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Auvergne

Im Herzen Frankreichs

Gabi Bertram

Charolais Rinder im Morgendunst der Auvergne, © Gabi Bertram

08. April 2021

Ruhe, viel Platz, nette Leute und Natur pur. Es war Liebe auf den ersten Blick: Ich habe mich Hals über Kopf in die Auvergne verliebt.

Mit einer gesunden Portion Neugier und Leidenschaft für Fotografie habe ich schließlich einen Reiseführer über die Region geschrieben: Betoverend Auvergne (Zauberhafte Auvergne). Leider gibt es das Buch nur auf Niederländisch. Ein Verlag hatte Autorinnen und Autoren gesucht, die in Frankreich wohnen bzw. einen Zweitwohnsitz dort haben und gerne einen Reiseführer schreiben würden. Beim Text hatte man freie Hand; die einzige Bedingung: 300–400 selbst gemachte Fotos. Ich habe mich auf die Départements Allier und Puy de Dôme konzentriert, beschreibe in sechs Kapiteln Natur, Kulturerbe, Gastronomie, Aktivitäten/Events, Touren und verrate Insider-Tipps.

Ländliche Idylle

Ich wohne in der Auvergne in einem kleinen Weiler, nur ein paar Häuser sind dauerhaft bewohnt, andere sind Ferienhäuser, und wieder andere sind leer und warten auf neue Bewohnerinnen und Bewohner. Es gibt keine Hausnummern oder Straßennamen, aber die Post wird problemlos zugestellt.

Stets  ist die Aussicht ein Genuss und sie wechselt ständig: sanfte Hügel mit Charolais Rindern, kaum Verkehr – nur Bauern, Postboten und ein Tante-Emma-Läden auf Rädern, die épicerie roulante, sind unterwegs. Der örtliche Polizist zeigt neuen Kollegen stolz das Wandgemälde von Louis de Funès als Gendarm an der Fassade meines Hauses. Die angebotene Tasse Kaffee trinkt er nur halb leer, denn sonst sei er genauso aufgedreht wie der Schauspieler an der Wand. Eine 73-jährige Nachbarin schüttelt mitleidig den Kopf, als sie mein Brot in der Gefriertruhe sieht (inzwischen liegt auch sie es hinein). Ihr 83-jähriger Mann hat ein paar Worte Niederländisch gelernt, weil er mit unserem Hund kommunizieren möchte. Mein Lieblingsspruch ist mittlerweile: pas de soucis (kein Grund zur Sorge, mach mal halblang).

Im Land der Vulkane: der Puy de Sancy in der Bergkette der Monts Dore ist mit 1885 m die höchste Erhebung im französischen Zentralmassiv. © Gabi Bertram

Ich liebe die vier Jahreszeiten, die Flora und Fauna, die kleinen Bäckereien mit ihren Köstlichkeiten, die Tagesgerichte plats du jour in kleinen Restaurants, Türen, die man nicht abschließen muss,  die (Floh)Märkte und die sommerlichen Events. Kurzum: die Kunst, das Leben zu genießen – l’art de vivre!

Die Auvergne ist ursprünglich ein armes Gebiet, dünn besiedelt; im Wesentlichen werden Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. Die Immobilienpreise sind niedrig. In vielen Dörfern ist die Zeit stehen geblieben. Hühner, Katzen, Hunde und Gänse laufen frei herum. Schnell vergisst man Zeit und Raum. Bewohner sind stolz auf Ihre Heimat, ihr patrimoine, das sie pflegen, schmücken, renovieren. Keine Eile, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und persönliche Bedienung in den Läden, Restaurants usw. sind eine Selbstverständlichkeit; schon beim Gruß „Bonjour !“ kommt gute Laune auf.

Status und Aussehen sind hier auf dem Land, à la campagne, nicht wichtig. Was zählt sind gutes Essen, ein Picknick unterwegs, Grillabende mit Freunden oder der Familie, ein langer Tisch mitten im Dorf fürs gemeinsame Nachbarschafts-Essen, plaudern, lachen, tratschen.

Nachhaltiger Tourismus

Die Auvergne ist sehr vielfältig und schön zu jeder Jahreszeit. Die Sommer sind warm, aber oft weht eine erfrischende Brise. Mai, September und Oktober sind sehr angenehm. Die Winter können kalt und streng sein, aber wir haben bis jetzt noch jedes Jahr an Weihnachten draußen gegrillt. Südlich von Clermont-Ferrand schneit es am wahrscheinlichsten, aber ob Schnee, Sonne oder Regen: Jede Jahreszeit hat ihren eigenen Charme.

