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CIGV Dijon

Ein Ort für Genießer

Martin Vogler

Die Cité internationale de la gastronomie et du vin (CIGV), © Ville de Dijon / François Weckerle

14. Juli 2022

Dijon ist seit Mai 2022 noch mehr als bisher ein Sehnsuchtsort für Genussmenschen. Denn mit der Cité internationale de la gastronomie et du vin (CIGV) entstand ein 6,5 Hektar großes eigenes Stadtviertel zu den Themen „Kulinarik“ und „Wein“, das zudem historisch Interessierte locken dürfte.

Das vielschichtige Konzept gilt als sehr ambitioniert, auch weil die Macher unterschiedliche Zielgruppen im Blick haben und auf eine Million Besucher pro Jahr hoffen. Die Einwohner Dijons selbst können dort in der zentral gelegenen village gastronomique auf rund 5000 Quadratmetern ganz normal für den täglichen Bedarf einkaufen. Touristen schlendern gerne zwischen den Geschäften, erstehen aber natürlich selten zum Beispiel frischen Fisch. Um diese modern gehaltenen Pavillons herum stehen historische Gebäude des ehemaligen Hôpital général aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert. Dort gibt es Weinverkostungen und Restaurants.

Das CIGV-Architekturensemble liegt mitten in Dijon, © Ville de Dijon / François Weckerle

Besonders markant ist die ehemalige Kirche des Ancien hôpital. In ihr findet sich die bedeutendste der vier Ausstellungen des Geländes, die sich der kulturellen Entwicklung der Region widmet. Zum Konzept der Cité internationale de la gastronomie et du vin gehören zudem Ausbildungsstätten in Sachen Wein und Kochen, die école des vins de Bourgogne informiert fachmännisch rund um den Weinbau – aber die Stadt Dijon zählt zum gesamten Komplex auch rund 600 neue Wohnungen mit Altenheim, ein Tagungszentrum und ein Kino mit neun Sälen. Alles war zur offiziellen Eröffnung im Mai 2022 noch nicht fertig. Was auch für ein in das neue Viertel integriertes Vier-Sterne-Hotel mit 125 Zimmern gilt.

Zeitversetzte Fertigstellung

Dass die CIGV derart zeitversetzt fertig wurde, verwundert nicht, denn die Bauarbeiten, deren Gesamtkosten bei 250 Millionen Euro liegen sollen, konnten erst 2019 beginnen. Erst 2015 hatten die letzten Patienten das damals noch bestehende Krankenhaus verlassen. Zuvor hatte sich Dijon 2013 in einem Wettbewerb durchgesetzt, in dem die französische Stadt gesucht wurde, die am besten das Kulturerbe französischer Esskultur repräsentiert.

Dijon ließ dabei in Gastronomiekreisen sehr angesehene Städte wie Lyon, Beaune oder auch Rungis hinter sich und darf sich jetzt Cité de la gastronomie nennen. Hilfreich für den Sieg war, dass das Climats genannte Burgundische Weinbaugebiet, zu dem beispielsweise die weltberühmten Lagen der Côtes de Nuits gehören, seit 2015 zum UNESCO-Welterbe zählt. Passenderweise firmiert die CIGV jetzt auch als Startpunkt der Weinstraße Route des Grands Crus. Unter Gourmets genießt die gesamte Region mit ihren zahlreichen Sternerestaurants sowieso seit Jahrzehnten einen legendären Ruf. Und dass ihr kulinarischer Stellenwert sogar vor Hunderten von Jahren bereits beachtlich war, beweisen die Ausstellungen der CIGV.

Die französische Grande École für Hotelmanagement und Gastronomie Ferrandi hat im CIGV eine Dependance mit einer Lehrküche eröffnet. © Ville de Dijon / Jonas Jacquel

Genuss pur

Der Dijon-Besucher kann die täglich geöffnete CIGV bequem in 15 Minuten von der Innenstadt aus zu Fuß erreichen. Lediglich die letzten Meter unter einer Eisenbahnbrücke und über eine mehrspurige Straße sind nicht allzu pittoresk und charmant. Im großräumigen und modernen Empfangsgebäude warten neben den Kassen – die CIGV selbst ist kostenlos, für die Ausstellungen benötigt man Tickets – sehr hilfreiche Mitarbeiter des örtlichen Touristenbüros und ein kulinarisch dominierter Souvenirshop.

