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Route Nationale 7

Straße der Sehnsucht

Martin Vogler

Das Esterel-Gebirge mit Küstenstraße zwischen St. Tropez und Cannes, © Adobe Stock

8. Juli 2022

Wenn Franzosen die rot-weißen Kilometersteine ihrer „Nationale 7“ sehen, geraten sie in Verzückung. Denn in Frankreich lebt – anders als in Deutschland – der Mythos dieser sehr speziellen Traumstraße weiter. Die N 7 oder RN 7 ist ein 1000 Kilometer langes Synonym für Fernweh, Sommer und blaues Meer.

Die N 7 heißt folgerichtig auch Route Bleue. Womit es die in Paris beginnende Straße mit der Ankunft am verklärten Ziel französische Mittelmeerküste spannend macht. Nach Nevers, Moulins und Lyon führt sie im Rhônetal konsequent gen Süden. Doch hinter Avignon biegt sie nach Osten ab und erreicht erst bei Fréjus beziehungsweise Saint-Raphael erstmals das Meer – und nutzt auf dem weiteren Weg bis Menton an der italienischen Grenze nur selten die direkte Küstenstraße.

Gen Süden

Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren war die N 7 – ähnlich der amerikanischen Route 66 – eine Legende voller Sehnsucht, auf der zwischen Schwerlastern Sonnenhungrige, trampende Hippies, Playboys und Familien gen Süden strebten (cf. ein historisches youtube-Video). In der Hauptreisezeit verbrachten sie endlose Stunden in riesigen Staus. Denn anders als in Deutschland boten sich die Autobahnen noch nicht als Alternative an. Anfangs gab es sie selten – und dann mieden Sparsame sie wegen der Maut.

Die Bezeichnung Route nationale 7 gehört heute größtenteils der Vergangenheit an. © Shutterstock

Zwischen Fréjus und Cagnes-sur-Mer, wo die N 7 sich auf extrem unfallträchtigen Kurven durchs Esterel-Gebirge schlängelt, gab es zur Entlastung immerhin bereits 1960 einen kostenpflichtigen Autobahnabschnitt. Eindrucksvoller aber war und ist es hier jedoch auf jeden Fall, N 7 und Autobahn wortwörtlich links liegen zu lassen und auf der Küstenstraße am Meer um das Gebirge herum bis nach Cannes zu fahren. Diese Küstenstraße durfte sich nach ihrem Bau 1904 übrigens 29 Jahre N 7 nennen, heute heißt sie D 559 – Route départementale 559.

Natürlich ist die verkehrstechnische Bedeutung der N 7 angesichts des komfortablen Autobahnnetzes, der vielen Flüge von Paris nach Nizza, Marseille oder sogar nach Hyères sowie des Hochgeschwindigkeitszugs TGV stark gesunken. Das zeigt sich schon daran, dass die Straße nur selten als N 7 ausgeschildert ist.

Mythos und Nostalgie

Der Niedergang begann bereits 1972, als die ersten Nationalstraßen in die Hoheit der Departements überführt wurden und neue Bezeichnungen erhielten. Mancher, der heute die klassische Route nutzen will, besorgt sich deshalb besser eine alte Straßenkarte. Doch die Orte an der Strecke halten den Mythos der Traumstraße aus nostalgischen und touristischen Gründen aufrecht. An manchen Stellen stehen meterhohe Nachbauten der alten rot-weißen Kilometersteine mit der Aufschrift N 7. Die Tour lohnt sich auch noch heute, besonders wenn man sie unter ein spezielles Motto stellt – wahlweise Kulinarik, Kultur, Weinbau, Architektur usw.

Ein alter Michelin-Meilenstein bei Charbonnieres-Les-Bains, © Shutterstock

Ein wenig Nostalgie fährt natürlich immer mit. Wer es auf die Spitze treiben will, hört sich unterwegs das emotionale Chanson Nationale 7 von Charles Trenet aus den 1950er-Jahren an. Trenet geht in seiner Begeisterung für die berühmte Chaussee sogar so weit, Paris zu einem Vorort von Valence herabzuwürdigen. Wobei der 100 Kilometer südlich von Lyon gelegene Stadt im Drôme-Gebiet durchaus eine eindrucksvolle Rolle zukommt: Bei Valence ändert sich die Vegetation hin zum Mediterranen inklusive Zirpen der Zikaden – was natürlich auch gilt, wenn man im Rhônetal auf der parallelen Autoroute du Soleil unterwegs ist, die nicht zuletzt als Verbeugung vor der alten Sehnsuchtsstraße die Bezeichnung A 7 trägt.

