftigen beruflichen Werdegang eine wichtige Rolle spielen?

Noah: Ich denke ja, da ich später vor allem im interkulturellen Bereich arbeiten will. Französisch ist auf jeden Fall eine Weltsprache!

Zoé: Ich weiß es noch nicht, aber es ist immer eine große Stärke, mehrere Sprachen zu sprechen, und es wird mir ermöglichen, in Deutschland, Frankreich, Belgien, der Schweiz, Österreich usw. zu arbeiten.

Gebt den zukünftigen Regierungsoberhäuptern von Deutschland und Frankreich eine Maxime/Motivationsbotschaft mit auf den Weg, wie sie die deutsch-französische Freundschaft in Zukunft weiter gestalten sollen.

Noah: Beschäftigt man sich tiefergehend mit der deutsch-französischen Freundschaft, fällt einem auf, wie super vieles läuft. Allerdings finde ich persönlich es schade, dass immer weniger Leute Französisch lernen, auch in Frankreich wird Deutschlernen immer unbeliebter. Hier ist es wichtig, mehr Bewusstsein für das große Geschenk eines engverknüpften Partnerlandes zu haben, nicht nur im Grenzbereich – und auch nicht nur in Akademikerkreisen.

Menschen, die keinen anerkannten Schulabschluss haben oder nicht studieren, sondern eine Ausbildung machen, haben es schwerer, in Förderungsprogramme mit aufgenommen zu werden. Dieser Bereich sollte für einen deutsch-französischen Austausch mehr geöffnet werden, die Regierungen sollten den deutsch-französischen Gedanken in jede Bevölkerungs- und Altersschicht tragen.

BILD-GÜZ: Ausbildung zum Gruppenleiter

BILD-GÜZ : formation d‘animateur

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Social media & sharing icons powered by UltimatelySocial