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Route Napoléon

Auf historischen Pfaden

Martin Vogler

Der Napoleonische Adler bei Gap, © Fabien Thibaud

21. Mai 2022

Wer aus Deutschland an die Côte d’Azur fährt, wählt ab Lyon meist die Autobahn im Rhônetal. Doch es geht stil- und eindrucksvoller – über die bereits 1932 eröffnete Route Napoléon, den einstigen Weg des abgesetzten Kaisers vom Mittelmeer über die Alpen bis nach Grenoble.

Die bergige, kurvige, 335 Kilometer lange Fahrt ist ein unvergessliches Erlebnis, für das man sich Zeit nehmen sollte. Historisch korrekt müsste man natürlich von Süden nach Norden reisen, aber die Gegenrichtung bereitet auf dem beschwingten Weg in den Urlaub mehr Freude. Die Route Napoléon selbst ist grundsätzlich ganzjährig befahrbar, weil ihr höchster Punkt „nur“ 1248 Meter misst. Besonders im Frühjahr und im Herbst erlebt man hier den Wechsel der Jahreszeiten intensiv: Wer via Genf fährt, kann schon vor Grenoble eindrucksvolle, verschneite Berge sehen, in denen bekannte französische Wintersportziele wie Megève, Chamonix und Alpe d’Huez liegen; auch der Montblanc ist nicht weit. Am Mittelmeer angekommen, kann man zur gleichen Jahreszeit in Badekleidung am Strand oder auf der Terrasse in der Sonne liegen.

In sieben Tagen von der Küste bis Grenoble

Doch um touristische Erlebnisse ging es Napoleon Bonaparte auf seinem Marsch gen Paris natürlich nicht. Der damalige Ex-Kaiser kam am 1. März 1815 mit rund 1000 Getreuen in Golf-Juan bei Cannes an, um seine Krone zurückzuerobern – was ihm in erstaunlich kurzer Zeit gelang. Er war aus der Verbannung von Elba geflohen und schaffte den beschwerlichen Weg von der Küste bis Grenoble in nur sieben Tagen. Das eigentlich deutlich bequemer zu passierende Rhônetal musste er meiden, weil sich ihm dort zu viele Gegner entgegengestellt hätten. Durch die Berge kamen er und seine Begleiter auf Pferden und zu Fuß allerdings teilweise nur auf Pfaden voran. Doch auf dem Weg stieß er auf eine ihm freundlich gesonnene Bevölkerung; die wenigen gegnerischen Truppen liefen jubelnd zu ihm über.

Heute kann man die Strecke mit dem Auto locker an einem Tag zurücklegen. Man folgt der früheren Nationalstraße 85, die teilweise zur Department-Straße herabgestuft wurde und deshalb auch mal D1085, D4085 oder D6085 heißt. Zwischen Gap und Digne-les-Bains gibt es parallel dazu sogar eine Autobahn. Doch Raserei wäre angesichts dieser klassischen Alpenroute jammerschade.

Für das Bergpanorama sowie entspannte Stopps in Städten, Städtchen und Landgasthöfen an der Strecke sollte man sich mindestens zwei Tage Zeit nehmen. Höhenangst ist für die meisten übrigens kein Thema: Zwar führt die Route Napoléon mit insgesamt sieben Pässen oftmals auf mehr als 1000 Höhenmeter, aber zumindest zwischen Grenoble und Digne ist sie trotz mitunter zwölf Prozent Steigung meist gut ausgebaut, an Steigungen sogar oft mit zwei Fahrspuren. Eng wird die Strecke hinter Digne bis Grasse, was vor allem bei Begegnungen mit den zahlreichen Wohnmobilen und manchen Motorradfahrern viel Aufmerksamkeit erfordert.

