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Sommer 2020

Urlaub im Hexagon

Anna Pettini

Social Distancing am weißen See im Tal von Kaysersberg, © Office de tourisme Vallée de Kaysersberg

14. August 2020

Emmanuel Macron mit nacktem Oberkörper auf einem Jetski vor der Präsidentenresidenz Fort de Brégançon an der französischen Riviera – ein Bild, das in den sozialen Netzwerken viral ging. Wie ihr Präsident machen viele Franzosen in diesem Sommer Ferien im eigenen Land.

Laut einer Umfrage der regionalen Tourismuszentralen wollen die meisten Französinnen und Franzosen diesen Sommer trotz der Pandemie Urlaub machen, und zwar im eigenen Land. Damit gleichen sie in manchen Regionen zumindest teilweise die Verluste aus, die wegen fehlender ausländischer Klientel entstanden sind.

Aufs Land, in die Natur

Die beliebtesten Urlaubsziele Frankreichs bleiben die Küsten (43 %), ländliche Regionen (27 %) und die Gebirge (12 %). Nach dem harten, 55 Tage dauernden landesweiten Lockdown sucht die Bevölkerung Bewegungsfreiheit und unberührte Natur fernab der Städte. Die Regionen, die diesen Kriterien entsprechen, sind die gefragtesten. Der Süden, der Südwesten und die Bretagne, wo Social Distancing meist kein Problem ist, sind in diesem Sommer als Reiseziele außerordentlich beliebt. Laut den Tourismuszentralen erwarten allerdings nur 43 Prozent der Reisenden, dass die Corona-Vorschriften an öffentlichen Orten respektiert werden, 40 Prozent wollen auf jeden Fall touristisch interessante Orte sowie Naturgebiete betreten dürfen. So bestimmt die Pandemie in diesem Jahr das Tourismusverhalten der verunsicherten französischen Bevölkerung: nur 50 Prozent der Befragten wollen überhaupt in Urlaub fahren, 28 Prozent lieber zu Hause bleiben und 22 Prozent haben noch keine Entscheidung getroffen.

Im bretonischen Camaret-sur-Mer ist Abstand halten kein Problem. © Anna Pettini

Sinkende Belegungsraten

Auch die beliebtesten Urlaubsdestinationen verzeichnen eine deutlich niedrigere Nachfrage als im Vorjahr, die das ganze Hexagon betrifft. Die französischen Urlauberinnen und Urlauber sind zwar zahlreicher als in den Vorjahren im eigenen Land unterwegs, können aber den Verlust, der durch die fernbleibende ausländische Klientel entstanden ist, nicht immer ausgleichen, wie die Belegungsraten der Hotels zeigen.  Am Schlimmsten hat es im Vergleich zu 2019 die Regionen fernab der Küsten getroffen: die Île-de-France (der Großraum Paris) verliert 41,7 Prozentpunkte, dann folgt die Bourgogne-Franche-Comté mit 21,2 Prozentpunkten und danach die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit einem Minus von 20,7 Prozentpunkten, so eine Studie zwischen dem 1. und 25. Juli 2020. Nicht nur Hotels leiden unter dieser Situation. Die Gruppe Pierre & Vacances, die Ferienappartments und -häuser vermietet, verzeichnet ebenfalls einen deutlichen Rückgang von Buchungen, erwartet aber bis zum Jahresende ein Geschäftsergebnis „ziemlich nahe“ an  dem des Vorjahres.

