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Waldbrände in Frankreich

Außer Kontrolle

Hilke Maunder

Ein Löschflugzeug zwischen Aubais und Gallargues-le-Montueux im Département Gard am 31. Juli 2022, © Shutterstock

15. August 2022

2022 wüten in Frankreich die verheerendsten Waldbrände seit 1976: Bis Mitte August gehen 62.154 Hektar Land in Flammen auf – eine Fläche sechsmal so groß wie Paris. Erst mithilfe der EU können die Brände gestoppt werden.

Europas höchste Düne im Flammenmeer: Die Bilder rund um die Dune du Pilat schockieren im Sommer 2022 die Welt, die Auswirkungen sind katastrophal (Euronews auf youtube). Mehr als 20.000 Hektar Pinienwald, einst zur Eindämmung des Sandflugs an der Silberküste gepflanzt, werden im Département Gironde der Region Nouvelle-Aquitaine zerstört.

Anfang August flammt das Feuer erneut auf. Mehr als 10.000 Bewohner müssen in den Départements Gironde und Landes evakuiert werden; die Autobahn von Bordeaux nach Spanien ist zeitweilig gesperrt. Im Département Aveyron flüchten 500 Menschen aus Rivière-sur-Tarn und Mostuéjouls vor den Flammen; bis zur Autobahn A 75, La Méridionale, sind die Rauchwolken zu sehen – und zu riechen. Die wirtschaftliche Nutzung der französischen Wälder und die dort gepflanzten Baumarten, zum Beispiel die Pinienwälder in den Landes, geraten in die Kritik, weil sich Feuer in Monokulturen viel leichter und schneller als in Mischkulturen ausbreiten.

Waldbrände kennt der Midi, Frankreich südlich des 45. Breitengrades, seit jeher. Doch 2022 erobern die feux de forêt auch Landesteile, die bislang verschont geblieben waren. Im ostfranzösischen Jura werden 330 Hektar Wald Opfer der Flammen, im

westfranzösischen Département Maine-et-Loire vernichten Feuer über 1500 Hektar. Auf Korsika vernichten im Département Haut-Corse Brände allein bis zum 3. August 450 Hektar Macchia. Selbst der mythische Wald von Brocéliande in der Bretagne bleibt nicht verschont.

Zunehmende und dauerhafte Umweltschäden

Seit Jahresbeginn werden in Frankreich 62.084 Hektar Land Opfer der Flammen und damit mehr als das Sechsfache der Felder und Wälder im Durchschnitt der Jahre 2006 bis 2021 (cf. der europäische Vergleich). Aber bei 62.084 Hektar handelt es sich um die Fläche von 88.000 Fußballfeldern, fast sechs Mal die Fläche von Paris – und 0,11 Prozent der Fläche des ganzen Landes. 2006 bis 2021 liegt dieser Wert noch bei 0,22 Prozent. 62.084 Hektar bedeuten indes nur Platz zwei in Frankreichs Waldbrandstatistik: 1976 waren sogar rund 80.000 Hektar.

Laut Statistik des Innenministeriums gibt es in Frankreich 251.900 Feuerwehrleute. Doch nur 41.800 von ihnen, und damit 17 %, gehören zur Berufsfeuerwehr. Weitere 13.000 (5 %) stellt das Militär. Mit 197.100 Männer und Frauen sind die mit Abstand meisten (78 %) bei der freiwilligen Feuerwehr – und im Sommer 2022 wegen der Coroana-Maßnahmen zu einem Großteil nicht einsatzbereit.

Europäische Solidarität

Am 9. August 2022 aktivieren die französischen Zivilschutzbehörden den europäischen Unions-Mechanismus UCPM und richten damit einen Hilferuf an Europa, dem schnell entsprochen wird. Die EU schickt vier bislang in Griechenland und Schweden stationierte Löschflugzeuge nach Frankreich, da das Land nicht über genügend des Typs Canadair verfügt.

