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Deutsch-französischer Hip-Hop

„Französische Rapper waren unsere besten Sprachlehrer“

Interview mit Zweierpasch

Zweierpasch © Panoramique_Pix

17. Oktober 2023

Mit rebellischem HipHop prägt die Band Zweierpasch um die Zwillinge Felix und Till die Szene auf ihre eigene Weise. Auf ihrem aktuellen Album 22 rappen sie über das Leben an der Grenze, über Alltagsrassismus und Widerstand.

dokdoc: Eure Band Zweierpasch hat in den letzten Jahren viele Erfolge gefeiert. Ihr habt 2018 den Adenauer-De-Gaulle-Preis verliehen bekommen, wart „Freiburgs Band des Jahres“, standet mit Udo Lindenberg auf einer Bühne und seid durch Asien, Europa und Afrika getourt. Was waren bei diesen ganzen Highlights Eure persönlichen Höhepunkte?

Till Neumann: Preise nehmen wir natürlich gerne entgegen. Die kommen manchmal reingeflattert, aber das ist nicht das, was uns am meisten bedeutet. Wir lieben Konzerte und wir lieben auch große Reisen. Ich finde das größte Geschenk als Musiker ist es eigentlich, um die Welt zu kommen und Menschen kennenzulernen. Mein persönliches Highlight war sicherlich Bamako 2019. Ich liebe dieses Land und wir haben vor so unfassbar vielen Leuten gerockt, so weit weg von zuhause.

Felix Neumann: Der Erfolg ist noch immer eine relative Größe. Danach hat man wieder neue Ziele. Man nimmt das nächste Album auf und plant die nächste Tour. Man ist also relativ schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen. Ganz aktuell war jetzt für uns ein Highlight das Straßenbahn-Konzert Straßburg-Kehl. Es war sowas von außergewöhnlich und geil, in einer Straßenbahn zu rollen und in zwei Ländern in der gleichen Nacht zu spielen. Gerade weil wir es so lange geplant haben, hat es dann umso mehr Spaß gemacht. Ansonsten natürlich unser Konzert 2015 in Kiew. Gerade mit Blick auf den heutigen Krieg, ein ganz krasser Moment.

dokdoc: Bamako, Kiew, Straßburg, Kehl, Eure Band hat inzwischen nationale und internationale Bekanntheit erlangt. Wie fing denn aber alles an? Und warum habt ihr den Namen Zweierpasch gewählt?

In Mali © Zweierpasch

Till Neumann: Es ging eigentlich lange vor Zweierpasch los. Wir haben so Mitte, Ende der 1990er angefangen, im kleinen Kreis zu spielen und die ersten Freestyles zu kicken. Wir sind einfach große HipHop-Fans. Wir waren damals geflasht vom deutschen Rap, vom amerikanischen Rap, und ein bisschen später vom französischen Rap. Wir hatten so ein Nonsens-Namen, Buddah Woofaz, und schließlich ist es dann irgendwann professioneller geworden. Und vor zehn Jahren haben wir nach einem neuen Namen gesucht und dann sind zwei Würfel vom Himmel gefallen.

Felix Neumann: Es war damals aber nicht nur die Suche nach dem neuen Namen, sondern eben auch der feste Entschluss, dass wir mit einer Band spielen wollen. Weg vom DJ, hin zu einer größeren Live-Formation, und eben auch die feste Entscheidung, dass wir uns so international aufstellen möchten. Mit mehreren Sprachen.

dokdoc: Ihr bezeichnet Eure Musik selbst als poetisch und politisch. Welche Message wollt Ihr mit Eurer Musik vermitteln?

Till Neumann: Wir stehen auf jeden Fall für Austausch und Toleranz. Das ist unser Zeichen als Band. Für den Frieden unterwegs zu sein, ist insbesondere in der letzten Zeit noch einmal ein größeres Thema geworden. Gerade dafür steht Zweierpasch. Man bringt zwei Dinge zusammen und macht eins draus. Die Umweltthematik liegt uns auch echt am Herzen. Ich glaube, dass man einfach die großen Probleme der Welt am besten gemeinsam löst. Unabhängig von Landesgrenzen oder Kontinentalgrenzen. Ja, ich denke, dass Zweierpasch dafürsteht, gemeinsam Grenzen zu überwinden.

