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Grünanlagen, Gärten und Parks

Mitten in Paris

Murielle Rousseau

Der Square du Vert-Galant auf der westlichen Spitze der Île de la Cité wurde zu Ehren von Heinrich IV. angelegt; wegen seiner beeindruckenden Fauna und Flora – auf einer Fläche von nur 1642 qm – trägt er seit 2007 das Écocert-Label „Grüner ökologischer Platz“. © Marie Preaud / Insel Verlag

29. September 2020

Grünanlagen, Gärten und Parks gehören zu Paris wie der Eiffelturm, Montmartre und die Seine. Sie dienen der Erholung, sind Freizeitorte und laden zum Flanieren ein.

Was wäre Paris ohne seine Gärten und Parks? Die „grüne Hauptstadt“ wird die französische Metropole auch genannt, mehr als 480 Grünanlagen gibt es hier. Viele gehören längst zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, wie der Jardin du Luxembourg oder die von André le Nôtre, dem Gartenarchitekt Ludwigs XIV. und Erfinder des französischen Gartens, streng symmetrisch angelegten Tuilerien.

Der Jardin des Tuileries, ein mehrmals umgestalteter barocker Schlosspark, erstreckt sich zwischen Louvre und Place de la Concorde, rechtem Seine-Ufer und rue de Rivoli, © Kiev.Victor, Shutterstock

Der 1769 eröffnete wildromantische Parc Monceau im 8. Arrondissement hingegen entstand im englischen Stil und wurde von Claude Monet sechs Mal auf großer Leinwand gemalt. Andere, vor allem kleinere Gärten liegen eher versteckt und erschließen sich erst auf den zweiten Blick, wie etwa der Jardin Clos de Blancs Manteaux, ein mittelalterlicher Garten mitten im Marais, wo hinter hohen Mauern 250 verschiedene Pflanzen gedeihen. Völlig untypisch hingegen ist die künstliche Insel Île aux cygnes mitsamt einer über zehn Meter hohen bronzenen Replik der Freiheitsstatue von New York, zwischen dem Pont Bir-Hakeim und dem Pont de Grenelle.

Grüne Oasen

Die schönsten grünen Oasen liebe ich seit Kindheitstagen. Garten für Garten, Park für Park erzeugen in mir – auf einer Parkbank mit Vogelgezwitscher im Ohr – ein ganz besonderes Bild von Paris, sie ergeben das Porträt einer Stadt. Dieses Bild verändert sich, so wie sich auch die Gärten und deren Nutzung verändern. Ich stehe nicht alleine mit meiner Leidenschaft: die Pariserinnen und Pariser lieben ihre grünen, mit Fontänen, Brunnen, Wasserbecken, Statuen, Pflanzen, Baumalleen und architektonischen Kleinoden in Szene gesetzten Refugien, mehr noch, sie sind Teil ihres Großstadtlebens. Um die Seele baumeln zu lassen nach anstrengenden Tagen. Um aufzuatmen jenseits verstopfter Straßen. Um den Blick durch Grünes schweifen zu lassen und an Blüten zu heften. Um die alte Größe Frankreichs zu erahnen und Geschichte zu spüren. Um romantisch zu sein und die Liebe zu erleben. Um zu sich zu kommen, bei sich zu sein – und das alles mitten in Paris. Am schönsten sind sie, so die Schriftstellerin Colette, frühmorgens, wenn man sie fast alleine für sich hat.

Die Naumachie im Parc Monceau ist eine korinthische Säulenreihe aus einer Anfang des 18. Jahrhunderts zerstörten Kirche von St. Denis, © Bucchi Francesco, Shutterstock

Immer war das Anlegen von Gärten und Parks in Paris auch eine politische Angelegenheit. Vom Sonnenkönig Ludwig XIV. über Napoleon bis hin zur Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, mit ihren ambitionierten Begrünungsplänen – sie alle hatten sicher die Verschönerung der Stadt und das Wohlergehen der Bevölkerung im Sinn, gewiss aber auch, sich im Herzen Frankreichs zu verewigen.

Jardin du Luxembourg

Gerne schlendere ich in einem meiner Lieblingsparks, dem Jardin du Luxembourg („Luco“). Er entstand 1612 auf Anregung von Königin Maria de Medici (die Brunnenanlage Fontaine Médicis wurde um 1630 errichtet) und umfasst heute 23 Hektar, wo nicht weniger als 106 Skulpturen stehen.

Ein Drittel der Bäume wurde vor 1900 gepflanzt, also noch zu der Zeit, als Honoré de Balzac hier spazieren ging und in seinem Roman Ferragus gleich das ganze Viertel beschrieb. Auch Rousseau, Diderot, Baudelaire, Hemingway, Victor Hugo, Lamartine, Musset, Sartre (natürlich mit Simone de Beauvoir) und Verlaine schlenderten zu Lebzeiten durch den Park.

Geht man heute von der Allee in die süd-westliche Ecke, sieht man den Obstgarten aus dem 17. Jahrhundert. Wie der Jardin als Ganzes hat auch er im Laufe der Geschichte einen Teil seiner Fläche verloren, weil er vor allem im 19. Jahrhundert innerstädtischer Bebauung weichen musste. Ursprünglich gehörte zum Jardin du Luxembourg einer der berühmtesten Obstgärten Europas, der internationalen Ruhm genoss. Erst 1866 entsann man sich dessen wieder und sorgte dafür, dass sich auf 2100 qm 1000 Bäume – mit 379 Apfel- und 247 Birnensorten – entfalten konnten.

Der Medici-Brunnen im Jardin du Luxembourg, © Daboost, Shutterstock

An der Stelle der Baumschule des ehemaligen Kartäuserklosters gibt es noch heute einen Ort, an dem alte Obstsorten gepflanzt, gehegt und dadurch bewahrt werden: Äpfel, Birnen, Feigen, Aprikosen, Pflaumen. Auszubildende werden hier in jahrhundertealter Schnitt- und Pflegekunst unterrichtet. Profit spielt offenbar keine Rolle: Die Früchte werden nach der Ernte verschenkt oder sie landen in den Obstkörben des Senats. Denn der Senat – und nicht die Stadt Paris – ist seit 1879 offizieller Besitzer des Gartens.

Sein Personal kommt auch in den Genuss eines weiteren Bioprodukts aus dem Jardin: Honig. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts wurden hier Bienenstöcke aufgestellt und Honig geerntet. Sie waren die ersten in Paris und damit Vorbild für alle weiteren Imkertätigkeiten in der Hauptstadt, etwa auf dem Dach der Opéra Garnier. Im Jardin du Luxembourg standen die ersten Imkerschulen, die rucher-écoles der 1856 gegründeten Bienenzuchtgesellschaft Société centrale d’apiculture. Kaufen kann man diesen Honig nur im Herbst und nur während einer Ausstellung in der Orangerie des Senats.

Buchtipp:

Murielle Rousseau, Die Gärten von Paris, mit Fotos von Marie Preaud; Suhrkamp/Insel, Berlin, 2020

Eine sehr persönliche Auswahl und Beschreibung der in Paris aufgewachsenen und heute in Freiburg i. Br. lebenden Autorin, die schon als Kind in den Gärten der französischen Hauptstadt unterwegs war.

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