Von Notre-Dame bis zum Mittelmeer

Die besondere Rolle der N 7 ergibt sich aus dem Sehnsuchtsziel Mittelmeer, den 1000 Kilometern Länge und der Tatsache, dass schon die Römer diese Strecke – in Gegenrichtung – hinauf bis nach Lutetia (Paris) nutzten. Dort, auf der Île de la Cité, vor der Kathedrale Notre-Dame, markiert eine Messingplatte den point zéro, Ausgangspunkt für insgesamt 14 – ehemalige – Nationalstraßen, die im Uhrzeigersinn angeordnet sind: Nummer 1 führt nach Dunkerque, Nummer 14 nach Le Havre. Die N 7 beginnt hier seit 1824, wobei sie zu jener Zeit nur bis Saint-Laurent-du-Var führte: Die Grafschaft Nizza gehörte bis 1860 zu Italien.

Wer sich für Römische Architektur interessiert, kann bereits knapp zwei Kilometer nach dem Start die von banalen Wohnhäusern umgebene Arena von Lutetia besuchen. An der alten Römerroute gibt es unterwegs immer wieder Arenen – zum Beispiel in Orange, Fréjus oder Nizza-Cimiez. In Orange ist das Umrunden des größten römischen Triumphbogens nördlich der Alpen ein beeindruckendes Fahrerlebnis. Auch besondere Brücken liegen auf der Route, etwa die vielbesungene von Avignon.

Die Kanalbrücke von Briare, © Martin Vogler

Bei Briare (kurz hinter Gien) sollte man sich rechts in Richtung Loire halten, um ein sehr spezielles Bauwerk zu besichtigen: Eine Brücke im Jugendstil führt einen Kanal quer über die Loire. Das Konstrukt stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts und wurde unter Mithilfe Gustave Eiffels entworfen und gebaut. Wahlweise geht es auch profaner: Südlich von Paris etwa überrascht die N 7 damit, dass sie in einem Tunnel unter dem Terminal des Flughafens Orly hindurchführt. An der Rhône sollte man die Augen vor den riesigen Atomkraftwerken wie z. B. denen in Pierrelatte nicht verschließen. Die positive Einstellung der Franzosen zu ihren centrales nucléaires zeigt sich hier nicht zuletzt darin, dass die Kühltürme bunt angemalt sind – und man die Meiler von Besucherterrassen aus bewundern kann.

Wenn der Weg zum Ziel wird

Ein besonderes Augenmerk galt und gilt auf der N 7 natürlich Automobilen. Oldtimern begegnen die Menschen an der Stecke mit viel Sympathie, nördlich von Orange gab es in Piolenc ein privat betriebenes N-7-Museum mit allem rund ums Auto. Früher existierten auch zahlreiche kleine Werkstätten, die auf typische Verschleißteile der damaligen Touristenautos spezialisiert waren. Bei Nevers liegt nahe der N 7 zur Freude von Motorsportfans die Rennstrecke Magny-Cours. Anders als einst aber quälen sich die Blechkarawanen dank moderner, aber stilloser Umgehungsstraßen seltener durch die Ortskerne.

Das Logo der Relais des Routiers, © Shutterstock

In Sachen Gastlichkeit ist die N 7 an Vielfalt kaum zu übertreffen. Das Spektrum reicht von Spitzengastronomie nicht nur in Lyon bis hin zu Les-Routiers-Lokalen mit ihrer preiswerten Küche (immer empfehlenswert: das Tagesgericht: plat du jour), von denen erstaunlich viele überlebt haben. Noch immer sind deren Parkplätze mittags voller Lastkraftwagen.

Ein paar Beispiele für ganz unterschiedliche, regionale kulinarische Verlockungen entlang der N 7: Ziegenkäse-Liebhaber kommen nicht an Sancerre vorbei, ohne den berühmten Crottin de Chavignol zu kosten, in Montélimar locken unzählige Verkaufsbuden mit dem weißen Nougat der Stadt, und weiter südlich gelingt es kaum einem Touristen, den verführerisch duftenden Märkten zu widerstehen – und sei es durch den Kauf von ein paar Säckchen provenzalischer Kräuter, den herbes de Provence. Ein kulinarischer Höhepunkt wartet auch in Menton, am Ende der N 7: Die Stadt feiert nicht nur jährlich ein Zitronenfest, sondern vermarktet ihre Zitrusfrüchte, die dort im milden Klima hervorragend gedeihen, sehr erfolgreich. Im Traditionshaus Herbin kann man sogar beim Zubereiten der Konfitüren zuschauen.