Felix Neumann: Es ist zwar gut, dass man merkt, dass wir für etwas stehen, aber nur wenn du mit Deiner Musik Menschen erreichst und bewegst, kommt die Message auch an.

dokdoc: Was sind denn Eure drei Songs, die Ihr am liebsten mögt? Sowohl von der Musik her als auch von der Message?

Till Neumann: Also, mit Blick auf den Sound ist es mit Sicherheit nicht „Grenzgänger“. Das ist ein toller Song, aber einfach nicht mehr so das, was wir nun musikalisch machen. Unsere neuen Alben sind jetzt schon eher unsere Highlights.

Felix Neumann: Beim Straßenbahnkonzert haben wir nun das erste Mal „Ca va rouler” gespielt. Der Track ist noch gar nicht veröffentlicht und es war eine Premiere. Mein Favorit vom letzten Album ist „Solange“. Hier haben wir ein geiles Video mit zwei richtig guten Tänzern am Eiffelturm drehen können.

dokdoc: Ihr singt vor allem auf Deutsch und auf Französisch und setzt Euch für die Verständigung beider Länder ein. Warum ist Euch gerade das deutsch-französische Verhältnis so wichtig?

Till Neumann: Es ist eben das, was wir selbst erfahren haben. Wir sind in Deutschland aufgewachsen und dann beim französischen Rap hängengeblieben. Französische Rapper wie Akhenaton und Shurik’n von IAM oder Kool Shen und Joey Starr von NTM waren unsere besten Sprachlehrer. Aber es müssen nicht diese beiden Sprachen sein. Japanisch oder Arabisch oder Polnisch können genauso geil sein wie Französisch oder Deutsch. Es geht darum, Leuten zu zeigen, wie cool andere Sprachen sein können. Unsere Area ist einfach Deutschland und Frankreich, aber letztlich kann es jedes Land sein. Hauptsache Bewegung.

dokdoc: Nach wie vor sinkt das Interesse am Deutsch- und Französischunterricht in Deutschland und Frankreich. Was müsste man machen, um Schüler für die Partnersprache zu begeistern? Was sind Eure Ratschläge für deutsche und französische Entscheidungsträger?

Felix Neumann: Leute lernen die Sprache eines anderen Landes, wenn sie es interessant und sexy finden. Ich glaube, dass alleine Mbappé ein Auslöser sein kann, um Französisch zu lernen. Ein Superstar, den sie alle feiern und der drei Tore gegen Argentinien im Finale schießt. Für uns geht Sprachenlernen vor allem über Kultur mega gut und wir machen da auch viele Angebote für junge Leute: Songwriting, Rap-Workshops und unseren großen Songwettbewerb „École du flow“ mit dem wir Leute erreichen, die nicht per se unbedingt Bock auf eine andere Sprache haben. Musik ist das ideale Medium, da es auch unser Medium ist. Das Medium, das wir am besten kennen. Ich glaube nicht, dass es hilft, wenn man rational erklärt, dass es gut für dich ist, weil die Chancen auf dem Arbeitsmarkt drüben dann steigen. Das wird nicht fruchten. Auch keine Sonntagsreden, wo irgendwie die Amitié franco-allemande von Macron und Scholz beschwört wird. Wichtig ist immer die Begegnung. Das geht über Kennenlernen, über Liebe, über Freundschaft, über Ausprobieren, über Interesse an anderen Städten, über das Entdecken von anderen Ländern. Ein ganz starker Motivationsgrund ist, glaube ich, einfach Neugier auf etwas Anderes. Und für uns beide war Frankreich halt näher als Brasilien. Wir sind nach Frankreich gefahren und damit wuchs dieses Interesse. Also, man muss die Weichen stellen dafür, dass Personen sich begegnen, ins andere Land kommen. Schüleraustausch, Erasmus, Austausch im Arbeitsumfeld. Man muss persönlich entdecken, dass es geil ist. Dann macht man auch freiwillig Französischunterricht, hört französisches Radio und liest die Zeitschrift „Écoute”.

