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Tourismus in Frankreich

Nachhaltig reisen

Martin Vogler

Nachhaltig unterwegs in Frankreich, © Unsplash, Ian Tylor

3. September 2022

Auf umweltbewusste Deutsche wartet bei Reisen nach Frankreich eine positive Überraschung: Statt sich wie früher über schlampige Mülltrennung zu mokieren, können sie heute hautnah miterleben, wie das Land mit Verve bis spätestens 2030 Weltmeister beim nachhaltigen Reisen werden will.

Schon Ende 2021 startete das Projekt „Destination France Plan“, für das 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Damit will Frankreich, obwohl auch 2021 immerhin 45 Millionen ins Land reisten, nach den Covid-Ausfällen den Touristenstrom verstärken. Das Thema „Nachhaltigkeit“ dient dabei als Hebel. Man will seiner Verantwortung für die Zukunft gerecht werden – zudem spricht grüner Tourismus eine stetig wachsende Zielgruppe an.

Europäische Nachhaltigkeitswoche 2022

„In Frankreich gibt es in den Bergen, auf dem Land, an unserer Küste und sogar in der Stadt zahlreiche Möglichkeiten, einen nachhaltigen Urlaub zu verbringen“, sagt Caroline Leboucher, Generaldirektorin der Dachorgansation für Fremdenverkehr, Atout France (bis 2009 Maison de la France). Ihre Experten würden alles daransetzen, Frankreich zu einem Vorreiter für verantwortungsvollen Tourismus zu machen. Dabei setzen die Franzosen in punkto umweltfreundliche Reisen drei Schwerpunkte: „Natur & Slow Tourism“, „Kunst & Kultur“ und „Lebenskunst & Gastronomie“. Das Konzept ist ganz im Sinne der Europäischen Nachhaltigkeitswoche 2022 (18. September bis 8. Oktober, mit einer Kernwoche vom 20. bis 26. September 2022).

In der Küche sollten vorzugsweise regionale Produkte verwendet werden. © Unsplash, Alex Guillaume

Noch sind viele unsicher, wie es funktionieren kann, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne dabei das Leben zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen. Beispiel Gastronomie: Wichtigste Regel in diesem Bereich ist, möglichst Produkte aus der Region zu verarbeiten, um lange Transportwege zu vermeiden. Auch wenn in Frankreich aufgrund seiner geografischen Situation viele Restaurants in Küstennähe liegen, verzichten im Binnenland die wenigsten komplett auf Salzwasserfische und Meeresfrüchte. Das Verständnis nachhaltigkeitsbewusster Gäste stößt hier an seine Grenzen.  

Auf diesen Konflikt reagieren Köche damit, dass sie sagen: Wenn schon längere Transportwege, muss sich das auch lohnen. Das bedeutet: Nachhaltig denkende Gastronomen, mitunter mit einem grünen Michelin-Stern geadelt (seit 2021 auch in Deutschland), verwerten möglichst alles der angelieferten Produkte: Gräten etwa – beim Fleisch die Knochen und beim Gemüse Abgeschältes – kommen nicht in den Abfall. Alles wird verwendet, dient als Grundlage für eigenständige kreative Gerichte, Fonds und Suppen.

Grundsätzlich funktioniert nachhaltige Küche so in allen gastronomischen Kategorien. Ein Restaurantinhaber und Koch präzisiert: „Ich verwerte keine ,Babys‘. Bei mir gibt es kein Lamm, sondern Schaf, keine Babycalamares, keinen Babysteinbutt, sondern nur ausgewachsene Tiere.“

Zero Waste

In Cafés und Supermärkten ist es in Frankreich mittlerweile üblich, komplett auf Einweggeschirr zu verzichten. Zero-Waste-Lokale erfreuen sich zunehmender Popularität, und so manches macht diese Philosophie der Abfallvermeidung zum Markenzeichen. Ein Zero-Waste-Restaurant im bretonischen Lorient bietet sogar entsprechende Workshops an. Andere punkten schlicht mit plastikfreier Gemütlichkeit in Leseecken.

