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Rundfunkgebühr in Frankreich

Aus die Maus

Martin Vogler

Das architektonisch markante Funkhaus Maison de la Radio in Paris wurde 1963 eröffnet. Es beherbergt seit 1975 den öffentlichen Hörfunksender Radio France. © Shutterstock

14. August 2022

Staatspräsident Emmanuel Macron hat mit der Abschaffung der Rundfunkgebühr ein zentrales Wahlversprechen gehalten: Parlament und Senat stimmten zu. Doch in Frankreich hält sich die Begeisterung in Grenzen – während in Deutschland Kritiker des Rundfunkbeitrags Rückenwind verspüren.

Nachdem Nationalversammlung (im Juni 2022) und Senat (im August 2022) im Eiltempo die Entlastung beschlossen haben, werden alle Haushalte, die zumindest ein Fernseh- oder Radiogerät besitzen, jährlich 138 Euro sparen. Die Gebühr, redevance audiovisuelle genannt, liegt nämlich deutlich unter den rund 220 Euro in Deutschland. Wobei diese Zahlung an die Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten GEZ seit 2013 auch fällig ist, wenn man kein klassisches Empfangsgerät hat. Schließlich sei Rundfunk- und Fernsehempfang technisch auch mit Computern und Mobilgeräten möglich.

Der Jubel in Frankreich hält sich dennoch in Grenzen. Denn die Bevölkerung ahnt, dass die insgesamt 3,2 Milliarden der bisherigen Gebühren anderweitig von ihr aufgebracht werden müssen. Vorerst soll es die Mehrwertsteuer richten; der Senat setzte dafür jedoch bis Ende 2024 ein zeitliches Limit und verlangt somit eine neue Lösung.

Laut einer Umfrage der links orientierten Stiftung Fondation Jean Jaurès ist eine knappe Mehrheit allerdings für die redevance: 16 Prozent würden demnach sogar alles so lassen, wie es war; 35 Prozent der Befragten wiederum wollen, dass der Betrag – wie beispielsweise in Skandinavien – individuell an die Einkommenshöhe angepasst wird. Nur 20 Prozent plädieren der Fondation gegenüber für die ersatzlose Streichung der Abgabe. Eine Blitzumfrage der französischen Tageszeitung Le Figaro kam hingegen auf 78 % Zustimmung für die Abschaffung.

Zufriedenheit mit dem Programm

Viele sind in Frankreich mit ihren öffentlich-rechtlichen Sendern durchaus zufrieden und schätzen zum Beispiel das Fernsehprogramm von France 2 und France 3, die beide zu France Télévisions gehören. Auch die öffentlich-rechtlichen Radioprogramme von France Inter und France Info schaffen mit ihren Informationen regelmäßig beste Einschaltquoten, während France Bleu im regional-traditionellen Bereich eine treue Hörerschaft hat. Nicht zuletzt auch der deutsch-französische Fernsehsender arte lebt zu 95 % von den Gebühren in Frankreich und in Deutschland.

In der Politik ist die Abschaffung umstritten, obwohl die Entscheidung Macrons eine Mehrheit in beiden Kammern bekam. Den Rechten gehen die Maßnahmen nicht weit genug: Marine Le Pens Rassemblement National (RN) will nämlich – ähnlich wie die AfD in Deutschland – die Radio- und Fernsehgebühr ersatzlos abschaffen. Der von ihm als elitär und linkslastig empfundene öffentlich-rechtliche Rundfunk solle komplett privatisiert werden. Die Linken mit ihrem Bündnis Nupes stimmte gegen das Projekt, weil sie die neue Finanzierung über die Mehrwertsteuer für ungerecht hält. Sie belaste vor allem ärmere Haushalte. Außerdem sehen die Linken – wie auch andere – die verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit der Sendeanstalten in Gefahr, wenn die Finanzierung künftig noch stärker des Wohlwollens der Politik bedarf. Schon jetzt hängen sie stärker als die deutschen Sender am Gebühren-Tropf – zumal die öffentlich-rechtlichen Sender seit 2008  nach dem Willen des damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy keine Werbung mehr ausstrahlen dürfen.  

Viele bezweifeln das Versprechen Macrons, dass sich im Prinzip nichts ändere. Wenn das Parlament das jeweilige Jahresbudget genehmigen muss, birgt dies nach Meinung von Kritikern die Gefahr der politischen Einflussnahme auf die Programmgestaltung. Die Reform sei vorschnell und ohne eine neue Struktur zu schaffen erfolgt – nur um blitzartig (und mit politischen Hintergedanken) ein Wahlversprechen umzusetzen, so Ihre Argumentation. „Die finanzielle Unterstützung der Öffentlich-Rechtlichen hängt am guten Willen der amtierenden Regierung, egal welche das ist“, brachte es die auflagenstarke Zeitung Le Parisien auf den Punkt.

Stärkung der Kaufkraft

Zum Gesamtbild gehört allerdings auch, dass der Regierung Macrons aus praktischen Gründen nur die Abschaffung der Gebühr blieb: Denn diese wurde bislang zusammen mit der Wohnungssteuer eingetrieben – deren Wegfall Macron ebenfalls versprochen hat. Mit solchen Maßnahmen – zu denen auch die vorübergehende Senkung des Benzinpreises oder Hilfen für Rentnerinnen und Rentner gehören – will Macron die Kaufkraft im Land stärken. Gewiss dürfte dabei auch die Angst vor einem Wiedererstarken der Gelbwestenbewegung und ihren Auswüchsen eine Rolle spielen.