Zweierpasch, Moritz, Till, Felix und Stefan © Stefanie Ringshofer Zweierpasch

Till Neumann: Wir sehen auch, dass jungen Franzosen deutsche Musik eigentlich vollkommen vorenthalten wird. Außer Rammstein und Tokio Hotel vielleicht. In Deutschland ist das anders. Es gibt einfach französische Künstler, die im Radio laufen, z.B. Gims, Jul, Aya Nakamura oder Stromae. Das ist ein möglicher Einstieg in eine Sprache und bei uns war es eben genau so. Und dann sind es natürlich die Konzerte in großen Sälen, die man gemeinsam erlebt. Blanke Euphorie! Ich denke, über Kultur und Musik kann man sehr viel machen.

dokdoc: Neben der deutsch-französischen Verständigung liegen Euch Themen wie die Umweltthematik am Herzen. Auch gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus engagiert Ihr Euch. Nun stellt in der Assemblée Nationale der Rassemblement National derzeit die größte Oppositionspartei. Mit den Landtagswahlen in Bayern und Hessen letztes Wochenende hat die AfD in zwei westdeutschen Bundesländern neue Höchstwerte erreicht. Ist es überhaupt möglich, mit Musik diesen Tendenzen entgegen zu wirken?

Felix Neumann: Musik ist unheimlich stark. Sie kann die Welt verändern. Wenn Leute Musik hören und sich dann darüber Gedanken machen, kann das unglaublich viel Impact haben. Und klar sind Musiker die ganz großen Influencer. Es geht ja nicht darum, Punchlines zu rocken und Leute zu dissen, sondern mit Songs wie „Sirenen“ über den Ukraine-Krieg zu rappen oder mit unserem letzten Album die Energiekrise aufzugreifen. Ich würde keine Musik machen, wenn ich nicht glauben würde, dass sie die Welt verändern kann. Mich hat sie auch schon oft verändert, mich in meinem Denken berührt und mir Motivation gegeben, etwas anzupacken, etwas zu Ende zu bringen und einen neuen Weg einzuschlagen. Musik kann da viel bewirken und wir haben mit „Farbenrausch“ einen Song, der unsere Ansage ist, dass man Nazis keinen Platz lässt und sich für Toleranz einsetzt. Das ist ein wichtiges Anliegen.

dokdoc: Für wen oder mit wem würdet Ihr unbedingt gerne einmal Musik machen? Was ist sozusagen Eurer musikalischer Traum?

Till Neumann: Fatoumata Diawara, Sängerin aus der Mali, die ich sehr feiere. Sie ist eine große Inspiration für mich. Ansonsten haben wir in vielen Ländern auf der Karte noch nicht gespielt. Wir spielen aber genauso gerne hier. Wenn uns Menschen hören wollen, ist es eigentlich egal, wo wir sind.

Felix Neumann: Mit wem? Eindeutig Stromae. Und wo? Wir haben die 10.000 Publikumsmarke in Mali geknackt. Ich würde ganz gerne die 50.000 Marke knacken.

Die Fragen stellte Tanja Herrmann

Unsere Gäste

Felix Neumann ist Frontmann und Manager der HipHop-Band Zweierpasch. Er leitet seit 2015 Projekte zur Integration und Demokratiebildung junger Migranten. Für seinen Identity Podcast wurde er 2023 mit dem Integrationspreis des Ortenaukreises ausgezeichnet. Als Fotograf erhielt er Preise des Landes Baden-Württemberg und der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V. Er lebt und arbeitet zwischen Kehl und Straßburg.

Till Neumann ist Rapper, Co-Gründer und Bandmanager von Zweierpasch. Er lebt in Freiburg und ist seit zehn Jahren Berufsmusiker. Till Neumann ist in seinem zweiten Leben Journalist. Er hat in Freiburg und Straßburg Journalismus studiert und sein Doppeldiplom an der renommierten Journalistenschule CUEJ (Centre universitaire d’enseignement du journalisme) in Straßburg erworben. Er lebt im deutsch-französischen Grenzgebiet. Mit Zweierpasch leitet er heute den größten Songwettberb für Schüler:innen aus Frankreich und Deutschland: die „École du Flow“.

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