Nachhaltigkeit ist auch beim Campen möglich. © Atout Franc

In französischen Hotels ist Nachhaltigkeit schon länger angesagt. Das bedeutet: möglichst wenig Plastikverpackung beim Frühstück; im Badezimmer werden Handtücher nicht getauscht, wenn sie am Haken hängen (was im Alltag, so die Erfahrung, allerdings selten funktioniert). Immerhin dürfen sich 2022 bereits über 200 Beherbergungsbetriebe in Frankreich mit dem Europäischen Umweltzeichen für nachhaltige Unterkünfte schmücken. Auch achten immer mehr Campingplätze vermehrt auf Nachhaltigkeit. Wenn etwa Regenwasser zum Gießen von Pflanzen genutzt, Müll konsequent getrennt, Bioabfälle kompostiert und Solarenergie für Energie sorgt, erhalten sie das Label Clef Verte. Vielerorts flankieren Workshops zum Umweltschutz das Engagement.

Sinne und Bewusstsein schärfen

Nachhaltigkeit im Urlaub kann aber nur funktionieren, wenn auch die Touristen motiviert bei der Sache sind. Das heißt zum Beispiel vorzugsweise per Bahn anreisen, sich auf eine Region konzentrieren, sich dort ökologisch korrekt verhalten und regionale Produkte kaufen. Das kann Spaß machen, so Caroline Leboucher von Atout France: „Nachhaltiges Reisen bedeutet vor allem auch, in seinem eigenen Tempo zu reisen. Es bedeutet, sich Zeit für Begegnungen zu nehmen, sich bei einer frischen Mahlzeit aus regionalen Zutaten auszutauschen, außergewöhnliche Orte zu besichtigen und unglaublich schöne Panoramen zu bewundern, mehr über das Kulturerbe und das lokale Know-how zu erfahren. Es bedeutet, all seine Sinne zu schärfen und Augenblicke zu erleben, die sich einprägen werden.“

Nachhaltig orientierte Touristen bewegen sich also vor Ort zu Fuß, bevorzugt auf einem Sentier de Grande Randonnée (GR), paddeln auf den vielen französischen Flüssen oder nehmen das Fahrrad. Die Bedingungen hierfür sind in der Nation, die man früher nur mit Radrennsport assoziierte, geradezu ideal. Es gibt 19.000 Kilometer ausgebaute Radwege der Kategorie EuroVelo oder der französischen Variante Véloroutes nationales. Darunter zwei neue, attraktive Strecken: Die Vélomaritime führt rund 1500 Kilometer von der belgischen Grenze bis nach Roscoff in der Bretagne, entlang der Küste mit charmanten Orten wie Fécamp, Etretat, Honfleur oder dem Mont-Saint-Michel. Mit 420 Kilometern nicht ganz so lang ist die zweite neue Route, der Flussradweg Seine à Vélo („De Paris à la mer“). Von Paris bis zur Küste der Normandie führt er an den Schleifen der Seine entlang – natürlich auch durch Giverny mit den weltbekannten Gärten Claude Monets.

Mit dem E-Bike in der Bretagne bei Lannion, © Atout France / Pierre Torse

Wobei auch die älteren Radwege attraktiv sind. Beispielsweise bieten Rhone und Loire wunderbare Strecken, im Südwesten gilt die Region Landes als wahres Zweirad-Paradies. Die Routen locken zudem mit beeindruckenden Namen wie La Vélodyssée, La Vélocéan oder Le Tour de Gironde à vélo. An allen Strecken in Frankreich warten fahrradfreundliche Unterkünfte. Mehr als 6000 Orte tragen das Label Accueil Vélo.

Wer bei Nachhaltigkeit vor allem an ländliche Regionen denkt, denkt zu kurz. In Frankreich profilieren sich zwei Städte besonders: Grenoble darf sich Capitale verte Européenne 2022 (Umwelthauptstadt Europas) nennen. Die von Bergen umgebene Stadt in den Alpen kämpft engagiert gegen den Klimawandel und will bis 2030 die Emissionen von Treibhausgasen halbieren. Und Bordeaux trägt gemeinsam mit dem spanischen Valencia den Titel European Capital of Smart Tourism 2022. .Die EU würdigt damit herausragende Leistungen im Tourismus in den Kategorien Nachhaltigkeit, Barrierefreiheit, Digitalisierung und kulturelles Erbe sowie Kreativität.

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