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Département Drôme (26)

Unbekanntes Terrain

Cornelia Frenkel

Am Bahnhof von Dieulefit, © Cornelia Frenkel

10. September 2022

Jahrtausendealte Landschaft und beeindruckende Ansiedlungen: In diesem selbst in Frankreich eher unbekannten Landstrich der Region Auvergne-Rhône-Alpes kann man durchatmen, staunend durch bizarre Berge, weite Ebenen und Wälder wandern, unter mächtigen Buchen, Eichen und Kastanienbäumen Rast einlegen und Dörfer besichtigen, die zu den schönsten Frankreichs gehören.

Das dünnbesiedelte Département Drôme mit seinen gut 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern auf 6530 km2, das sich im südlichen Teil klimatisch zur Provence wendet, ist ebenso charmant wie diese, aber weniger touristisch, denn es fehlt das Meer. Doch Wasser gibt es hier überall – schließlich handelt es sich um ein Canyoning-Revier: Der Wildfluss Drôme, entsprungen auf 1600 Metern in den französischen Voralpen bei La Batie-des-Fonds im Kanton Le Diois, bewegt sich frei von Staudämmen und ist auch für seine hochgelegenen Weinberge und den prickelnden, nur leicht schäumenden Wein Clairette de Die bekannt. Im Frühling duften hier Aromapflanzen; im Juli und August verzaubern Lavendelfelder; Ende Oktober werden Oliven reif; wegen der zahlreichen Langlauf- und Abfahrtspisten schätzen auch Wintersportfreunde die Gegend.

Typische Gesteinsschichtung bei Valréas, © Cornelia Frenkel

Natur pur

Den Verlauf der Drôme (über 130 km) säumen wortwörtlich herausragende Naturschauplätze wie die Bergkette Glandasse am Südrand des Vercors: Ihre Kalkfelsen überragen die Vallée de la Drôme – über 60.000 Millionen Jahre haben diese Vorposten der Alpen geformt. Bevor der Fluss südlich von Valence in die Rhône mündet, mäandriert er zwischen Crest und Loriol durch die Réserve naturelle des Ramières. Crest erkennt man schon von Weitem an seiner Burg mit einem 52 Meter hohen Donjon. Vom 10. bis ins 14. Jahrhundert wurde die Befestigung sukzessive errichtet; bis ins 19. Jahrhundert dienten ihre Räume auch als Gefängnis. Über unzählige Treppen gelangt man nach oben, von wo aus man sich an einer der Turmwände sogar abseilen lassen kann.

In Mirmande, © Cornelia Frenkel

Mirmande, Bourdeaux, Poët-Laval, Dieulefit, Grignan

Zahlreiche Bergdörfer, oft als „plus beaux villages de France“ – als schönste Dörfer Frankreichs – ausgezeichnet, prägen die Drôme und lohnen den Besuch. Stets gedieh hier das Handwerk, etwa die Töpferei in Cliousclat. In Mirmande wirken auch aktuell noch Künstler und Kunsthandwerker; der Ort war vom Zerfall bedroht. Erst die Sommer-Akademie des kubistischen Maler André Lhote rettete den Ort ab 1926 durch den Zuzug kunstinteressierter Zeitgenossen. Seine Grünanlagen, Fassaden, gepflasterten Sträßchen und Gewölbepassagen werden bis heute sorgfältig gepflegt; Mittelpunkt der Gemeinde, auch kultureller, ist die Kirche Sainte-Foy aus dem 12. Jahrhundert.

Zwei Burgruinenaus dem 12. und 13. Jahrhundertmarkieren die Bergspitze von Bourdeaux, die den Blick auf Les Trois Becs freigibt, deren höchster „Schnabel“ 1589 Meter in den Himmel ragt. Im mittelalterlichen Kern des Dorfes befinden sich nur vereinzelt Läden aber eine üppige Vegetation. Wanderer, Phytologen und Entomologen finden hier – wie auch im benachbarten Naturschutzgebiet Forêt de Saoû – ein unerwartetes Forschungsterrain.