In Polen machen sich 150 Einsatzkräfte aus Wroclaw mit 50 Wagen auf den Weg nach Frankreich. Auch Rumänien hilft. Österreich verlegt 70 niederösterreichische Feuerwehrleute ins Hexagon, die in zwei Schichten im Einsatz sind. Unterstützung im Kampf gegen die Flammen kommt auch aus Deutschland. Im Rheinland machen sich 65 Feuerwehrleute aus Bonn, Düsseldorf, Leverkusen, Königswinter und Ratingen mit 20 Fahrzeugen und vier Anhängern auf den Weg ins Flammenmeer der Gironde. Niedersachsen unterstützt den Konvoi mit weiteren Feuerwehrleuten, einer Versorgungseinheit der Johanniter-Unfallhilfe und Experten der Hilfsorganisation @fire. Bewegt bedankt sich Emmanuel Macron für die europäische Solidarität.

Ende August 2022 sind die Brände gelöscht oder unter Kontrolle. Nun liegen auch die Klimadaten für diesen Sommer vor. Er ist, so Météo France, der zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. 43 Tage hintereinander liegt die tiefsten Temperaturen bei über 15 ° C. Der Temperaturrekord von 2003 wurde indes nicht gebrochen – Conqueyrac und Saint-Christol-lès-Alès im Département Gard melden am 12. August 2003 44,1° C.

2022 werden landesweit maximal 42 ° C als höchster Wert gemessen. Die Hitzewelle (canicule) im Juli 2022 beschert Frankreich immerhin den zweittrockensten Monat seit März 1961. In mehr als der Hälfte der Départements muss der Wasserkonsum rationiert werden. In Lothringen stellt Vézelise als erste französische Gemeinde täglich für sechs Stunden das Leitungswasser ab. Landwirte und Winzer fürchten um ihre Ernte.

Pyromanen und Psychopathen am Werk

Hitze und Trockenheit sind die Brandbeschleuniger. Doch Auslöser der verheerenden Feuer ist in den meisten Fällen der Mensch. Beim Wiederaufflammen der Brände in der Gironde-Mündung gibt es, so Innenminister Gérald Darmanin, „große Verdachtsmomente“ auf Brandstiftung, da die Brände nur wenige Hundert Meter voneinander entfernt ausbrechen. In der Bretagne ermittelt die Staatsanwaltschaft nach den Bränden der Monts d‘Arrée (Finistère); im Département Ardèche verhaftet die Polizei am 27. Juli einen 44-Jährigen, der bei Aubenas mehrere Brände gelegt hatte.

Manche Täter sind Pyromanen, die aus Lust am Feuer zündeln. Andere wollen mit Feuer Fakten schaffen, sich für Unrecht oder an Menschen rächen. Brandstiftung als Ursache der Feuer bestätigt auch die Promethée-Datenbank, die 2022 alle Brände in den 15 Départements der französischen Mittelmeerküste erfasst. Von den 36 Bränden mit über zehn Hektar Schadensgröße sind mindestens 26 auf Brandstiftung zurückzuführen – und damit 72 Prozent aller Feuersbrünste. 17 – und damit fast die Hälfte – werden bis Mitte August 2022 böswillig entfacht.

Die Prometheus-Zahlen bestätigen den französische Feuerwehrverband Fédération Nationale des Sapeurs-Pompiers de France (FNSPF), der eine bessere Prävention fordert. Verbandssprecher Éric Brocardi regt während der sommerlichen Hitzewellen einen täglichen Zustandsbericht der Wälder an, der für jeden Ort den Trockenheitsgrad, die Windstärke und das Brandrisiko angibt – beispielsweise mit einem Farbcode, wie Australien ihn bereits für seine Buschfeuerwarnungen nutzt.

Im Kampf gegen die Feuerteufel verkündet Innenminister Darmanin die Einstellung von 3.000 gendarmes verts, „grünen“ Polizistinnen und Polizisten, die als Umweltpolizei tätig werden sollen. Schließlich haben Präsident Emmanuel Macron und Premierministerin Élisabeth Borne bei ihrem Besuch im Département Gironde vor Ort übereinstimmend festgestellt, jetzt handeln zu müssen. Sonst drohe 2023 noch Schlimmeres.

Incendies de forêt en Allemagne

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