Bretagne, Süden und Südwesten

Die Bretagne ist die einzige französische Region, die im Gegensatz zu allen anderen keine spürbaren Einbußen hinnehmen muss. Im Juli 2020 ist die Belegungsrate gegenüber letztem Jahr nur um 7,8 Prozentpunkte gesunken, während andere Regionen mit Verlusten zwischen rund 15 Punkten (Hauts-de-France, Nordfrankreich) und mehr als 41 Punkten (Île-de-France) hinnehmen müssen. Besonders am Wochenende des 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, waren die Zahlen rekordverdächtig: Die Belegungsrate in den bretonischen Hotels betrug über 89 Prozent – fast 15 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Tatsächlich bietet die Bretagne im Sommer gerade auch in Zeiten von Corona einiges: zahlreiche Küsten mit teils wilder Natur, saubere Luft, erträgliche Temperaturen und eine gute Küche – weshalb sie auch bei Deutschen sehr beliebt ist.

An der Côte d’Azur kamen 2019 rund 53 Prozent der Ferienengäste aus dem Ausland. Die Bilanz des Sommers 2020 steht noch nicht fest. Sicher ist jedoch, dass die Saison einzigartig ist. Christine Biben von der Tourismuszentrale der Region Landes Atlantique Sud (Südwestfrankreich) meint: „Die bisherigen Zahlen sind sehr zufriedenstellend. Es ist derzeit schwierig zu sagen, wie es über den 21. August hinaus weitergeht.“ Natürlich hängt die restliche Saison sehr stark von der Entwicklung der Pandemie in Frankreich ab.

Dicht an dicht: Wellenbaden in Moliets-et-Maa an der französischen Atlantikküste am 30. Juli 2020, © picture alliance / NurPhoto

Wiederentdecktes Elsass

Deutsche sind auch stets „die erste ausländische Kundschaft in Straßburg”, sagt Léa Schaetzlé, vom Tourismus-Büro der elsässischen Hauptstadt, dennoch bleiben die Besucherzahlen niedriger als im Vorjahr. Zur Hohkönigsburg, dem meistbesuchten Schloss im Elsass, kommen auch in diesem Jahr wieder Deutsche, wenn auch zögerlich. Das Schloss muss den Zugang wegen der Pandemie zudem auf 1200 Personen pro Tag begrenzen.

Zwischen dem 10. Juli und 4. August waren 7 % der Besucher Deutsche, normalerweise sind es knapp 15 %. Die Zahlen seien aber wegen der Zugangsbegrenzung nicht vergleichbar, so Direktor Bruno Caro: „Wir sind sehr froh, das Schloss wieder öffnen zu können. Die deutschen Besucherinnen und Besucher sind begeistert. Sei es von der germanischen Geschichte des Schlosses oder der geographischen Nähe zu ihrem Heimatort.“

Ähnlich klingt das auch im restlichen Elsass, das die Pandemie gleich zu Beginn mit am härtesten getroffen hatte: „Man hatte uns gesagt, dass keine Deutschen kommen würden, aber sie sind hier, das ist eine gute Nachricht. Die Zahlen sind nicht so schlecht, wie wir befürchtet haben. Wir sind optimistisch“, so Christophe Bergamini, Direktor des Tourismusbüros vom Vallée de Kaysersberg. Im Juli gab es dort 30 Prozent weniger Deutsche als im Vorjahr. Und nur 18 Prozent weniger Franzosen. Die Zahlen sind zwar erwartungsgemäß schlecht, aber nicht so schlecht, wie manche befürchtet hatten.

Wie es nach der Sommersaison weitergeht, ist unklar; die seit Anfang August nicht zuletzt wegen der Sorglosigkeit der Bevölkerung deutlich steigenden Corona-Fallzahlen lassen das Schlimmste befürchten: „Vor allem was den Weihnachstmarkt angeht, sind wir in großer Sorge“, so Bergamini.

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3 Kommentare/Commentaires

  1. Informationsreicher Artikel, der die aktuelle Situation zutreffend beschreibt.
    Hab selber diesen Sommer die Bretagne und den Südwesten Frankreichs besucht : sehr lohnenswert !

  2. Cet article très complet donne une idée – peut-être – des destinations vacances à favoriser à l’avenir pour les organismes touristiques : partir dans son pays ! Ça serait mieux pour lutter contre le réchauffement climatique, non ?

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