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Elsass und Vogesen

Kultur und Natur

Cornelia Frenkel

Der keltische Tempel auf dem Donon, © MattLphotography, Shutterstock

8. April 2021

Mittelalterliche Fachwerkhäuser, zahlreiche Burgen und die Weinstraße – die landschaftliche und politische Einheit Elsass, 772 erstmals unter diesem Namen erwähnt, ist zugleich Erholungsgebiet und Bildungserlebnis.

Kunst und Architektur haben hier eine jahrhundertealte Geschichte; sie verbindet den germanischen und romanischen Kulturraum, der oft Zankapfel war. Von Nord nach Süd dehnt sich der Landstrich 190 Kilometer lang aus, im Osten begrenzt durch den Rhein, im Westen durch den Hauptkamm der Vogesen. Seine Vorbergzone bietet dem Weinbau ideale Voraussetzungen. Ebenso wie die Gastronomie ist der Wein wichtiger Bestandteil des elsässischen Selbstverständnisses; die Alltagsküche ist zwar bäuerlich geprägt, doch gibt es auch zahlreiche Sterne-Restaurants. Zu den Elsass-Klischees gehören der Storch auf dem Kirchendach und idyllische Szenen von Maler „Hansi“.

Mit dem Fahrrad im Weinberg, © ADT-Infra

Wandern, Fahrradfahren, Fernblicke

Das Elsass und die Vogesen sind ein Wanderparadies, mit 2500 km Radwegen zudem ein Mekka für Biker. Während sich die Nord- und Mittelvogesen dicht bewaldet zeigen, ist die Landschaft der Südvogesen geprägt von Hochweiden, Laubbäumen, Gebirgsseen und Panoramablicken bis zu den Alpen. Die Übergänge von Nord nach Süd sowie zwischen Weinbaugebiet und Bergen sind fließend. Zum höchsten Gipfel, dem Großen Belchen (1424m), gelangt man über die atemberaubende Vogesenkammstraße, die aus der Ferne blau schimmert. Herausragende Wanderziele sind das Taennchel-Massiv, die Niedecker Wasserfälle, der Sentier des Roches am Col de la Schlucht, die Heidenmauer um den Mont St. Odile, die Hohlandsbourg oder der Steinberg neben dem Petit Ballon. Beeindruckend ist zudem der keltisch und gallorömisch geprägte Berg Donon im Nordelsass oder der Thanner Hubel im Süden. Vielerorts lässt es sich meditativ flanieren, etwa auf dem Dichterweg im Vallée Noble oder durch die sanften Hügel der Weinstraße mit ihren charmanten Fachwerkdörfern, darunter Riquewihr, Rosheim, Kaysersberg, Kientzheim und Eguisheim. Überall finden sich Spuren der Römerzeit und der Renaissance, aber vielerorts auch Soldatenfriedhöfe, Festungsbauten und Gedenkstätten, die an ein Elsass zwischen oft feindlichen Fronten erinnern.

Fachwerkhäuser in Colmar, © OT Colmar

Strasbourg, Sélestat, Colmar, Mulhouse

Nicht nur wunderbare Landschaften und Dörfer, auch Städte mit markantem Flair laden zum Entdecken und Verweilen ein, allen voran das Unesco-Welterbe Strasbourg. Seine Kathedrale gehört zu den bedeutendsten Europas. Zahllose Sehenswürdigkeiten lassen sich zu Fuß erkunden, etwa das pittoreske Viertel „La petite France“ entlang des verzweigten Flüsschens Ill zum Aussichtspunkt „Barrage Vauban“; kopfsteingepflasterte Gassen, Fachwerkhäuser, Kanäle und Brücke ergeben eine einzigartige Atmosphäre und erinnern an die Fischer, Müller, Färber und Gerber, die einst hier wirkten. Zudem locken zeitgenössische Architektur und Museen, darunter das Tomi-Ungerer-Museum („Meine Kindheit im Elsass“).

Auf dem Weg ins südliche Elsass ist die Humanisten-Bibliothek in Sélestat ein Muss. Colmar ist für seine kulturgeschichtlichen Zeugnisse, das Viertel „Klein Venedig“, das Musée Bartholdi sowie das Musée Unterlinden mit dem Isenheimer Altar im ehemaligen Dominikanerinnenkloster aus dem 11. Jahrhundert bekannt. Eine Autostunde entfernt liegt Mulhouse, Hauptstadt der Technik- und Industriegeschichte und ihrem Automobilmuseum und dem Motorradmuseum La Grange à Bécanes mit jeweils außergewöhnlichen Exponaten. Weitere Attraktionen in der Nähe: das Écomusée und der Parc du Petit Prince.