Es gibt für jeden etwas in der Auvergne, egal ob man mit dem Auto, Motorrad, alleine, zu zweit, mit Kindern oder Hunden reist. Sie eignet sich selbst für Reisende mit kleinem Budget. Der Tourismus steckt noch immer in den Kinderschuhen und nicht einmal im Hochsommer wimmelt es vor Menschen auf dem 1465 hohen Vulkan Puy de Dôme, dem wohl bekanntesten Ausflugziel der Region.

Auf kurvenreicher Strecke inmitten sanfter Hügel, © Gabi Bertram

Durch die schöne Umgebung fühlt man sich stärker mit der Natur verbunden und interessiert sich vielmehr für Blumen, Tiere, Pilze. Oder man genießt einfach nur das Spiel der Wolken, das goldene Morgenlicht oder die atemberaubenden Sonnenuntergänge. Die Natur variiert: von sanften Hügeln über erloschene Vulkane bis hin zu schroffen, schneebedeckten Gipfeln im Massif Central. Wasser gibt es im Überfluss: in Flüssen wie Allier, Sioule oder Cher sowie zahlreichen (vulkanischen) Seen, Weihern (étangs) und Wasserfällen.

Doch die Region bietet mehr: Wandern, Radfahren, Mountainbike, Klettern, Baden, Angeln, Bootsfahrten und Kanuausflüge, Reiten, Wasserski,  Luftballonfahrten, Vélorail (Draisine) oder Paragliding; im Winter Skifahren, Langlauf, Rodeln, Schneeschuhwandern. Dank des vulkanischen Bodens gibt es so manches Wellness-Center. Museen, Lava-Kunst, malerische Dörfer mit Fachwerkhäusern, schmiedeeisernen Balkonen, alten Türen, farbenfrohen Fensterläden oder altmodischen Spitzenvorhängen laden zu Spaziergängen ein. Kulturelle Veranstaltungen, Musikveranstaltungen, Theaterfestivals, mittelalterliche Feste, altes Kunsthandwerk, Schlösser, Kirchen mit schönen Fresken runden das Angebot ab.

Gourmandises beim pâtissier, © Gabi Bertram

Für Feinschmecker gibt es kleine Betriebe in denen Konfitüre, Bier, Likör, Whisky, Senf oder Süßigkeiten in Handarbeit, à l’artisanal, hergestellt werden, Weinregionen, köstliches Gebäck und leckere Käsesorten wie Saint-Nectaire oder Cantal. Auch Motorsportveranstaltungen oder Rugby-Matchs lohnen den Besuch. Und shoppen ist in Städtchen und Städten wie Vichy, Montluçon, Moulins oder Clermont-Ferrand ein Vergnügen.

Tipps

Highlights

  • Vulkanwandern: auf dem Sancy, Puy de Dôme und Puy Pariou
  • Street Art City in Lurcy-Lévis
  • Amethyste suchen bei Chateau de Montfort in Vernet-la-Varenne
  • Das Theater im Vulkan von Montpeyloux (Aufführungen im Juli und August)
  • Der Lac Pavin: schönster Vulkansee
  • Das Weindorf Boudes und die roten Felsen in La Vallée des Saints
  • Route Gorges de la Sioule

Übernachten

  • Minicamping, Safarizelt und Gîte Les Deux Frères in Echandelys
  • Minicamping, Gîte Les Fayes in Gouttières
  • Les cabanes des Combrailles in St. Gervais d’Auvergne
  • Les Cabanes du Bois Basalte in Sauterre, Manzat

Dialog Dialogue

1 Kommentar/Commentaire

  1. In die Auvergne kann man sich in der Tat verlieben, so wie das die Fotos von Gabi Bertram beweisen: Man hat das Gefühl, ein Stück altes Frankreich zu erleben, la France profonde oder France rurale, und meist befindet man sich abseits von größeren Städten oder Ballungsräumen. Von Mont-Dore aus zog es uns dann aber doch am Samstag nach Clermont-Ferrand, allerdings via Straßenbahn ab der Endstation. Dennoch waren wir am nächsten Tag froh, den Sonntagmorgen in Orcival zu erleben; dazu ein paar Pässe und immer wieder einen Aufstieg oder eine Auffahrt wert: Der Puy de Dôme, der Hausberg von Clermont-Ferrand. Aber Gabi Bertrams Fotos machen (noch) mehr Lust auf den Puy de Sancy. En effet, vraiment !

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