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Meinungen

„Eine Übersprunghandlung, die niemandem nutzt.“ Antwort auf Gérard Araud

Ulrike Franke

Berlin, 15.03.2024 © Imago

25. März 2024

Frankreich müsse mit dem deutsch-französischen Paar Schluss machen, forderte Gérard Araud in einem vor kurzem veröffentlichen Beitrag. Ulrike Franke antwortet ihm: den Motor abzuwürgen, nutze niemandem.

Gérard Araud hat genug von der vielbeschworenen deutsch-französischen Freundschaft. Genug von dem „Motor“, wie die Deutschen es nennen, oder dem „couple“, wie es in Frankreich heißt. Verstehen kann man es: Insbesondere in den letzten Wochen fiel auch mir der Glaube an die Kooperation zwischen Berlin und Paris zunehmend schwer. Missverständnisse, ein ziemlich offen ausgetragener Streit zwischen Emmanuel Macron und Olaf Scholz, divergierende strategische Kulturen – es ist aktuell nicht einfach mit der Verständigung über den Rhein. Zudem sind in den letzten Wochen nur Dispute offengelegt worden, die schon länger schwelen, auch in der Vergangenheit sichtbar wurden, und grundsätzlicher sind. Es liegt einiges im Argen. Wie Araud schreibt, sind sich Frankreich und Deutschland nicht nur in der Ausbuchstabierung der Unterstützung der Ukraine uneinig, sondern haben zum Beispiel auch grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen, was den Energiebereich angeht.

Zusammenarbeit und Alternativen

Deswegen allerdings den Motor abzuwürgen und das Paar zu trennen, ist eine Übersprunghandlung, die niemandem nutzt. Nicht Paris, nicht Berlin, und sicherlich auch nicht den anderen Europäern. Denn es ist eben nicht wirklichkeitsfremd, wie Araud kritisiert, vom deutsch-französischen Paar zu sprechen. Im Gegenteil ist es eine Tatsache, dass es in Europa und der EU vor allem dann vorangeht, wenn die beiden Nationen sich einigen. Deutschland und Frankreich sind eine Schicksalsgemeinschaft – verdammt dazu, eng zusammenzuarbeiten.

Es mag scheinen, dass wir nicht miteinander können – aber ohne einander geht es eben auch nicht. Wenn Deutschland und Frankreich nicht an einem Strang ziehen, blockiert die EU fast immer. Die andere, positive Seite der Medaille: Gerade weil Berlin und Paris oft unterschiedliche Vorstellungen haben, sind die Kompromisse, die sie finden, besonders wertvoll und in der Regel dann auch für alle anderen EU-Länder akzeptabel. Das beste Beispiel dafür waren die Eurobonds im Kontext der Pandemie.

Richtig ist aber: wenn es auch in anderen Konstellationen geht, müssen Frankreich und Deutschland nicht zusammenarbeiten. Wie Araud schreibt, sollten wir zusammenarbeiten, wo sich unsere Interessen decken. Dort wo nicht, können sich beide Seiten andere Verbündete und Kooperationen suchen. Das wird auch bereits gemacht. Aber es lähmt uns nicht, erstmal zu versuchen, gemeinsam zu handeln.

Im ureigenen Interesse Frankreichs

Ulrike Franke (Copyright: ECFR)

Mit seiner Kritik am deutsch-französischen Pathos spricht Araud einen wichtigen Punkt an. Ja, manchmal ist zu viel zur Schau gestellte Emotionalität in der deutsch-französischen Freundschaft. In der deutschen nationalen Sicherheitsstrategie wurde die Beziehung zu Frankreich dermaßen über den grünen Klee gelobt, dass man sich unwillkürlich fragte, was hier übertüncht werden sollte. Eine derartige Kommunikation führt dann dazu, dass Unstimmigkeiten auch emotional gesehen werden, nach dem Motto „wie können unsere Freunde uns nur so widersprechen!“. Dieser Ansatz ist natürlich Quatsch in den internationalen Beziehungen.

Araud hat mit Teilen seiner Kritik also durchaus recht, aber was für ihn daraus folgt, ist wenig konstruktiv. Wenn er feststellt, dass durch den Brexit „das Dreieck der drei Hauptmächte in der EU auf ein deutsch-französisches Tête-à-Tête“ geschrumpft ist, hilft es wenig, zu lamentieren, dass Frankreich nun „Berlin allein gegenüber[steht]“, und vorzuschlagen, am besten die ganze Verbindung zu trennen. Sinnvoller wäre es, diese Analyse als Aufforderung zu verstehen, das Weimarer Dreieck wiederzubeleben. Tusk hat ja gerade bei der letzten Zusammenkunft in Berlin seine Fähigkeiten als Mediator gezeigt.

Ebenso stellt Araud fest, dass „Deutschland, in seinem Selbstverständnis als Exportunternehmen und nicht so sehr geopolitische Macht, seine Außenpolitik nicht länger an Brüssel und seine Verteidigung nicht länger an Washington delegieren“ kann. Das ist richtig – und sollte der Moment sein, in dem Frankreich, als geopolitisch- und verteidigungspolitischdenkendes Land, seinem Partner mit Rat und Tat zur Seite steht. Nicht (nur) weil es Deutschlands Freund ist. Sondern weil es im ureigenen Interesse Frankreichs ist.

Die Autorin

Dr. Ulrike Franke ist Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations Paris. Sie arbeitet zu Fragen der deutschen und europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, und dem Einfluss neuer Technologien auf die Kriegsführung. Sie ist Teil des Teams, das den Sicherheitshalber Podcast produziert, der deutschsprachige Podcast zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

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