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Talentförderung

Vision der Oper

Birgit Holzer

Danny Sapani und Matthew Leonhart in Invisible Cities, Gewinner des Ballett-Preises 2019, © Tristram Kenton / Fedora

17. März 2020

Die junge Deutsche Edilia Gänz leitet seit fünf Jahren die Non-profit-Organisation Fedora mit Sitz in Paris, die die Schaffung neuer Werke sowie den Zusammenschluss internationaler Opern- und Balletthäuser unterstützt.

Zum Glück gab es Mozart, das vom Vater und Mäzenen geförderte Wunderkind. Es gab Komponisten wie Verdi und Choreographen wie Iwanow, deren Werke noch heute auf der Bühne zu sehen sind. Wie aber lässt sich sicherstellen, dass weiterhin junge Talente des Musiktheaters gefördert werden und die finanziellen Risiken für die Häuser kalkulierbar bleiben? Wie können sich die europäischen Kulturinstitutionen miteinander vernetzen, um Synergien zu schaffen?

Ein Netzwerk für die Kultur

Dies waren die Ausgangsfragen bei der Gründung von Fedora, einer Plattform für die Kunstförderung, die zwischen Opern- und Balletthäusern, Festspielen, Fördervereinen, Sponsoren und dem Publikum fungiert und neue Finanzierungsmodelle anbietet. Innovationen erscheinen notwendig, wenn sich der Staat immer mehr aus der Kunstförderung zurückzieht, sagt Edilia Gänz – die Kulturförderung der EU beträgt gerade einmal 0,15 % ihres Etats. Die 29-Jährige arbeitet seit der Gründung von Fedora im Jahr 2014 als dessen Direktorin. Inzwischen gehören 85 Opernhäuser in 21 Ländern zu dem Netzwerk, dessen Name sich vom französischen „fédérer“ ableitet: zusammenschließen, verbünden. Die eigenständige Non-profit-Organisation hat Ihren Sitz im Gebäude der Alten Oper in Paris, dem prachtvollen Palais Garnier.

Ringen um Innovation

„Wir haben bei einer Befragung von Opern- und Balletthäusern festgestellt, dass ein großer Bedarf bei der Förderung neuer Werke besteht“, erzählt sie von den Anfängen. Also wurde unter der Leitung von Jérôme-François Zieseniss, dem Präsidenten von Fedora, ein Wettbewerb geschaffen, um Ideen für neue Produktionen auszuarbeiten und Nachwuchskünstlern eine Chance zu geben. Die Auszeichnungen gehen an Teams – Opernhäuser, Ballettkompanien, Festspiele oder Produktionsfirmen – und speziell Co-Produktionen, um zu internationaler Zusammenarbeit anzuregen. Als Geldgeber loben das Versicherungsunternehmen Generali und das Schmuckhaus Van Cleef & Arpels jeweils einen Preis für eine Opern- und eine Ballett-Co-Produktion mit jährlich 150 000 bzw. 100 000 Euro aus.

Edilia Gänz, © Tristan Siegmann / Fedora

Kriterien der Jury, in der Mitglieder des Berufsverbandes von Opernhäusern Opera Europa sitzen, sind u. a. künstlerische Qualität, innovative Kraft und die Frage nach Co-Produktionen und späteren Tourneen. Inzwischen kann auch das Publikum über seine Favoriten abstimmen – über ein Konzept, nicht das fertige Werk: „Damit machen wir transparent, was es eigentlich heißt, eine Oper oder ein Ballett zu kreieren: Von welcher Idee geht sie aus, was sind die Inspirationen und die Schritte, bis das Projekt auf die Bühne gelangt?“, so Gänz. Es ist der größte Opern- und Ballettwettbewerb der Welt.

Neue Förderpreise

Die von der Jury nominierten Projekte sowie die Publikums-Favoriten können auf der Fedora-Plattform ihre Projekte vorstellen und Crowdfunding-Kampagnen starten. Das verleiht ihnen Sichtbarkeit und fördert neue Geschäftsmodelle. Innerhalb von fünf Jahren wurden bereits 1,3 Millionen Euro in 13 neue Werke investiert, die rund eine halbe Million Zuschauerinnen und Zuschauer im Rahmen von über 400 Aufführungen an 64 Opernhäusern erreicht haben. „Es ist sehr spannend zu sehen, wie eine künstlerische Idee, die in Form eines schriftlichen Konzeptpapiers eingereicht wurde, dann auf der Bühne Wirklichkeit wird“, sagt Gänz.

 Seit 2017 unterstützt das Kulturförderprogramm Creative Europe der EU-Kommission das Projekt mit zwei Millionen Euro. Mit dem neuen „Education Prize“ in Höhe von 50 000 Euro werden in Zusammenarbeit mit dem European Network for Opera and Dance Education (RESEO) zudem soziale Projekte gefördert, so wie die Arbeit mit Schulen und die Einbeziehung von Kindern, um auch verstärkt zum interkulturellen Dialog beizutragen. Darüber hinaus fördert seit diesem Jahr die internationale Unternehmensberatung A.T. Kearney den mit 50 000 Euro dotierten „Digital Prize”, der digitale Innovationen im Opern- und Ballettbereich unterstützt. Die Projektauswahl wird vom professionellen Verband IMZ (International Music + Media Center) und einer Expertenjury getroffen.

Invisible Cities der Rambert Dance Company, London, Szenenbild, © Tristram Kenton / Fedora

Aktuelle Themen

Edilia Gänz selbst, auch privat eine große Liebhaberin von Oper und Ballett, liest alle Bewerbungen mit großem Interesse. „Opern wird ja oft vorgeworfen, dass sie Themen von vor 200 Jahren behandeln, die eine andere Gesellschaft darstellen. Durch den Mangel an neuen Werken entsteht damit eine Kluft zwischen damaligen und heutigen Themen.“ Die neuen Werke hingegen greifen aktuelle Fragestellungen auf, drehen sich oft um Migration, Digitalisierung und wie diese das Leben der Menschen verändert, um Frauenrechte, Umweltprobleme.

So thematisierten Preisträger 2019 in Denis & Katya die tragische Geschichte zweier Jugendlicher und ihrer Konfrontation mit Spezialeinheiten der Polizei; im selben Jahr wurde die Co-OPERAtive, ein Opernzentrum für 60 Jugendliche aus Athen und unbegleitete Flüchtlinge im Alter von 15 bis 17 Jahren gefördert; Invisible City von der Rambert Dance Company ist eine Mischung aus Theater, Choreografie, Musik, Architekturdesign und Projektionsabbildung und gewann damit den Van Cleefs & Arrpels Preis für Ballett 2019.

Die EU-Kommission und Creative Europa beschließen derzeit ihr neues Subventionierungsprogramm, um auch in den kommenden Jahren die Schaffung neuer Werke zu unterstützen. Das trifft sich gut für Edilia Gänz: „Wir haben noch viele Ideen.“

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