Emmanuel Macron hat vor langer Zeit die öffentlich-rechtlichen Sender als „Schande“ bezeichnet, und primär damit verkrustete Verwaltungsstrukturen gemeint. Exakt dieser Vorwurf findet sich auch bei den nun wieder aufkeimenden GEZ-Diskussionen in Deutschland. Alle Beteiligten verfolgen die Entwicklung in Frankreich (und Großbritannien, wo die BBC nach dem Willen der Regierung ab 2027 keine Gebühren mehr einziehen darf), obwohl die Situation in den drei Ländern nur bedingt vergleichbar ist.

Vergleich mit Deutschland

In Deutschland werfen viele Kritiker den öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsendern neben ihren Verwaltungsapparaten Linkslastigkeit vor – und die Neigung bevormunden und erziehen zu wollen (Beispiel: Gendersprache).

Aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik gibt es neben ZDF und Deutschlandradio neun ARD-Sendeanstalten mit 21 TV- und 73 Radiosendern, die die Gebührenzahler in Deutschland mit 8,5 Milliarden Euro jährlich finanzieren. Das ist fast drei Mal so viel wie in Frankreich und weltweit Spitze.

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Radio und Fernsehen in Frankreich

Die einzelnen französischen Fernsehsender haben sehr unterschiedliche Profile: Von sehr seriösen reinen Nachrichtensendern bis hin zu Abspielstationen leichter Filmchen ist die Spannweite groß. Die großen Sender lieben glamouröse Shows; deren Moderatoren wie etwa Patrick Sébastien, Michel Drucker oder Patrick Sebastian waren jahrzehntelang vertraute Gäste in heimischen Wohnzimmern. Auffällig auch: die Liebe zu Quiz-Sendungen. Neben Adaptionen internationaler Formate wie Qui Veut Gagner des Millions ?  („Wer wird Millionär?“) haben tägliche Sendungen im Vorabendprogramm, die über Jahrzehnte laufen bzw. liefen, Kultstatus. Dazu zählen beispielsweise Des chiffres et des lettres (Zahlen und Buchstaben) oder Questions pour un champion (Fragen für einen Champion). Bei Spielfilmen gibt es zahlreiche gemeinsame Projekte mit Kinoproduzenten.

Hinsichtlich der Marktanteile hat der private Fernsehsender TF1 mit 19,7 Prozent (Zahlen von 2021) stets die Nase vorn. Dieser größte und älteste Sender des Landes wurde 1987 privatisiert und wird von einem Konsortium geführt, an dessen Spitze der Baukonzern Bouygues steht. Außer bei Shows und Filmen punktet TF1 auch – analog zur deutschen Tagesschau – mit seiner abendlichen Hauptnachrichtensendung.

Die beiden Öffentlich-Rechtlichen France 2 und 3 (beide gehören zu France Télévisions und sind zu 100 Prozent im Staatsbesitz) belegen mit 14,7 und 9,4 Prozent die folgenden Plätze. France 2 versucht sich seit Jahren mit einer fundierten Nachrichtensendung gegen TF1 zu profilieren und bietet regelmäßig vielbeachtete Interviews. France 3 punktet im Vorabendprogramm mit bis zu 24 sogenannten regionalen Fenstern, die umfangreich aus der jeweiligen Nachbarschaft informieren. Zur Gruppe France Télévisions gehören weitere Sender wie France 4 (Schwerpunkt Kunst und Musik) und France 5 (Bildungsprogramme).

Bei den Einschaltquoten liegt, nach TF1 und France 2 und 3, der Privatanbieter M6 mit 9,1 Prozent auf dem vierten Rang. An M6 ist RTL beteiligt, das insgesamt rund ein Dutzend Sender in Frankreich betreibt. Es folgen Anbieter mit deutlich kleineren Reichweiten: France 5 erreicht 3,3 Prozent, TMC drei Prozent und das deutsch-französische arte 2,9 Prozent – es liegt damit auf dem siebten Platz.

Der Hörfunk in Frankreich bietet deutlich mehr Wortbeiträge als die deutschen Sender, was sich auch an Einschaltquoten messen lässt. Die Franzosen nutzen das Radio generell intensiver als ihre deutschen Nachbarn Es gibt zwei nationale öffentlich-rechtliche Sender mit hohen Einschaltquoten, die beide zur Gruppe Radio France gehören: France Inter (10,6 Prozent Marktanteil) und France Info (8,1 Prozent).

Zur Senderfamilie von Radio France zählen auch das landesweit ausgestrahlte, aber stark regionalisierte France Bleu (7,5 Prozent) und mehrere Spartensender. Die privaten, frankreichweiten Anbieter haben ihren Ursprung in Nachbarländern, weil bis 1981 privater Rundfunk in Frankreich nicht erlaubt war. So erklärt sich die heute noch hohe Bedeutung von RTL aus Luxemburg (12,1 Prozent Marktanteil), Europe 1, das ursprünglich von Deutschland aus sendete (9,2 Prozent) und RMC aus Monaco (7,8 Prozent).

Wer in Deutschland französische Sender empfangen will, hat beim Fernsehen über Kabel und Satellit je nach Anbieter diverse Möglichkeiten. Die meisten französischen Rundfunksender kann man problemlos über das Internet hören. Wer Nachrichten und weitere Informationen sucht, wird digital beispielsweise bei franceinfo oder BFMTV (beide gibt es auch als App) gut bedient.

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Dialog Dialogue

2 Kommentare/Commentaires

  1. Nicht nur die Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehgebühr in Frankreich führt zu einer erneuten Debatte um die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland: Auch der von der ehemaligen ARD-Vorsitzenden und RBB-Intendantin Patricia Schlesinger verursachte Skandal hat den Diskurs hierzulande wiederbelebt!

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