Die Schlossruine von Poët-Laval, © Cornelia Frenkel

Öko und bio

La Drôme ist durch den sorgsamen ökologischen Umgang mit Ressourcen charakterisiert; eine entwickelte biologische Landwirtschaft bringt qualitätvolle Grundnahrungsmittel auf den Markt: u. a. Früchte, Nüsse, Käse, Gemüse und Fleisch – sie werden in charmanten Restaurants, z. B. in Le Poët-Laval, das mit Burg und romanischer Kirchenruine auf einem bewaldeten Felsenausläufer über dem Tal des Jabron thront, gerne serviert. Im 12. Jahrhundert war der Ort Hauptquartier des Malteserordens.Die Kirche beherbergt heute ein Museum, das an die Zeit der protestantischen Bewohner während der Glaubenskriege im 16. Jahrhundert erinnert.

Das ehemalige Waschhaus von Dieulefit, © Cornelia Frenkel

Wenige Kilometer entfernt, im Städtchen Dieulefit (auf Deutsch: Gott hat‘s erschaffen), beginnt die Drôme Provençale. Getreidefelder liegen neben Weinbergen und Lavendelflächen, wenn man Richtung Süden auf dem Weg nach Grignan fährt. Denn dort steht das Schloss der Marquise de Sévigné (1626–1696). Von der riesigen Terrasse, die das Schloss umgibt, besteht Fernsicht in alle Himmelsrichtungen: Montagne de la Lance, Vercors, Dentelles de Montmirail, Mont Ventoux. Erspähen lässt sich auch La Garde-Adhémar auf einem Felsen, der bei Pierrelatte (und seinen vier Atommeilern) das Rhône-Tal dominiert. Die Gegend, zu der die Städtchen Valréas und Nyons gehören, verdankt ihr Renommee schwarzen Trüffeln und Olivenölen.

Ein Standbild von Madame de Sévigné in Grignan, © Cornelia Frenkel

Abstecher nach Seillans und Hauterives

Direkt am Ufer der Drôme liegt das kuriose Dörflein Saillans, dessen Häuser an Felswänden gleichsam über dem Wasser hängen – leicht zu verwechseln mit Seillans, weiter südlich im Département Var, wo Max Ernst mit seiner Frau Dorothea Tanning von 1970 bis 1982 lebte. Drei Jahrzehnte früher (von 1938 bis 1941) wohnte er mit seiner Amour fou Leonora Carrington in Saint-Martin-d’Ardèche, vierzig Kilometer von Grignan entfernt (cf. Wolf Jöckel im Paris und Frankreich Blog).

Hauterives – der Palais Idéal des Ferdinand Cheval, © Shutterstock

In die nordwestliche Drôme, östlich von Valence, lockt in Hauterives das Bauwerk (cf. YouTube-Video) des Briefträgers Ferdinand Cheval (1836–1924), als „einzigartiges Beispiel naiver Architektur“ von Kulturminister André Malraux 1969 zum historischen Denkmal erklärt: der Palais idéal. Dada und Surrealisten begeisterten sich ebenso wie Picasso, Tinguely und Niki de Saint Phalle dafür. Seine Skulptur baute Ferdinand Cheval von 1879 bis 1912 im eigenen Garten: Alles habe mit einem Traum begonnen und mit einem Stein, über den er gestolpert sei, erklärte er.

Die Konstruktion, basierend auf einer Art Tropfsteingrotte, versammelt Stilelemente und Themen aus Fauna, Flora, Geschichte und Mythos. Eingraviert sind Inschriften vom Zauberspruch bis zum pathetischen Lehrsatz: „Mit diesem Felsen wollte ich beweisen, was der Wille vermag“, „Kreatur, bewundere hier die Natur“, „Erinnere Dich, dass Du nur Staub bist“ oder „Es ist nicht die Zeit, die vergeht, sondern Du“.

Aufgänge, Treppen, Türme, Türen und Durchgänge machen den „Palast“ von allen Seiten begehbar und werden so zum Erlebnisraum. Jährlich im April findet in Hauterives der „Marsch des Briefträgers“ statt: Der Baumeister war schließlich jeden Tag über dreißig Kilometer von Amts wegen unterwegs und sammelte sein Baumaterial nur nebenbei.

Facteur Cheval und Palais idéal online

Impressionen aus der Drôme:

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