Vor der ersten Etappe auf der empfohlenen Südrichtung lohnt ein Stopp im von hohen Bergen umgebenen Grenoble, wo wie überall an der Route Napoléon ein kaiserliches Adlersymbol die Ortsschilder ziert. Die 150.000-Einwohner-Stadt bietet ausreichend Hotels, Restaurants, Museen und eine außergewöhnliche Seilbahn, deren Gondeln an Blasen erinnern und deshalb „Les Bulles“ heißen. Dieser Téléférique führt seit 1934 vom Fluss Isère hinauf zur Festung und gilt als drittälteste städtische Seilbahn der Welt. Beim Blick von der Bergstation aus muss man unweigerlich an Napoléon denken: Denn hier in Grenoble begann nach den sieben harten Tagen in den Bergen am 8. März 1815 sein unglaublicher Triumphzug zurück an die Macht in Paris, wo er bereits am 20. März ankam. Allerdings währte seine erneute Herrschaft nur 100 Tage und endete nach der Schlacht von Waterloo mit Napoléons endgültiger Verbannung.

Wem Grenoble zu groß ist, der fährt die ersten 40 Kilometer der Route Napoléon bis nach La Mure – also immer entgegen der historischen Richtung. Unterwegs ist ein Halt in Laffrey Pflicht, an einem Denkmal, das Napoléon zu Pferd zeigt. Auf dem Gelände namens la Prairie de la Rencontre (Wiese der Begegnung) soll der Kaiser am 7. März 1815 den gegnerischen Soldaten des Regiments Delessart allein entgegengetreten sein und diese in einer feurigen Rede von sich überzeugt haben. Noch am selben Tag war sein Weg nach Grenoble frei.

Tor zur Provence

La Mure selbst ist mit seinen 5000 Einwohnern überschaubar und verfügt über ein nur begrenztes Hotelangebot. Wer Zeit hat, macht von hier aus einen 15 Kilometer weiten Abstecher nach Westen zum Lac de Monteynard-Avignonet. Dort befinden sich Wanderwege und imposante Hängebrücken. Weiter in Richtung Süden führt die N 85 zum Lac de Sautet. Hier gibt es einen Bootsverleih (im kleinen Dorf Corps) und Bademöglichkeiten.

Sisteron, © Teddy Verneuil

Für eine Übernachtung in einem etwas größeren Ort bieten sich die Städte Gap oder Sisteron an. Wem die 600 kurvigen Höhenmeter vom Col Bayard hinunter nach Gap auf die Nerven gehen, der mag sich damit trösten, dass Napoléon selbst hier nur einen Maultierpfad nutzen konnte. Im 735 Meter hoch gelegenen Gap ist im Museum die persönliche Standarte Napoleons aus grüner Seide ausgestellt, die er als Dank für die ihm entgegengebrachte Gastfreundschaft überreichte.

Die vier Kilometer entfernte Domaine de Charance bietet historische Landschaftsgärten in bis zu 2000 Meter Höhe; auch das Schloss samt Landwirtschaftsmuseum ist einen Besuch wert. Im 50 Kilometer südlich gelegenen kleineren Sisteron hingegen verändern sich bereits Vegetation und Architektur: Sisteron nennt sich zurecht „Tor zur Provence“. Sowohl Gap als auch Sisteron verfügen über zahlreiche Hotels – genauso wie es überall an der N 85 immer wieder Campingplätze gibt.

Nächste größere Station ist der Thermalkurort Digne-les-Bains, der inmitten von im Sommer blühenden und betörend riechenden Lavendelfeldern liegt. Natürlich gibt es wie in allen Städten der Route in Digne eine Altstadt – hier mit sogar zwei Kathedralen und weiteren Kirchen. Eine kuriose Sehenswürdigkeit, die das Tourismusbüro eher verschweigt, liegt auf dem Gelände eines im 11. Jahrhundert errichteten Schlosses: Das trutzige Gefängnis neben der Kathedrale Saint-Jérôme trägt die passende Adresse Montée des prisons und bietet bis zu 35 unfreiwilligen Gästen Platz. Angst vor diesen Nachbarn wäre übertrieben: Hier sitzen nur Untersuchungshäftlinge oder mit bis zu zwei Jahren Verurteilte.