Erhabene Trutzburgen

Über der elsässischen Ebene thronen über 300 mittelalterliche Höhenburgen. Heute sind es meist gut erhaltene Ruinen, die zum Entdecken einladen. Beliebte Ziele sind die Burg Fleckenstein (12. Jh.) in den Nordvogesen, die schmuck restaurierte Haut-Koenigsbourg sowie drei imposante Burgen oberhalb von Ribeauvillé, die man an einem Tag auf einem neun Kilometer langen Rundweg besuchen kann.

Die Ruine der Ulrichsburg oberhalb von Ribeauvillé , © Tristan Vuarno

Bizarres Taennchel-Massiv

Vier Kilometer nordwestlich von Ribeauvillé liegt zwischen zwei Tälern ein weiteres verlockendes Tagesziel, der Taennchel. Der Taennchel ist ein 992 hoher Buntsandsteinblock auf einem Sockel aus Granit. Auf seinem sechs Kilometer langen Gipfelgrat befinden sich mehrere kuriose Felsformationen (Rocher des Géants, Rocher du Crocodile, Les TroisgrandesTables), die als prähistorische Kultstätten gelten, sowie Reste der sogenannten „Heidenmauer“ (Mur païen), eine rund zwei Kilometer lange Befestigungsanlage unbekannten Alters. Das Taennchel-Massiv lässt sich von verschiedenen Seiten aus erreichen, von Ribeauvillé, Thannenkirch oder Sainte-Marie-aux-Mines, allerdings nur zu Fuß – in der „wilden“ Atmosphäre eines Bannwaldes.

Donon-Gipfel, Vallée de la Bruche, Ban-de-la-roche

Der Höhepunkt der mittleren Vogesen, an der Grenze zwischen Elsass und Lothringen, ist der Donon. Von seinem Gipfel (1009 m), ein wuchtiges Plateau, auf dem 1869 ein neo-klassischer Tempel errichtet wurde, erschließt sich ein einzigartiges Panorama. Historische Bedeutung erhielt der Donon durch seine geographische Lage: Kelten, Römer und Franken nutzten den Berg als Kultstätte. Seine Blütezeit war zwischen dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Erst im 17. Jahrhundert entdeckten Gelehrte das Donon-Massiv und machten archäologisch wichtige Funde, die auf eine bis zu 5000 Jahre zurückreichende Besiedlung hinweisen. Der Donon ist zudem Wasserscheide. Hier entspringen Flüsse, die Täler in den üppigen Wald des Massivs graben, etwa die Vallée de la Bruche. Fährt man dieses Tal in Richtung Süden und biegt in Fouday gen Osten ab, gelangt man ins Steintal, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat und das sich ebenfalls für einen Tagesausflug anbietet.

Im Steintal (Ban-de-la-roche), im Örtchen Waldersbach, befindet sich das Musée Oberlin, das durch Büchners Novelle „Lenz“ in die Literatur eingegangen ist. Es erinnert an den Pfarrer und aufgeklärten Pädagogen Jean-Frédéric Oberlin (1740–1826), der an diesem abgelegenen Ort der notleidenden Bevölkerung zu Hilfe kam. Er ließ Brücken bauen und richtete Spielstuben ein; auch sammelte er lehrreiches Anschauungsmaterial aus der Natur und modernste Geräte wie Mikroskop und Pantograf. Wer danach noch Kraft hat, kann zumChamp du Feu (1009 m) und zum „Gipfel der Achtsamkeit“ hinaufsteigen – Flow garantiert!

Thann, © Adobe Stock

Weit schweift der Blick

Zum krönenden Abschluss eines Streifzugs durch das Elsass fahre man auf der Route Nationale 66 südlich Richtung Thann, auf den Col du Hundsrück und gehe dann zu Fuß weiter, durch dichte Wälder und lichte Weiden – mehrere Ferme-Auberges liegen auf dem Weg. Beim Ausblick von den Hochweiden rund um den Gipfel des Thannerhubel – der vom Grand Ventron im Norden, bis zu den Alpen im Süden reicht – könnte sich kaum ein erhebenderes Gefühl einstellen. Am nächsten Tag geht es zurück in den Nordwesten, in das sogenannte „Alsace bossue“ (Krummes Elsass), eine stimmungsreiche Hügellandschaft mit ganz eigener Tradition und einem Kanal mit Geh- und Radwegen.

Praktische Info

Folgende Bücher enthalten Tourendarstellungen mit Karten und GPS-Tracks zur Orientierung:

● Ralf Ritter, Rudolf Ritter, Wanderwege im Elsass. 25 Rundwanderungen in den Südvogesen. Silberburg Verlag, 2019

● Pascal Cames, Wanderkino Elsass: Die 20 schönsten Touren mit Einkehrtipps. Rombach Verlag, 2017

● Antje & Gunther Schwab, Elsass. Wanderführer mit 38 Touren. MM-Verlag, 2009

● Antje & Gunter Schwab, Straßburg mit Stadtplan und Web-App. MM-Verlag, 2019

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