Dann führt der Weg hinaus in den mit viel Glas und Holz im Charakter sehr moderner Markthallen gestalteten village gastronomique, der auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs entstand. Hier fühlt man sich fast wie auf einem innerstädtischen Markt, zwischen Verkaufstheken mit Fisch, Fleisch, Pasteten, frischem Gemüse, Obst, Brot, Patisserien und – wir sind in Dijon – selbstverständlich Senf. Aber auch Koch- und Essgeschirr sowie Tischwäsche finden sich im Angebot. In der imponierenden Librairie gourmande gibt es rund 10.000 Kochbücher und sonstigen Lesestoff, der wahre Gourmets begeistert. Gleich nebenan locken gleich mehrere Möglichkeiten, um Wein zu verkosten und natürlich zu kaufen. Denn es soll hier ausdrücklich nicht allein um die kulturelle, wissenschaftliche und historische Bedeutung des Weinbaus gehen, sondern auch ums Genießen: Allein im Weinkeller der CIGV können stets 250 unterschiedliche offene Weine probiert werden. Der Schwerpunkt liegt natürlich beim Burgunder, aber insgesamt sollen 3000 Weine aus aller Welt vertreten sein.

Degustation im gut bestückten Weinkeller, © Ville de Dijon / Jonas Jacquel

Theorie und Praxis

Doch vor der Verkostung sollte die Theorie stehen: Am informativsten, aber auch am unterhaltsamsten, gelingt dies gleich wenige Schritte weiter in der ehemaligen Kirche des Krankenhauses (La grande chapelle / chapelle des Climats et des terroirs), die 1530 fertiggestellt aber seitdem mehrfach umgestaltet wurde. Auf 1750 Quadratmetern spüren selbst profane Fastfood-Fans, welchen Stellenwert im Lauf der Jahrhunderte das gepflegte Essen in Frankreich entwickelt hat. Man erfährt sehr viel über die Geschichte des Weinbaus im Burgund und darüber, wie immens die französische Identität von gutem Essen und Trinken geprägt ist. Die multimediale Ausstellung im Schiff der Ex-Kirche ist sehr eindrucksvoll präsentiert.

Ein zweites – bedeutend kleineres – ehemaliges Gotteshaus auf dem Gelände ist die liebevoll restaurierte Chapelle Sainte-Croix de Jérusalem von 1459. Sie diente früher überwiegend für Trauerfeiern und zum Aufbahren von Verstorbenen, die auf dem nahen Friedhof beigesetzt wurden. Die Kapelle ist der älteste erhaltene Teil des ehemaligen Krankenhauses. Das Hôpital selbst bestand bereits seit 1204. Herzog Odo III. von Burgund gründete es. Die damaligen Gebäude, von denen noch Zeichnungen existieren, zeigen frappierende Parallelen zum erstaunlich gut erhaltenen Hospiz im nahen Beaune mit seinem weltweit bekannten goldenen Dach.

Neben der Präsentation in der ehemaligen Krankenhauskirche erwarten den Besucher drei weitere Ausstellungen, eine davon ist dauerhaft konzipiert. Dort erfährt man viel über die Geschichte des Hospitals einschließlich historischer Apotheke; andere Ausstellungen widmen sich rein kulinarischen Aspekten – zum Start ging es zum Beispiel um Süßes aller Art: Patisserien, die Geheimnisse gelungener Kuchen, Süßwaren …

In der Patisserie-Ausstellung, © Ville de Dijon / A. Laloux

Integration ins Alltagsleben

Die Stadt Dijon ist mächtig stolz auf ihr neues Viertel, das dort entstand, wo vorher das Hospital, aber auch ödes Brachland in Bahnhofsnähe war. Bürgermeister François Rebsamen spricht vom „vielleicht komplexesten und innovativsten Projekt“, das er je vorangetrieben habe. Ihm ist neben der touristischen Strahlkraft wichtig, dass die CIGV nicht zuletzt aufgrund ihrer Lage und des Konzepts tatsächlich in das Alltagsleben der Stadt integriert wird. Ob diese Hoffnung komplett aufgeht, wird sich wohl erst in einigen Jahren zeigen. Doch kulinarisch interessierte Touristen können sich auf jeden Fall über ein weiteres attraktives Ziel in der Bourgogne freuen, für dessen Besuch sie am besten einen ganzen Tag einplanen.

Die Cité interationale de la gastronomie et du vin in Dijon ist im Übrigen kein Einzelprojekt. In der Region Burgund sind drei weitere Cités des climats & vins geplant, die sich mit allem rund um den Weinbau (sic!) beschäftigen werden. Die Eröffnungen in Chablis, Beaune und Mâcon sind für 2023 terminiert.

Die CIGV im Internet:

La Cité internationale de la gastronomie et du vin de Dijon

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