Für Weinfreunde und önologisch Interessierte ist die N 7 das Paradies. Wohlklingende Lagen wie zum Beispiel Sancerre, Pouilly-sur-Loire, Tain-l’Hermitage oder Châteauneuf-du-Pape liegen auf der Strecke. Die riesigen Anbaugebiete Côte du Rhône und Côtes de Provence sorgen für eine große Auswahl an Weiß-, Rosé- und Rotwein; auch der Anis-Aperitif Pastis mit seinem intensiven Geschmack des Südens ist ursprünglich ein Produkt dieser Region.

Tournon-sur-Rhône, ca. 80 km südlich von Lyon, liegt im Anbaugebiet des Côte du Rhône © Shutterstock

Übernachtungsmöglichkeiten gibt es an der N 7 in jeder Kategorie; viele Hoteliers spielen entlang der Strecke mit der Bezeichnung N 7. So nutzt das Relais 500 de Vienne seine Lage am Streckenkilometer 500 und hat etliche Zimmer im Stil amerikanischer Motels der 1960er-Jahre gestaltet – die Route 66 lässt grüßen. Geschäftsleute fast aller Branchen nutzen die Route Nationale 7 bis heute zu Werbezwecken: Bistrots, Lebensmittelläden und in Pont d’Isere sogar der Tattoo Shop RN 7 (u. a. auf facebook).

Linktipps:

Die Nationale 7 heute

Eine Orientierungshilfe

  • Nach dem Start in Paris neben der Kathedrale Notre-Dame, Place Jean-Paul II, verlässt man nach vier Kilometern an der Porte d’Italie auf der D 7 die Hauptstadt und passiert typische Vorstädte der Pariser Banlieue wie z. B. Villejuif.
  • Über Fontainebleau (65 km) führt die Strecke, die hier meist D 907 heißt, über Montargis und Briare zur Loire, der sie dann lange flussaufwärts folgt. Weitere größere Städte sind auf der hier meist vierspurigen Schnellstraße Nevers (234 km), Moulins und Roanne (377 km), bevor man Lyon (462 km) erreicht.
  • 13 Kilometer hinter Roanne gibt es eine traditionelle Alternativstrecke für alle, die die Querung von Lyon vermeiden wollen. Diese N 82 bzw. D 1082 führt über St-Etienne und Annonay ins Rhônetal zur N 7 und ist in der zweiten Hälfte sehr kurvig.
  • Wer über Lyon fährt, bleibt via Vienne, Valence (572 km), Montélimar, Orange bis Avignon (697 km) auf der N 7, die hier tatsächlich immer wieder N 7 heißt. Sie verläuft stets parallel zur Rhône.
  • Weitere Stationen, jetzt eher in Richtung Osten, sind Aix-en-Provence, St-Maximin, Brignoles und schließlich Fréjus (km 894), wo erstmals das Meer zu sehen ist. Wer hier streng der N-7-Route folgen will, bleibt im Landesinneren auf der DN 7 und erreicht nach einer gebirgigen Fahrt Mandelieu und schließlich Cannes (930 km), wo es dann auch offiziell mal direkt ans Meer geht.
  • Über Golfe-Juan führt die Route nach Antibes. Von dort gelangt man auf der D 6007 über Villeneuve-Loubet und Cagnes-sur-Mer sehr langsam und an vielen Ampeln vorbei nach Nizza. Schöner und schneller ist die alternative D 6098 am Meer entlang, die in Nizza auf die berühmte Promenade des Anglais mündet. Um die D 6098 zu finden, folgt man in Antibes der Ausschilderung zum Bahnhof (Gare) bzw. „Nice par bord de mer“. Hinter Nizza geht die N 7, hier M 6007 genannt, über die mittlere der drei Küstenstraßen, die corniches, inklusive Blick auf Monaco via Eze (provence-info.de) nach Menton (provence-info.de); sie endet an der Grenzstation nach Italien.
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