Digne-les-Bains, © Thibaut Vergoz

Weiter südlich wird die N 85 – bei Barrême als D4085 beschildert – enger, steiler und kurviger. Die anstrengende Fahrt wird mit einem Halt in Castellane, einem romantischen aber sehr touristischen Ort am Verdon, belohnt. Dieser Fluss fließt von hier nach Westen in die Verdonschlucht, einer der bekanntesten Touristenmagnete Frankreichs. Und natürlich hat auch hier Napoléon seine Spuren hinterlassen. Castellane zeigt stolz das Haus, in dem er am 3. März 1815 mittags speiste und das heute ein Museum für Volkskunst beherbergt. Von hier aus sind es noch 50 kurvige Kilometer mit nochmals über 1000 Meter hohen Pässen bis nach Grasse. Unterwegs locken Attraktionen wie die Natur-Tuffsteinbrücke von Ponadieu und bei Saint-Vallier-de-Thiey die Grotten de la Baume Obscure und des Audides.

An der Côte d‘Azur

In Grasse sind die Berge zu Ende. Das Internationale Parfümeriemuseum (2 boulevard du Jeu de Ballon) bietet in einem beeindruckenden Anwesen einen sehr guten Überblick über Geschichte und Herstellung der verlockenden Düfte, für die die Stadt weltberühmt ist. Zusätzlich gibt es von einigen Parfümherstellern Ausstellungen mit großen Verkaufsabteilungen, z. B. von Fragonard. Auf meist verstauten Straßen gelangt man anschließend in Cannes zu einem Rastplatz Napoléons. An der Église Notre Dame de Bon Voyage erinnert eine Gedenktafel daran.

Von Cannes aus sind es nur wenige Minuten nach Golfe-Juan und damit zu der Stelle, an der Napoléon mit dem Schiff anlegte. Der kleine Kreisverkehr am Hafen ist reich bestückt mit teils etwas kitschigen, aber auch informativen Erinnerungstafeln und Schaubildern aus verschiedenen Jahrhunderten, die an den 1. März 1815 erinnern. Von diesem Endpunkt der Reise aus ist es zu all den attraktiven Zielen der klassischen Côte d’Azur nicht weit.

Linktipp:

Alles über die Route Napoléon auf Französisch

Napoleons „Adlerflug“

Die Route Napoléon beginnt in Golfe-Juan, © Martin Vogler

Die Route Napoléon wird auch als „Adlerflug“ (Vol d’Aigle) bezeichnet, weshalb sie durch Schilder entlang der Strecke mit kaiserlichem Adler markiert ist.

Der Name bezieht sich auf einen Ausspruch Napoléons im Zusammenhang mit seinem Gewaltmarsch im März 1815: „Der Adler wird mit den Nationalfarben von Kirchturm zu Kirchturm bis zu den Türmen von Notre-Dame fliegen.“ (L’aigle avec les couleurs nationales volera de clocher en clocher jusqu’aux tours de Notre-Dame.)

  1. März 1815: Landung gegen 17 Uhr in Golfe-Juan. Lager in einem Olivenhain.
  2. März: Biwak in Cannes, bereits gegen 5 Uhr Ankunft in Grasse, dann weiter bis Séranon, wo Napoleon im Château de Brondet, das dem Bürgermeister von Grasse gehört, nächtigt.
  3. März: Mittagspause in der Sous-Préfecture von Castellane und Übernachtung bei einem Richter in Barrème.
  4. März: Mittagsrast in Digne im Hôtel Petit-Paris und Nacht im Schloss von Malijai.
  5. März: Nach Stopps in Volonne und Sisteron gegen 22 Uhr Ankunft in Gap. Übernachtung im Hôtel Marchand.
  6. März: Übernachtung im Hôtel du Palais in Corps.
  7. März: Nach einer Mittagspause in La Mure schließen sich immer mehr jubelnde Anhänger Napoleon an. Gegen 23 Uhr triumphaler Einzug in Grenoble und Übernachtung im Zimmer Nummer 2 des Hôtel des Trois Dauphins.

Impressionen auf der Route Napoléon

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